Erstellt am: 23. 8. 2012 - 20:00 Uhr
140 Zeichen für den Widerstand
Ins Netz einischaun...
On air am Freitag, 24. August, von 16 bis 17 Uhr
Diskutiert mit! Hier im Forum, per Email oder live am Telefon während der Sendung:
0800 226 996
Sommergespräche? Können wir auch! Wir diskutieren mit jungen, politisch engagierten Menschen abseits des politischen Mainstreams oder etablierten Parteien. Ins Netz einischaun... heißt diese Reihe, in der JournalistInnen, BloggerInnen, AktivistInnen zu Wort kommen und wir mit ihnen - und euch - über das sprechen, was sie beschäftigt, über die Motive für ihr Engagement, die Ideen dahinter.
Porrporr, eine Stimme für den Widerstand
Futurama
Profil
Name: Porrporr
Adresse: twitter.com/porrporr, No Borders
Tags: Antifaschismus, Antisexismus, Widerstand
Porrporr stammt aus der linksradikalen Politszene, warnt schon mal Demonstranten vor der Polizei, thematisiert Hausbesetzungen und den Tierschützer-Prozess und macht sich gegen die rechte Szene stark. "People should not be afraid of their governments. Governments should be afraid of their people", schreibt Porrporr auf Twitter und fasst damit seinen Netzaktivismus in einem Satz zusammen. Mehr als 50.000 Tweets hat er veröffentlicht, rund 2800 Follower lesen seine kurzen Nachrichten regelmäßig. Er schafft es, die Parallelwelt zum politischen Mainstream abzubilden.
Porrporr ist eine der wichtigsten Informationsdrehscheiben politischer AktivistInnen in Österreich. #unibrennt, §278a und zum Beispiel die Free Pussy Riot Bewegung behandelt er, aber auch die Themenspektren Antisexismus und Antifaschismus. Porrporr interressiert sich für vieles, und hat bei aller Breite immer eine fundierte Meinung. Und: Porrporr ist anonym. Wer hinter seinem Profilbild steckt, der Gehirnschnecke aus Futurama (gerade zeitweise abgelöst durch ein Solidaritäts-Free-Pussy-Riot-Bild), wissen nur die allerwenigsten.
In der TwitterPolitik Netzwerkanalyse ist Porrporr ein wichtiger Informationshubs abseits klassischer Journalisten und fungiert laut der ATPolTwit Studie als Vermittler zu den übrigen, teils zentralen Diskutanten im Innenpolitik-Netzwerk. Wer Porrporr auf Twitter folgt, bekommt einen guten Überblick über die Politik-Szene abseits des Mainstreams. Im echten Leben ist Porrporr Sozialarbeiter in Wien.
Statusmeldungen zu Österreich
Porrporr war am Freitag, den 24. August, von 16 bis 17 Uhr zu Gast bei FM4 "Ins Netz einischaun...".
Was hält Porrporr von...
- der Polizei in Österreich und ihrer Vorgehensweise?
"Marcus Omofuma, Seibane Wague, Bakary J., Florian P., um nur einige Fälle, die bekannt geworden sind, zu nennen: Diese Menschen sind durch Polizeihandlungen gestorben oder gefoltert worden. Jeweils mit Deckung der Politik und mit Zustimmung von Teilen der Bevölkerung. Der Verein Zara hat in seinem Rassismus Report eine eigene Abteilung für rassistische Vorfälle bei der Polizei! Anzeigen wegen Polizeigewalt führen so gut wie nie zu Anklagen und noch seltener zu Schuldsprüchen. Es fehlt in Österreich eine unabhängige Stelle, um solche Übergriffe zu untersuchen. Bei Demonstrationen wäre eine Kennzeichnung der Polizei, wie in Berlin beschlossen, ein erster sinnvoller Schritt, um Beamte, von denen Übergriffe ausgehen, zu identifizieren."
Ins Netz einischaun
Statusmeldungen zu Österreich. Bisher waren folgende NetzaktivistInnen zu Gast:
- Claudia Gamon, Nachwuchshoffnung der jungen Liberalen
- Sahel Zarinfard, Journalistin beim Online-Magazin Paroli
- Brigitte Theißl, Feministin, Journalistin mit wissenschaftlichem Hintergrund
- Porrporr, politischer Netzaktivist und Informationshub für den Widerstand
- Tom Schaffer, Journalist und Blogger bei zurPolitik und Ballverliebt
- dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung?
"Eine gefährliche, politisch motivierte Dilettant_innen Truppe. Bei lebensbedrohlichen Szenarien wie Rechtsterrorismus werden Brandanschläge sehr schnell als Unfälle oder unpolitische Sachbeschädigung abgetan und Morddrohungen gegen politische Gegner_innen durch Neonazis nicht ernst genommen. Ermitteln sie aber gegen progressive politische Gruppen oder Einzelpersonen, versuchen sie trotz Unwissenheit mit viel Kreativität die nicht vorhandenen Beweise aus nichtssagenden Bruchstücken zusammen zu basteln. Wie im Tierschützerprozess oder bei den AMS4 schön zu sehen war. Der Prozess gegen Alpen-Donau entwickelt sich hingegen wieder zur Farce. Vielleicht auch unter anderem deswegen nicht verwunderlich, weil es sogar verwandtschaftliche Verhältnisse eines Beamten beim Verfassungsschutz zu einem Neonazi-Kader dieser Gruppe gibt. Eine Abschaffung des Verfassungsschutzes wäre eine sinnvolle Entscheidung!"
- Pussy Riot?
"Radikal-feministische Gesellschaftskritik. Gelungene Verbindung von wichtigen politischen Messages mit Musik und gelungener Medienarbeit. Pussy Riot hätten auch in Österreich enorme Sprengkraft. Sehr beeindruckend, wie groß und kreativ die weltweite Solidaritätsbewegung ist. Und nach wie vor #freepussyriot!!!"
- dem ORF?
"Ich schätze Ö1 und auch FM4. Die Fernsehschiene ist mit wenigen Ausnahmen eigentlich nur noch entäuschend. Der Bildungsauftrag ist beim Fernsehen vor mehr als zehn Jahren verloren gegangen. Es ist traurig, wie viele Leute beim ORF in prekären Beschäftigungsverhältnissen ausgebeutet werden, obwohl sie unverzichtbar sind! Umverteilung eines Teiles des überdimensionierten ORF Budgets auf unabhängige Radios und offene TV-Kanäle."
- §278?
"Unter dem Schlagwort Terror konnte die Polizei viele scheußliche Vorhaben aus ihren Schubladen zaubern. Der §278 zeigt sehr schön, wie der Staat solche Paragraphen auch bei unliebigen politischen Bewegungen anwenden kann. Die letzten zwei Anläufe (AMS4 & Tierrechtler_innen), mit diesen Paragraphen politisches Engagement zu sanktionieren, sind zum Glück völlig gescheitert. Ohne die tolle Medienarbeit bei den zwei Verfahren wäre es aber höchstwahrscheinlich zu Verurteilungen gekommen. Für die Abschaffung des Paragraphen 278!"
- Klarnamenzwang im Internet?
"Pseudonyme / Handles / Usernames sind vom Anbeginn des Internets fixer Bestandteil gewesen. Es gibt viele Gründe, warum Menschen anonym agieren wollen. Der Klarnamenzwang ist ein weiterer Versuch, eine noch umfassendere staatliche Überwachung online zu etablieren. Die Probleme, die durch das Verbieten von Pseudonymen beseitigt werden sollen, müssen anderswo bearbeitet werden!"
"Ins Netz einischaun..." mit Polit-Aktivist Porrporr
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Alle Fragen und Statements konnten während der Sendung leider nicht beantwortet werden - manche extreme Meinungen von den HörerInnen haben uns doch sehr überrascht. Deshalb hat sich Porrporr nach der Sendung nochmals hingesetzt und die wichtigsten Anliegen beantwortet:
- Monika schreibt: Wie rechts ist Österreich? Was ist das denn für ein Diskussionsthema? Gibt es gar nix anderes mehr zu besprechen, als permanent Österreich als Naziland hinzustellen? Eines ist gewiss, Österreich ist nicht rechter als der Rest der Welt.
"2000, Österreich als erstes europäisches Land mit einer rechtsextremen Partei in der Regierung. Tabubruch und wohl dadurch auch gepushter Rechtsruck in Europa. Diverse Umfragen zu Antisemitismus / Rechtsextremismus fördern auch immer wieder erschreckendes zutage. Ich glaub es geht nicht darum, ob Österreich rechter ist als andere Länder. Reicht es nicht sich anzusehen, was an brauner Kacke hier bereits als relativ normal durchgeht und kein Skandal mehr ist?"
- Roland schreibt: Es ist meiner Meinung nach eine Themenverfehlung, im Zusammenhang mit "rechter Politik" nur von der FPÖ/BZÖ/FPK zu sprechen. Die ÖVP ist eindeutig - auch historisch belegt (Austrofaschismus) - dem ziemlich rechten Lager zuzuordnen.
"Die Zeit war sehr knapp. Du hast natürlich völlig recht, dass ÖVP und auch SPÖ da nicht außen vor gelassen werden sollten. Kurz kamen die mal vor und auch die außerparlamentarische Neonazi-Szene. Die SPÖ und ÖVP sind mittlerweile schon so weit nach rechts abgedriftet, dass es erschreckend ist. Die immer noch vorhandene Verteidigung des Austrofaschismus oder von Dollfuß-Bildern in ÖVP-Räumlichkeiten zeigen auch auf, dass es da auch noch einiges problematisches gibt.."
- Anna fragt am Telefon: Eine Fahrschule in Graz veröffentlicht alles auf Türkisch. Migranten dort werden nicht animiert, Deutsch zu lernen. Wenn ich mich darüber aufrege, bin ich dann auch rechts? Wenn ich nach Amerika gehe, lerne ich auch Englisch.
"Eine Fahrschule ist ein Betrieb, dessen Ziel es ist, Umsätze zu generieren. Wenn sie durch Werbung in anderen Sprachen neue Kund_innen-Gruppen erschließen, werden sie es tun. Ich denke, der Zwang Deutsch zu lernen ist kein großer Anreiz. Die Grundstimmung im Land ist für viele Migrant_innen wohl: Ich bin hier nicht willkommen. Was zur Abschottung in einer migrantischen Subkultur führt. Politik, die nach außen behauptet, sie will dagegen etwas tun, führt aber genau dazu. Irgendwas läuft hier gewaltig falsch.
"
- Chai Radar @ porrporr: Wie siehst du eigentlich die Rolle der Linken in Österreich? Gibt es die überhaupt? Ziehen die Linken in Ö am selben Strang, wie divers oder nicht sind die Linken in Ö? Wenn ja, welche Gruppierungen, Parteien, Organis. würdest Du besonders hervorstreichen, welche wiederum lehnst Du eher ab? Linkradikalismus, eine Thema in Österreich, Wie steht porrporr dazu? GKS0, m2, meteomaniac, R&W, 1€F
"Die Rechte / die Linke ist immer schwierig. Das linke Spektrum ist auf jeden Fall sehr ausdifferenziert und es gibt viele Konflikt-Linien dazwischen. Parteien, die vor einigen Jahrzehnten wohl noch als links durchgegangen wären wie die SPÖ, sind mittlerweile so weit nach rechts abgedriftet, dass es meist wichtiger ist, gegen ihre Politik aufzutreten, als mit der Lupe nach okayen Personen / Positionen zu suchen.
Die KPÖ ist für mich mit dem Verkauf des EKH an einen Neonazi „gestorben“. Sie haben es auch nicht geschafft, sich ernsthaft davon zu distanzieren bzw. sich zu entschuldigen. Traurige Truppe, der die DDR Gelder (zum Glück?) abgenommen wurden... Eine linksradikale Szene gibt es auf jeden Fall, von Antifa Gruppen über anarchistische / syndikalistische Gruppierungen. Schwer tue ich mir mit marxistischen / trozkistischen Gruppen, die meines Wissens nach sehr kaderorientiert aufgebaut sind. Hierarchien sind für mich nichts, das mit progressiver politischer Arbeit vereinbar ist..."
- Und unsere Fragen: Warum bist du anonym? Fühlst du dich verfolgt? Hast du Angst vor dem Verfassungsschutz, der Polizei oder sonstigen Strafbehörden?
"Ich bin in den späten 90iger Jahren ins Internet vorgedrungen. Über viele Jahre war es ganz üblich mit Nicknames in diversen Communities aufzutreten. Daher war anonym normal. Später durch Politarbeit im Antifa Bereich wurde es zunehmend aus Selbstschutz-Zwecken normal, möglichst nicht greifbar für Neonazis und Repressionsbehörden zu sein. Mittlerweile empfinde ich es manchmal selber als übertrieben. Vor allem weil ich in einer Socialmedia-Umgebung agiere, wo es eher eine Ausnahme ist, nicht mit Gesicht und Namen aufzutreten. Und eher zu versuchen, die Kanäle nicht zusammenlaufen zu lassen. Ich fand es ja total nett von den FM4 Menschen, dass sie total bedacht darauf genommen haben, dass ich auf Twitter anonym agiere. Als dann die Nachfrage kam, ob es für mich noch okay ist, wenn sie sagen, dass ich Sozialarbeiter bin, dachte ich mir, wtf, wie komme ich rüber. ;-)"
- gerettet fragt: Bin sehr einverstanden mit deinen Vorab-Antworten hier. Nur die Ablehnung des Klarnamenzwangs verstehe ich nicht. Kannst du uns ein paar Beispiele geben, was man gegen Hetze im Internet unternehmen sollte?
"Ich tue mir mit Zwang immer schwer. Sollte es nicht die Entscheidung von jedem Menschen sein, ob er / sie mit Realnamen oder Synonym online ist? Ich laufe ja auch nicht mit einem Namensschildchen am T-Shirt durch Wien, damit mich die Polizei schneller identifiziert, wenn ich bei Rot über die Ampel gehe, oder? Wie das Internet derzeit funktioniert, würden die wirklichen Trolle einen Weg finden weiter zu hetzen. Oder es würde einfach Diskussionen / Kommentare ziemlich abwürgen. Ich befürchte auf Seiten, wo alle Kommentare sofort online sind, gibt es keinen Weg herum um eine inhaltliche Überprüfung. Eine Lösung, die mir einfällt, ist es, dass Kommentare vorher freigeschaltet werden. Das führt vielleicht bei einigen Trollen / Hetzer_innen dazu, dass sie es aufgeben, wenn eh nie was von ihrem Kackscheiß online geht. Bei großen Seiten mit wirklich vielen Kommentaren ist das natürlich viel mehr Aufwand als die umgekehrte Variante, wo nur die jenseitigen dann gelöscht werden."