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Pia Reiser

Filmflimmern

20. 8. 2012 - 11:40

Tony Scott (1944-2012)

Ein Nachruf auf den Regisseur, der Männer zwischen Adrenalinrausch und Kugelhagel inszenierte und mit "True Romance" ein Herzstück des 1990er Jahre Kinos geschaffen hat.

Seiner roten, ausbgeleichten Baseballkappe war der 1944 geborene Tony Scott ebenso treu wie dem Genre, das man mit ihm verknüpft, dem Actionfilm. Eigentlich wollte Scott Maler werden, macht seinen Abschluss am Royal Collage of Art und wendet sich dann aber - auf Anraten seines Bruders Ridley - dem Film zu, der ihn mit den Worten "Come work with me and within a year you'll have a Ferrari" von der Kunst- zur Filmkarriere überredet haben soll.

Scott inszeniert Männer zwischen Adrenalinrausch und Kugelhagel. Schon alleine wegen dem hohen Frauenanteil sticht sein erster Film "The Hunger" aus dem Jahr 1983 wie ein Fremdkörper aus seinem restlichen Oevre raus. Während sein Bruder Ridley Scott mit "Alien" und "Blade Runner" erste Ahhs und Ohs von Kritik und Publikum einsammelt, inszeniert Tony Scott einen modernen New Wave Horrorfilm um Vampire.

Catherine Deneuve und SUsan Sarandon

Arthaus

The Hunger

Von Vampiren zu Tom Cruise

Während das Licht, das durch die weißen Vorhänge auf die Marmorwände und den Flügel in Catherine Deneuves Haus fällt, fast "Bilitis" schreit, arrangiert Scott in "The Hunger" Deneuve und Sarandon in einer Liebsszene, die in die (Mainstream)-Filmgeschichte eingeht. Und auch in seinem nächsten Film wurde der homoerotische Subtext gerne diskutiert. Mit "Top Gun", dem Piloten-Action-Drama, der wohl so einiges für die Popularität der verspiegelten Sonnenbrille gemacht hat, wird Tom Cruise zum Star und legt den ersten Grundstein für eine Laufbahn als Actionheld.

Tom Cruise

warner

Top Gun

The need for speed

Von Kritikern höchstens als "guter Handwerker" gelobt, setzte Scott seine Helden zu Luft, Wasser und zu Erde verschiedenen Gefahren aus, Tempo und Raserei war nicht nur Stilmittel seiner Filme, sondern auch Gegenstand. Fortbewegungsmittel aller Art waren auch Schauplatz oder wichtiger Bestandteil seiner Filme. Von den Kampfjets in "Top Gun" zu den Rennflitzern in "Days of Thunder" zum U-Boot in "Crimson Tide", der entführten U-Bahn in "Pelham 1-2-3" und dem rasenden Zug in "Unstoppable". Realismus interessierte ihn nur hinsichtlich eines Aspekts: "My whole career I’ve always tried to avoid CGI, whether it’s planes, cars or trains.It’s something in terms of the drama and the performances that gives me a reality and more of an edge".

Das "Top Gun"-Zitat "I feel the need... the need for speed" schien auch Tony Scotts Regie-Mantra zu sein. Auf den Plakaten zu seinen Filmen schaut einem meistens ein Mann entgegen während im Hintergrund was explodiert. Weil, auch Scotts Männer gehören zu denen, die "The Lonely Island besingen: Cool guys don't look at explosions. Für Bruce Willis wird "Last Boy Scout" zur Karriere-Rettung aus der "Hudson Hawk"-Flaute, Tony Scott wiederbelebt Willis' zynisches, cooler als cool Image und braut einen Action-Buddy-Movie-Film zusammen, in dem immerhin 102 Mal "Fuck" vorkommt und auch sonst jede Menge zitiertwürdige Oneliner.

Bruce Willis

warner

Last Boy Scout

Das Herzstück: True Romance

1993 bekommt er ein Script eines noch unbekannten Quentin Tarantino in die Hand gedrückt. Scott ist begeistert, nimmt allerdings Änderungen am Drehbuch vor und verpasst "True Romance" das Happy End, das bizarrerweise manchmal bei Ausstrahlungen im TV wieder fehlt. "True Romance" wird der Film, der ebenfalls rausragt aus Scotts Filmografie. Ein blutgetränktes Road Movie, mit einer herzpochenden Liebesgeschichte. "All the cynical people die", meinte Tony Scott zufrieden über "True Romance". Leopardenleggins, Hawaiihemden, Plastikschmuck. Der Trash mird mit ordentlich Herzblut aufgeladen. Schöner, dramatischer fährt kein Paar in den 1990ern in den Sonnenuntergang als Christian Slater mit blutigem Augenverband und Patricia Arquette mit der Sonnebrille mit Goldrand.

Szenenbild aus "True Romance"

arthaus

True Romance

Das Nachtwiederholungsprogramm wird zum Auffangbecken seiner Filme, da begegnet man oft seinen Helden, die unter Dauerbeschuss und -bedrohung stehen. Und meistens bleibt man hängen. Die einen bei "True Romace", die Anderen bei "Last Boy Scout". Mit Denzel Washington arbeitet er gleich fünf Mal zusammen und 2005 schickt er mit Keira Knightley in "Domino" eine Actionheldin auf die Leinwand. Als Produzent widmete sich Scott auch weniger adrenalingeschwängerten Stoffen, er produziert Dokus, Western und TV-Serien wie "The Good Wife" oder "Numbers". Vor einem Jahr bestätige Scott, dass es ein Sequel zu "Top Gun" geben würde, nur eines von zahlreichen anderen Projekten, an denen er arbeitete.

Tony Scott

APA

Tony Scott, 1944-2012

Tony Scott hat sich heute, 20. August 2012 in Los Angeles das Leben genommen. Regisseur und Drehbuchautor Richard Kelly findet vielleicht die schönsten (und bildreichsten) Worte der Erinnerung an den Regisseur: "Working with Tony Scott was like a glorious road trip to Vegas on desert back roads, a wild man behind the wheel, grinning. I felt safe."