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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

19. 8. 2012 - 00:46

In der Ruhe liegt der ganze Glanz

The xx beim FM4 Frequency. Das muss fast schon reichen. Aber auch: Maximo Park.

Nicht dass es bei vielen, vielen anderen Bands nicht ähnlich wäre - im Schaffen von The xx ist die Komponente „Sound“ jedoch in verschärfter Form von Bedeutung: Freilich hat das englische Trio richtige und echte und sehr gute Lieder im Repertoire - Songwriting, das ober- und unterhalb eines ausgefuchsten Klangdesigns zu triumphieren im Stande ist, dennoch ist die sonische Aura, die sich The xx da in einer dunklen Kammer zusammengegrübelt haben, essenziell für die Rezeption der Band. Es ist eine Musik von besonderer Mechanik: ein intimer, karger Sound, man scheint den Atem von Sängerin Romey Madley Croft und Sänger Oliver Sim nahezu mit bloßen Händen mitten aus ihrem Flüsterzwiegespräch herausfischen zu können. Falls man nun nicht zu den Menschen gehört, die The xx schon einmal live haben erleben dürfen, muss man sich fast zwangsweise die Frage stellen, ob sich denn so eine filigran angerichteter Soundentwurf auch sinnstiftend auf die große Bühne eines Festivals transferieren lässt. Könnte der dunkle Minimal-Pop von The xx in der Live-Darbietung gar langweilig sein? Am heutigen Abend sind The xx das erste Mal in Österreich live zu erleben; sie haben Menschen angelockt, die sonst mit den ganzen Sportfreunden vielleicht nicht gar so viel am Hut haben, sie sind das Gusto-Stück im Programm.

The xx beginnen ihr Set mit „Angels“, dem Vorboten zu ihrem demnächst erscheinenden, zweiten Album, „Coexist“ (dazu demnächst an dieser Stelle mehr). Ein Stück, das nur wie dafür gemacht scheint, weihevoll ein Konzert einzuläuten. The xx poltern nicht mit dem großen Showeffekt in ein Konzert, sondern dimmen die Lichter und schärfen die Konzentration. Erwartungsgemäß spartanisch ist die Bühne aufbereitet, in Anbetracht des geringen Beat-Aufkommens hat Jamie xx, der Elektronik-Beauftragte der Band, jedoch ein regelrechtes Arsenal an Geräuschquellen vor sich aufgebaut. Ein gigantisches durchsichtiges Kreuz thront auf der Bühne, schwerer Nebel weht. Auf „Angels“ folgt der Hit „Islands“, danach „Fiction“, ein Highlight auf "Coexist". Dennoch sind The xx nicht unbedingt eine Band, die von einzeln hervorstechenden Höhepunkten lebt – und dass, obwohl sie in ihrer noch so jungen Karriere doch schon so viele echte Hits im Ärmel führt, „Shelter“, „VCR“, das das "Wicked Game" von Chris Isaak zitierende "Infinity“ oder „Crystalized“. The xx geben ihr Debütalbum nahezu zur Gänze, vom Nachfolger schmiegt sich immerhin gut die Hälfte ins Geschehen. Das Konzert glimmt konstant auf hohem Niveau. Es ist eine schüchterne Perfektion, ein ganz leises Zuschaustellen des eigenen Wissens, dass hier Großes in die Welt gebracht wird, das aber auch mit der schlanken Geste geschehen kann.

The xx schaffen es, die in einem merkwürdigen Gleichgewicht zwischen kalt und spröde hier, und gleichsam wohlig und heimelig-flauschig dort dastehende Strahlung ihrer Platten mühelos auf die Bühne zu hieven. Sachte, zärtlich, in ein Bett aus Watte. Bei all dem finsteren Unterton, den die Musik von The xx befördert, ist das was hier geschieht, nie von bleierner Schwere belastet; die Passagen, in denen sich Madley Croft und Sim an Gitarre und Bass halb zärtlich, halb ungelenk linkisch umspielen und umtanzen und sich dabei vertraut wie ewige Freunde, die sie sind, gegenseitig verschwörerische Weisheiten in die Seele singen, gehören zu den glücksspendendsten Momenten der jüngeren Popgeschichte. The xx haben aus einem weiten Fundus an Einflüssen und Referenzen, aus gloomy Postpunk, aus Dubstep, Indierock, R&B und Clubmusik diverser Couleur nicht eine üppige Werkschau angerichtet, sondern eine ganz eigene Zeichensprache destilliert, die klingt wie nichts anderes zur Zeit. Am Ende des Konzerts steht die Nummer „Stars“, selbst innerhalb des Katalogs von The xx ein besonders minimalistisches Stück. Hier wird ein Tresen nach oben geklappt, ein gedämpfter Film zu Ende gedacht, und Menschen mit Wasser in den Augen werden sachte unter die Bettdecke geschoben. Hat man der Vollendung eines Kunstwerk beigewohnt? Ein Triumph der Bescheidenheit. Like Breathing Was Easy.

Maximo Park - Weiterrocken

Maximo Park haben Anfang, Mitte der Nuller-Jahre gemeinsam mit Bands wie Franz Ferdinand und den Futureheads (Hallo?) ein schönes Postpunk-Revival mitgetragen; zickig agierende Gitarren und ein Haken schlagender Rhythmus beschworen hier vor allen Dingen den Geist der großen Gang of Four oder, je nach Präferenz, auch den von schottischen Bands wie beispielsweise Orange Juice. Das war prima und wirkte fresh und konnte neues Interesse an altgedienten Bands entfachen. „ A Certain Trigger“, das Debütalbum von Maximo Park aus Newcastle und gleichzeitig die auch untypischste Platte für das englische Label Warp Records ever, ist Dokument einer wilden Zeit, in der Indie kurz wieder „neu“ wirken konnte, und ist auch heute noch bestens hörbar und mitreißender Knaller in jeder Indiedisco.

Mittlerweile haben Maximo Park vier Alben veröffentlicht, Frontmann Paul Smith eine introspektive Solo-Platte, und schön langsam hat sich die Routine eingeschlichen. Live wird natürlich noch immer artig gehampelt und über die Bühne gehetzt, wirklich überzeugen können nur die alten Stücke: „Graffiti“ und „I Want You to Stay“ beispielsweise. Gut zwanzig Nummern trägt das Set leider nicht ganz. Früher haben Maximo Park alte Musiken mit neuem Esprit betankt, heute kopieren sie sich selbst. Es rockt, natürlich, mutet bisweilen aber wie ein schon müde gewordenes Selbst-Revival an, wie die viel zu früh gekommene Reunion-Tour. Mit dem Abschluss-Stück „Apply Some Pressure“, dem ewigen Hit von Maximo Park, wird man mit der Welt wieder ein bisschen versöhnt und energiebeladen in die Nacht entlassen. Ins Bett kann man jetzt noch nicht gehen.