Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Swing and Bohemians"

Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

18. 8. 2012 - 18:26

Swing and Bohemians

Elektro Guzzi, Wallis Bird, Katzenjammer, Milow, Dandy Warhols und Parov Stelar am FM4 Frequency

Nach dem Auftritt der Band Sisyphos und ihrem festivalüblichen Gebräu aus Reggae und World Musik darf der letzte Tag des FM4 Frequency Festivals auf der Green Stage mit einem kleinen Höhepunkt anklingen. Mit einer Band, die, wenn man vielleicht nicht gerade ins Programmheft geblickt hat und mit voller Absicht weiß, wer wann wo spielt, man an diesem Ort und um diese Uhrzeit nicht unbedingt erwartet hätte.

Elektro Guzzi – Mensch-Maschine

Elektro Guzzi eilt der Ruf voraus, ein Band zu sein, die man überall hinstellen kann: Dance-Club-Kontext, Rock-Venue, avantgardistisch-experimentell angehauchte Vernissagen-Eröffnung. Das österreichische Trio rockt mit seiner von Hand an den Instrumenten Bass, Gitarre und Schlagzeug eingespielten Nachstellung von für gewöhnlich an elektronischer Gerätschaft generiertem Techno jedes Ambiente. Das funktioniert auch um halb drei Uhr nachmittags in glühender Hitze. Elektro Guzzi werden von gar nicht so wenigen Menschen mit einem Johlen begrüßt und können fast schon ein kleines Nachmittags-Rave in Gang setzen. Auch die Zaungäste werden mitgerissen. Eventuell hätte man das Booking von Elektro Guzzi in diesen Slot für etwas merkwürdig halten können, es stellt sich jedoch heraus, dass diese Musik genau die richtige ist, um am frühen Morgen die Welt aus den Socken zu schütteln. Der Drummer imitiert an seinem Instrument das Herannahen der Bimmelbahn, hier kommt der Techno-Express.

Wallis Bird – für immer Hippie

Etwas ganz anderes macht Wallis Bird. Die irische Songwriterin kommt mit Band inklusive Fiedel und durchlebt einen munter polternden Folk-Pop, der da und dort mit Punk-Gestus aufgeladen wird und sich mit akustischer Gitarre besonders freigeistig gibt. Wild schüttelt Wallis Bird sich und ist sympathisch, dabei ist das natürlich alles ganz brav, was sie da macht, und nach dem Singer/Songwriterhandbuch für weltoffen durch all die Pubs dieser Welt tingelnde junggebliebene Menschen geschnitzt. Sie hat auch ein paar sehr gute Lieder, nicht selten aber gibt sie die dann zu sehr fühlend. Bunte Bänder sind ihr ins Haar gewoben.

Katzenjammer – Gut schief tönen

Einen besonders treffenden, vielleicht schon zu bemüht „originellen“ Bandnamen haben sich natürlich Katzenjammer ausgedacht. Die vier Damen aus Norwegen musizieren mit Banjo, Akkordeon, Balalaika-Bass, Ukulele und noch einigem anderen im Pop für gewöhnlich nicht standardmäßig zum Einsatz kommenden Instrumentarium und rumpeln sich eine aufgekratzte Musik aus, wieder einmal, Folk-Rock, scheppernden Postpunk-Einflüssen, Country und versponnener Zirkusmusik zusammen. Katzenjammer versprühen die Disco-Polka und Hauch der Leningrad Cowboys, dazu tragen sie bunte Kostüme. Das ist lustig. Aber auch stellenweise schon gar sehr als „exotisch“ konstruiert und um Exzentrik bemüht. Dass Katzenjammer "Land of Confusion" von Genesis covern, ist aber schon sehr super. Partyband. Für Festivals oder "ironische" Retroveranstaltungen. This is the world we live in.

Milow - R'n'B mit Akustik-Gitarre

Es geht weiter mit der Schule Folk/Singersongwriter. Der belgische Liedermacher Milow ist vor allen Dingen dafür bekannt, dass er das Stück mit dem großartigen Titel "Ayo Technology" von 50 Cent und Justin Timberlake gecovert hat. Das war sehr erfolgreich. Was ist von einem Mann zu halten, der glaubt, der gute R'n'B müsse in die "Ehrlichkeit" der Lagerfeuergitarre gerettet werden und der dann im dazugehörigen Video den Sexismus, der im HipHop leider vorkommen kann, vermeintlich ironisch ausstellt, dabei aber bloß verstärkt? Wenn Milow, der heute mit Band und schönem Country-Twang im Gepäck auftritt, seinen Kernkompetenzen treu bleibt, an der Gitarre schöne Lieder trällert, die er sich selbst ausgedacht hat, dann klingt das wie so etwas eben klingt, mal inbrünstig, mal das Leben spürend, mal irgendwie voll so "intensiv" - aber über weite Strecken glücklicherweise ohne die öden Klischees. Dass Milow eben in vielen Stücken den Geist von Soul und R'n'B nachhallen lässt, erzeugt dann doch einige Momente der Wärme. Also von innen heraus.

Dandy Warhols – Früher waren wir Freunde

Wer hätte gedacht, dass die Dandy Warhols zu den Überlebenden der großen Mitt-90er-Alternative-Explosion gehören würden? Die Band aus Portland, Oregon hat nie besonders portland-hafte, also ein bisschen abseitig-verspielt-hippe, Musik gemacht, sondern meist bloß einen ordentlich gestrickten Rock, der vor allem vom Geist von Glam und im Speziellen David Bowie beflügelt war. Mit Drogen-Chic haben sie immer kokettiert, ihn auch gelebt. Ein auf ganze Länge überzeugendes Album ist den Dandy Warhols dabei nie geglückt, mit ihrer dieses Jahr erschienenen, achten Platte „This Machine“ immerhin endlich wieder einmal eine ziemlich gute. Live scheint keine Zeit vergangen zu sein: Frontman Courtney Taylor-Taylor trägt den adretten, kurz am oberen Hinterkopf gebundenen Beckham/Gavin-Rossdale-Pferdeschwanz. Wie das eben so ist, sind die alten Lieder die besten: „We Used To Be Friends“, „Not If You Were The Last Junkie On Earth“, „Bohemian Like You“. Ein Trip in die Vergangenheit mit einigen neuen Erkenntnissen, die dann aber doch nur wieder das Gestern heraufbeschwören. Aber nicht vergessen: Heroin ist immer noch so passé.

Parov Stelar Band - Swing Parents

Parov Stelar Band. Superstarband. Superpartyband in gut. Parov Stelar hat (neben Mr. Scruff vielleicht) dieses Ding, das sie da "Electroswing" heißen, quasi miterfunden. Diese extrem feiertaugliche Mixtur aus elektronischem Beat und den eher leicht im Körper nachvollziehbaren Elementen von Jazz; diese Musik, die ja gerne auch - und sehr oft auch zurecht - verunglimpft wird, weil sie ja so gar easy ins Blut geht und ach gar so viele Menschen mittlerweile diese Maschine reiten.

Die Parov Stelar Band macht das nach wie vor besser als so ziemlich alle, auch wenn man sich mittlerweile schon sehr gut an die hier bemühten Muster gewöhnt haben könnte, ebenso wie an den in slicken Anzügen und Hosenträgern vorexerzierten Lifestyle, der Jazz oft auch gerne bloß als schickes Fahrstuhl- und Boutiquen-Gedudel begreift. Die Menschen tanzen, und das soll diese Musik in erster Linie bezwecken. Wenn man der Parov Stelar Band etwas vorwerfen möchte, dann doch, dass sie dafür verantwortlich ist, dass mittlerweile jeder zweite Dance-Track der Welt mit einer blöden Tröte ausstaffiert um die Ecke kommt.

Und The XX und Maximo Park, die hier auf dieser Bühne folgen, werden in einer neuen Geschichte behandelt.