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Barbara Köppel

Durch den Dschungel auf die Bühne des Lebens.

16. 8. 2012 - 17:22

Macht, Sex & Intrigen

In ihrem neuen Roman "Die Königin ist tot" verstrickt Olga Flor ihre Protagonistin in ein gefährliches Spiel.

"Duncan stoppt den Lift knapp über dem 46. Stock, und mit der Eichel eines alten Mannes, so sah ich das damals, sechsundzwanzigjährig, in der Kehle, dort, wo die tiefen Laute entstehen, dachte ich über die Freiheit des menschlichen Willens im allgemeinen und im besonderen nach und kam zu keinem speziellen Schluss, wie denn auch, die Vorstellung jeden Moment die Stimme des Portiers durch die Gegensprechanlage zu hören, machte mich nervös. (...) Dennoch schaffte er es noch vor dem Erreichen der Zahl 68, mir in den Mund zu spritzen, und das schien ihn mit Stolz zu erfüllen."

Portraitfoto Olga Flor, Autorin

Marko Lipus

Die 1968 in Wien geborene Olga Flor studierte Physik und arbeitete im Multimedia-Bereich. Seit 2004 ist sie freie Schriftstellerin. Ihr Werk wurde bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Olga Flor lebt mit ihrer Familie in Graz.

Eine der ersten Szenen in "Die Königin ist tot" bringt unmissverständlich auf den Punkt, worum es im Buch geht: Sexualität als Machtinstrument, der weibliche Körper als Mittel zum Zweck.

Heiraten für den sozialen Aufstieg

Lilly, eine junge Europäerin heiratet den alternden Medientycoon Duncan, und schafft damit den sozialen Aufstieg in ein Luxusapartment im 68. Stock eines spiegelverglasten Hochhauses in Chicago. Sie bekommt zwei Kinder, führt einen aufwändigen Lebensstil, ist jedoch mit der zwar selbstgewählten aber passiven Funktion als "Trophy-Wife" zunehmend unzufrieden. Olga Flor zwängt ihre Protagonistin damit in eine sehr ambivalente Geschlechterrolle.

"Lilly bestimmt selbst, dass sie sich einem sehr patriarchalen Lebensmodell unterwirft", sagt sie im Interview. "Nur hat das eben seinen Preis, denn diese Selbstbestimmung ist natürlich sehr begrenzt. Das ist ihr durchaus bewusst, und sie sieht ihre Position auch mit einer gewissen Ironie. Reich heiraten war für sie einfach der schnellste Weg, und der bequemste."

Doch Lilly wird von Duncan bald durch eine Jüngere ersetzt, und an Alexander, die Nummer 2 des Medienimperiums weitervermittelt.

Moderne Lady Macbeth

In weiterer Folge sind Figuren und Handlung des Romans einer Shakespeare-Tragödie entlehnt. Lilly ist die skrupellose Lady Macbeth, die ihren Mann zum Königsmord überredet, und auch nicht davor zurückschreckt, Bauernopfer zu bringen. Duncan muss sterben, für das Verbrechen bezahlt sein Personal.

Buchcover Olga Flor "Die Königin ist tot"

Zsolnay Verlag

"Die Königin ist tot" ist Olga Flors vierter Roman. Er erscheint am 27. August im Zsolnay Verlag.

Als Kontrast zu dieser Intrige und zu den Machenschaften des Medienkonzerns schildert die Autorin soziale Unruhen auf der Straße, die fernab von der Parallelwelt der Upper Class stattfinden. Automatisch ruft sie Bilder ins Gedächtnis, wie man sie von den jüngsten Aufständen in London Hackney oder französischen Banlieus kennt, und erinnert auch an die Erschießung des 14-jährigen Kremsers im August 2009, die Krone-Kolumnist Michael Jeannée mit dem Ausspruch "Wer alt genug ist zum Einbrechen, ist auch alt genug zum Sterben" quittierte.

"Ich habe mir die Freiheit genommen, die Situation noch ein wenig zuzuspitzen", sagt Flor, "und ein postapokalyptisches Szenario entworfen. Soziale Unruhen flammen an allen Ecken und Enden immer wieder auf. Man vergisst sie schnell, aber sie sind unterschwellig ständig präsent. Im Buch habe ich die soziale Ungleichheit und die damit einhergehende Gewaltbereitschaft daher als gegeben angenommen, und wollte gleichzeitig zeigen, dass die Personen, die auf einem anderen Level agieren, sich darum eigentlich überhaupt nicht scheren."

Macht der Medien

Diese Diskrepanz wird auch im Roman deutlich. Das echte Leben mit all seinen gesellschaftlichen Missständen wird nur in Form von Fernsehbildern durch die Augen der privilegierten Ich-Erzählerin wahrgenommen.

Olga Flor liest heute am 16. August um 20.30 Uhr beim Literaturfest O-Töne im Museumsquartier in Wien. Der Eintritt ist frei.

"Ich habe mich gefragt: Wo liegt die Macht? Und ich denke, ein ganz wesentlicher Teil der politischen Macht liegt in der Interpretation von Ereignissen, und hier haben nun einmal die Medien die Deutungshoheit. Noch dazu konzentriert sich deren Macht in großen Konzernen, die demokratisch weder legitimiert noch zugänglich sind."

Im Buch legt Olga Flor schonungslos offen, wie das Medienimperium seine Wirtschaftsinteressen mit gezielten Verhetzungskampagnen durchsetzt. In konsequent durchgezogener Kriegsrhetorik thematisiert sie aktuelle Machtkämpfe auf verschiedenen Ebenen: Mann gegen Frau, Reich gegen Arm und Medien gegen Realität.

Insgesamt ist das Buch akribisch strukturiert, das Netz der diametralen Ambitionen fein gesponnen, und die Handlungen jeder einzelnen Figur so gesetzt, dass ihre Auswirkungen auf die Gesamtkonstellation deutlich werden. Das ist intelligent und vor allem sehr unterhaltsam. Wärmste Empfehlung.