Erstellt am: 14. 8. 2012 - 15:19 Uhr
Nas - Life is good
Columbia
Mit seinem Debüt-Album "Illmatic" hat Nasir "Nas" Jones 1994 einen Meilenstein der Rap-Geschichte veröffentlicht. Die Platte gilt als einer der gelungensten Hip Hop-Releases überhaupt. Mit Produktionen von Large Professor, DJ Premier, Pete Rock und ein paar anderen Schwergewichten hat "Illmatic" damalige Industrie-Standards auf den Kopf gestellt: Das gängige Konzept des Produzenten, der ein ganzes Album für einen Rapper macht, wurde verworfen. Stattdessen konnte Nas auf Musik der begehrtesten Beatbastler New Yorks zurückgreifen und somit ein akustisch sehr abwechslungsreiches Debüt abliefern. Die Auswahl der Samples und Beats sollte das Lebensgefühl jener Menschen widerspiegeln, deren Alltag sich in den Projects - der amerikanischen Version des Gemeindebaus - abspielte.
Christoffer Silverberg
Protegiert von Large Professor (Main Source) und MC Serch (3rd Bass), standen dem jungen Nas alle Türen und Tore zur Hip Hop-Industrie der 90er Jahre offen. Inspiriert von Rakim, schrieb Nas smarte poetische Texte in Reimform, die sein bisheriges Leben in Queensbridge reflektierten und gleichzeitig eine Ästhetik von Gangster-Filmen wie "Scarface" hatten.
Sein Talent zu rappen und die Auswahl der Musik verschafften ihm einen Plattenvertrag bei Columbia Records. Jenem Label, bei dem auch Michael Jackson - eines seiner großen Idole - war. Kein schlechter Start für einen Teenager, der die Entstehung der Hip Hop-Kultur quasi aus dem Kinderzimmer-Fenster beobachten konnte. Aus seinem Viertel stammen Künstler wie Marley Marl und MC Shan.
Def Jam
Von Illmatic zu Life is good
Den gesamten Lebensweg von Nas von damals bis heute zu beschreiben, würde diesen Rahmen hier sprengen. Stichwortartig kann man festhalten, dass seine Karriere von mehr Höhen als Tiefen geprägt war. Einige seiner Alben landeten auf Platz 1 der US-Billboard-Charts, die Single "If i ruled the world" mit Lauryn Hill wurde für den Grammy nominiert, der legendäre Battle mit Jay Z ging (wenn man den Hörern von HOT 97 glaubt) zu seinen Gunsten aus und kommerzieller Erfolg ließ das Bankkonto von Nas ordentlich wachsen.
Obwohl seine Fans einen zweiten Teil von "Illmatic" wollten, entwickelte Nas sich musikalisch konstant weiter. Von auf alten Samples basierenden Boom Bap-Beats zu synthetisch-klingenden Club-Songs und wieder zurück.
Und das bringt mich zu "Life is good", dem aktuellen Album, das via Def Jam veröffentlicht wurde.
Von Nasty Nas zu Esco zu God's Son und The Don
Nas besinnt sich auf "Life is good" auf seine Wurzeln. Dass er mit der Entwicklung von Rap-Musik nicht immer zufrieden war, hat er schon auf "Hip Hop is dead" mitgeteilt.
Die Single "The Don" könnte aus den frühen 90er Jahren sein. Jener Zeit, in der gerne Elemente von Hip Hop mit jamaikanischer Reggae-Dancehall-Musik vermischt wurden . Der Song basiert auf einem Sample von Super Cat, einem Dancehall-Star jener Zeit. Produziert wurde "The Don" von Heavy D, selbst erfolgreicher Künstler und Cousin von Pete Rock, der vor Kurzem leider gestorben ist. Als er die Musik für "The Don" gemacht hat, dachte er sofort an Nas und hat diesem den Beat zukommen lassen. Der Song wurde als Single von "Life is good" ausgekoppelt.
Viel ist passiert, seit Nas sein Debüt veröffentlicht hat: Er wurde Vater einer Tochter, war verheiratet mit der R&B-Sängerin Kelis (die beiden haben einen gemeinsamen Sohn), einen Teil seines Vermögens hat er fehlinvestiert, zwischenzeitliche Kokain-Eskapaden und das Gefühl, in keiner Welt zu Hause zu sein, wie er auf dem Song "Reach Out" mit Mary J. Blige erzählt:
"When you're too hood to be in them Hollywood-circles
and you're too rich to be in that hood that birthed you."
Mary J. Blige, Amy Winehouse, Large Professor
"Life is good" ist eine sehr persönliche Platte, geprägt von nostalgischen Gefühlen und der Verarbeitung privater Angelegenheiten. "Bye Baby" ist ein offener Brief an Kelis, in dem er die Trennung verarbeitet und analysiert.
"Daughters" ist eine Hommage an alle Väter von Töchtern. Nas rappt über seine Ängste, Probleme, Erfahrungen und mögliche Fehler, die er bei der Erziehung seiner Tochter gemacht hat.
Die Gäste auf dem neuen Album sind sorgfältig ausgewählt: "Cherry Wine" ist ein Liebeslied, das Nas mit Amy Winehouse vor ihrem Tod aufgenommen hat.
Auf "Loco-Motive" hört man seinen früheren Mentor Large Professor. Der Beat klingt staubtrocken und ist eine Reminiszenz an die Soundästhetik von "Illmatic".
Mit dem angesagten US-Rap-Schwergewicht Rick Ross singt Nas über "Accident Murderers". Ein Song, der die sinnlose Gewalt in sozial-benachteiligten Vierteln amerikanischer Städte kommentiert und der die Täter als Opfer beschreibt.
Für mich ist "Life is good" als eines der besten Alben von Nas. Beim ersten Mal durchhören konnte ich mich nicht gleich mit allen Tracks anfreunden. Das hat sich nach mehreren Hördurchgängen großteils geändert. Für einen Großteil der Instrumentals waren die Produzenten No I.D. aus Chicago und Salaam Remi verantwortlich.
Eines der größten Qualitätsmerkmale von Nas ist, dass man beim Hören seiner Texte immer wieder neue Botschaften, Wortspiele und Metaphern entdeckt. Der smarte Rapper aus Queens ist verdient einer der meist geschätzten Lyricists der Hip Hop-Welt. Abschließend noch der Link zu einem Song, der erst vor wenigen Tagen das Licht der Welt erblickt hat (und der nicht auf "Life is good" drauf ist). Nas hat gemeinsam mit Scarface von den Geto Boys und DJ Premier einen Gast-Auftritt auf dem mit Spannung erwarteten Album von DJ Khaled. In "Hip Hop" spricht er über seine Beziehung zu "ihr", damit ist Hip Hop gemeint. Der Rapper aus Queensbridge ist momentan in Höchstform. Glaubt man Gerüchten, könnte bald ein gemeinsames Album mit DJ Premier realisiert werden. Das könnte dann der lang erwartete Nachfolger von "Illmatic" werden.