Erstellt am: 9. 8. 2012 - 15:05 Uhr
We are all Pussy Riots
Soldarität mit Pussy Riot
Von Peaches bis Madonna, von Ladyfest London bis Franz Ferdinand.
Interview mit Susanne Scholl über die Oppositionsbewegung in Russland und wie Putin gegen sie vorgeht
Yoko Ono hat einen Brief an Putin geschrieben. Madonna, Jarvis Cocker, Patty Smith, die Beasty Boys, Sting, Franz Ferdinand und die Red Hot Chilly Peppers fordern ihre Freiheit - die Pussy Riots haben seit ihrer Verhaftung sehr viel Öffentlichkeit erreicht. Und nun schrieb auch Peaches einen Song für sie und lud zum Solidaritäts-Video-Dreh nach Berlin ein. Treffpunkt war um 17 Uhr ein Café nahe des Mauerparks am Prenzlauer Berg. Viele UnterstützerInnen hatten wohl damit gerechnet, dass es - wie üblich bei Demos - später losgehen würde oder blieben in der Berliner Rush Hour stecken, denn zur vereinbarten Zeit waren fast mehr Fotografen als Aktivistinnen vor Ort.
Christiane Rösinger
Christiane Rösinger
Aber schließlich wuchs die bunt kostümierte Menge an, wurde mit bunten Gesichtsmasken, wie sie auch die Pussy Riots tragen, versorgt, und dann lief man die Straße entlang, rannte, sprang, hielt inne und tanzte auf Anweisung. Der Höhepunkt war dann aber eigentlich der große Medienauflauf und ein endloses Fotoshooting und Meet & Greet mit Peaches auf dem grünen Hügel des Mauerparks.
Christiane Rösinger
Und es gab ja auch tolle Motive: eine bunte, lustige, ausgelassene Menge, alle Farben, alle Geschlechter waren versammelt. Abenteuerliche Kostüme, Neon-Outfits, Discofummel, Prinzessinnenkleider, Nacktheit kombiniert mit den bunten Hasskappen - der Aufforderung bunte, auffällige Kleidung zu tragen, waren alle gerne gefolgt. Auf der Facebookseite war ja der Sinn der Verkleidung erklärt worden: "We are all Pussy riots".
Aber das sind wir natürlich nicht. Wir können auf unangemeldeten Demonstrationen und Happenings auf der Straße herumhopsen und müssen nicht mit Verhaftungen rechnen, sondern höchstens mit den bräsigen Typen vom Ordnungsamt verhandeln. Trotz aller gefühlten Solidarität mit den Pussy Riots und aller Hochschätzung von Peaches kam der Gedanke auf: Was bringt es?
Christiane Rösinger
Das wird sich weisen, wenn das Video am Montag online ist. Es wird hoffentlich viele Male angeklickt, und weitere Öffentlichkeit schaffen. Die Band braucht die internationale Solidarität und es liegt wohl auch an den weltweiten Protesten, dass Putin sich dafür ausgesprochen hat, bei dem Urteil "Milde" walten zu lassen, also nicht die Höchststrafe von 7 Jahren zu verhängen.
Trotzdem bleibt ein seltsames Gefühl: Die verrückten "beautiful people" of Berlin feiern sich ein bisschen selbst und das gute Gefühl, das Richtige zu tun, wird in farbenprächtigen Bildern dokumentiert. Andererseits: Was ist falsch daran sich zu feiern, und hätte nichts zu tun nicht noch weniger Auswirkungen - nämlich gar keine? Und ja, es gibt in Russland und auch woanders auf der Welt viel mehr subversive Künstler, die verfolgt werden, es gibt kritische Journalisten, die ermordet werden, die weniger Aufmerksamkeit bekommen, als die Pussy Riots.
Christiane Rösinger
Aber wer Musiker oder Musikerin oder popaffin und -interessiert ist, sich als Feministin oder Popfeministin sieht, kann auch sagen: Die Pussy Riots sind unsere Szene, unser Genre, deshalb müssen wir sie auch unterstützen.
Am Mittwochabend, nach dem Videodreh, sah man dann in den Nachrichten die Bilder von der Gerichtsverhandlung, die Pussy Riots in einem Käfig hinter der Glasscheibe, und die Diskrepanz zwischen der Situation in Russland und dem heiteren Schaulaufen und Medienereignis am Nachmittag wurde deutlich.
Und trotzdem: Der politische Prozess gegen die Pussy Riots hat der Riot-Grrl-Bewegung neuen Aufschwung gegeben und die Frauen in Moskau zeigen uns, wie politisch und mutig Riot-Grrlism und Feminismus sein kann.