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Todor Ovtcharov

Der Low-Life Experte

8. 8. 2012 - 11:44

Ich als Sportler

Gestern habe ich zum ersten Mal die olympischen Spiele in London geschaut.

Ich war nie gut im Sport. Sportliche Betätigung hasse ich schon seit der Grundschule. Damals hatte ich einen Sportlehrer, den wir immer militärisch grüßen mussten. Der Lehrer, den meine Mitschüler liebevoll „die Ziege“ nannten, vertrat die Ansicht, dass es nichts Gesünderes für die Schüler gebe, als bei Minustemperaturen in kurzen Hosen über den Hof zu rennen. Währenddessen saß er in einer dicken Jacke da und trieb uns in den Wahnsinn und mich in die Pneumonia. Seitdem vertraue ich sportlichen Menschen nicht wirklich.

Dimitrij Ovtcharov

EPA / JONATHAN BRADY

Da ich keinen Fernseher besitze, ist es mir unmöglich, das wichtigste Sportereignis der Welt zu verfolgen.

Im Gymnasium waren die populärsten Schüler die, die gut Fußball spielen konnten. Ich und meine Freunde gründeten deshalb auch ein Team fürs schulische Fußballturnier. Das erwies sich aber als eine schlechte Idee. Wir waren das mieseste Team in der Geschichte dieses Fußballturniers, dafür aber hatten wir jede Menge Spaß gegen niedrigere Klassen zu verlieren. Mein Opa war mal Fußballer. Ich habe ihn nie Fußball spielen gesehen, aber ich habe öfters Geschichten gehört, wie torgefährlich er war. Als ich Fußball gespielt habe, war mein Opa schon alt und krank und konnte mir zum Glück nicht zuschauen. Sonst hätte ich unsere Familie in Schande gebracht.

Ich habe auch mit Extremsportarten nichts am Hut. Mittlerweile habe ich Angst, dass mich irgendwelche Mädchen fragen, ob ich Snowboard fahre. Wenn ich ihnen erzähle, dass ich nie Snowboard gefahren bin und dass ich überhaupt nie in meinem Leben auf Winterurlaub war, falle ich in der Coolnessskala gleich mehrere Stufen nach unten.

Ich bin auch im Schwimmen sehr schlecht. Als ich mal zum Schwimmunterricht ging, brachte ich meine Lehrerin, eine Ex-Leistungsschwimmerin aus der DDR, fast zur Weißglut. Ich konnte mich nicht über das Wasser halten und sie fragte uns verzweifelt: „Bist du dumm oder ich?“ Wenn ich heute etwas zuhause kaputtmache, erinnern mich meine Verwandten daran. Und haben großen Spaß dabei. Was so lustig daran ist, weiß ich nicht wirklich.

Kurz gesagt: Ich war mein Leben lang wie die österreichischen Olympiateilnehmer. Ich will so gerne medaillenreif sein, aber es klappt nicht. Deshalb habe ich Mitleid mit ihnen. Aber bei Olympia ist doch die Teilnahme und nicht die Medaillen am wichtigsten, oder?

Neulich ist aber auch meine Stunde gekommen. Seitdem einer namens Dimitrij Ovtcharov eine Medaille im Tischtennis für Deutschland gewonnen hat, haben mich einige angerufen und gefragt, ob ich nicht zufällig mit ihm verwandt bin. Und ich habe mich plötzlich so stolz gefühlt. Jetzt, dachte ich, werden mich die Mädchen mögen, meine ehemaligen Mitschüler werden mich respektieren und sogar mein Opa winkt stolz vom Himmel herunter. Ja, sagte ich, ich bin mit Dimitri Ovtcharov verwandt. Und das ist auch nicht gelogen. Mein Bruder heißt so. Er ist aber ein Bildhauer und kein Sportler. Es ist komisch, dass mir so ein Zufall solche Freude gebracht hat - als hätte ich eine Medaille gewonnen.