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Alex Wagner

Zwischen Pflicht und Kür

12. 8. 2012 - 15:15

Ins Netz einischaun...

Die Journalistin und Bloggerin Brigitte Theißl schreibt über Frauenpolitik und wie sich Österreich verändern muss. Dafür wird sie immer wieder per Email bedroht.

Sommergespräche? Können wir auch! Wir diskutieren mit jungen, politisch engagierten Menschen abseits des politischen Mainstreams oder etablierten Parteien. "Ins Netz einischaun..." heißt diese Reihe, in der JournalistInnen, BloggerInnen, AktivistInnen zu Wort kommen und wir mit ihnen - und euch - über das sprechen, was sie beschäftigt, über die Motive für ihr Engagement, die Ideen dahinter.

Thema: Feminismus und Gender Studies

Profil

Brigitte Theißl von Denkwerkstattblog.net

FM4 / Alex Wagner

Nach den Themenkomplexen "Junge Wirtschaftspolitik und Neoliberalismus" und "Nachwuchs-Journalismus und Prekariat", ist Brigitte Theißl unser nächster Gast bei "Ins Netz einischaun..." - oder soll ich lieber Gästin sagen? Wir sprechen mit ihr über Feminismus im Alltag, tradierte Geschlechterrollen und die Einkommensschere zwischen Mann und Frau.

Brigitte Theißl hat Journalismus und Unternehmenskommunikation und Gender Studies studiert. Derzeit arbeitet sie an ihrer Dissertation am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaften in Wien - darin geht´s vereinfacht gesagt um Heteronormativität und Jugendkultur. Theißl arbeitet im PR- und Öffentlichkeitsbereich. Außerdem unterrichtet sie an der Uni Klagenfurt. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Feministische Medienwissenschaft und die kritische Männlichkeitsforschung.

Doch die wissenschaftliche Arbeit ist der 29-Jährigen nicht genug. Als Journalistin und Bloggerin setzt sie sich leidenschaftlich mit dem Thema Frauenpolitik auseinander. Ihre Artikel erscheinen unter anderem im feministischen Magazin an.schläge. Ihren Denkwerkstattblog hat sie im Dezember 2009 ins Leben gerufen und auf Twitter ist sie natürlich auch.

Die pinke EU-Werbekampagne, die Mädels für die MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) begeistern machen soll und kurz nach der Veröffentlichung wieder zurückgezogen wurde, war natürlich auch Thema in ihrem Blog.

Aufgewachsen ist Brigitte Theißl in der Südweststeiermark in einem - wie sie sagt - stark sexistischen Umfeld und spricht dabei das Verhalten ihrer LehrerInnen in der Schule an. Schon immer hat sie sich für Feminismus interessiert, seit der Matura bezeichnet sie sich als Feministin. Dabei ist es nicht immer einfach, sich öffentlich zu outen. Viele Personen und Institutionen in Österreich sehen im Feminismus etwas negatives.

Ins Netz einischaun
Statusmeldungen zu Österreich. Bisher waren folgende NetzaktivistInnen zu Gast:

Das bekommt Brigitte Theißl auch im Netz zu spüren. Obwohl das Internet Freiräume für feministische Theorien und Konzepte bietet, wird sie immer wieder mit Anfeindungen und sogar Mord-Drohungen konfrontiert. Vor zwei Monaten erhielt sie eine Email mit der exakten Beschreibung, wie eine Frau zu Tode gequält wird. Mit der Zeit, sagt sie, hat sie sich an die Hass-Mails gewöhnt. Im Austausch mit anderen feministischen BloggerInnen ist sie abgebrühter geworden. Über die Motive der AbsenderInnen weiß Brigitte Theißl nichts. Vielleicht sind diese Anfeindungen auch ein Grund, warum so wenige österreichische FeministInnen im Netz aktiv sind.

Statusmeldungen zu Österreich

Brigitte Theißl ist am Montag, den 13. August, von 16 bis 17 Uhr zu Gast bei "Ins Netz einischaun...". Und Claudia Unterweger wartet mit Fragen im Connected-Studio.

Doch vorab: Was hält Brigitte Theißl von...

  • der Frauenquote?

"Ich bin auf alle Fälle dafür, eine verpflichtende Frauenquote einzuführen und sie europaweit zu verankern. Allderdings ist die Frauenquote kein Allheilmittel, sie betrifft nur eine kleine Gruppe. Frauen mit Anspruch auf Führungspositionen haben schon viele Hürden überwunden, viele Frauen haben diese Chance nicht."

  • der Binnen-I Schreibweise?

"Ich persönlich benutze den Unterstrich, den sogenannten gender gap (z.B. Student_innen), finde das Binnen-I aber auch okay. Gendergerechte Sprache ist deshalb so wichtig, weil sich unser Bezug zur Gesellschaft über die Sprache vermittelt. Geschlechtersensible Sprache verändert, wie wir über Dinge denken und sie wahrnehmen. Das Gegenargument, Texte würden mit gendergerechter Sprache schwerer zu lesen, halte ich für eine Ausrede. In Wirklichkeit werden die Texte besser verständlich, weil Personen eindeutiger zugeordnet werden. Und man darf nicht vergessen, dass sich Sprache weiterentwickelt."

  • dem ORF?

"Ich verfolge die Initiative der freien MitarbeiterInnen intensiv und hoffe, dass sich etwas an den Arbeitsbedingungen und der Entlohnung für Freie verändert. Das dürfte eigentlich in einem öffentlich-rechtlichen Rundfunkunternehmen nicht so passieren. Im Fernsehen würde ich mir mehr Beiträge zu feministischen Themen und geschlechtssensibler Politik wünschen."

  • Pink als Mädchenfarbe?

<lacht> "Pink ist eine sehr schöne Farbe. Wenn aber nur noch rosa Spielzeug und rosa Kleidung für Mädchen produziert wird, sehe ich das sehr problematisch. Es gibt keinen Grund, warum das gendern schon so früh beginnen muss und unterschieden wird, was für Mädchen und was für Buben ist. Und rosa war ja auch einmal eine Buben-Farbe."

  • einem verpflichtendem Gender-Studies-Fach in allen Studienrichtungen?

"Das wäre gut und wichtig. Verpflichtende Gender-Studies-Seminare gibt es bereits in vielen Studienrichtungen. Eigentlich sollte das automatisch in alle Studienrichtungen einfließen. Es ist problematisch, wenn man das Fach in die Ecke drängt und Gender Studies im Mainstream nicht vorkommt."

Ins Netz einischaun zum Nachhören

Eine Stunde war Bigitte Theißl zu Gast und hat mit uns über die Frauenquote, Feminismus in der Wissenshaft und Geschlechterrollen diskutiert. Aber hört selber:

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Folgende Fragen per Email und in den Kommentaren hatten leider keinen Platz mehr in der Live-Sendung und wurden von Brigitte Theißl nach der Sendung beantwortet:

  • Mario fragt: @Brigitte Theißl: Was verstehst du unter "männerrechtliche Rhetorik" und was stört dich an deren Vorhandensein in den Medien?

Hier geht es um Ausdrücke wie "das ewige Opfer Frau", oder "Frauen würden in einem Opferstatus verharren wollen". Oder wie Walter Hollstein in einem Standard-Kommentar geschrieben hat, Kinder von Alleinerzieherinnen würden häufiger psychisch krank oder gewalttätig sein. Oder auch, wenn Gewaltverhältnisse negiert werden, dass zum Beispiel Frauen von häuslicher Gewalt nicht so stark betroffen wären, wie das Statistiken berichten. Dies ist keine Diskussion auf sachlicher Ebene, sondern ein feindseliger Ton, wo es um Angriffe auf elementare Bereiche geht, wie Gewaltschutz oder die Möglichkeit der Scheidung einer Ehe.

  • Phips fragt: Wenn Frauen gleichberechtigt und gleich behandelt werden sollen, warum soll dann wieder nach Geschlechtern getrennter Unterricht stattfinden? Das wäre doch wieder sexistisch, oder?

Manchmal kann getrennter Unterricht sinnvoll sein, um in gewissen Bereichen Mädchen oder Buben gezielt zu fördern. Die muss in geschützten Räumen stattfinden. Das hat für mich nichts mit Sexismus zu tun.

  • Andreas fragt: Während meines derzeitigen Auslandsaufenthalts in Kanada habe ich bemerkt, dass das Thema gendersensible Sprache hier in einem englischsprachigen Land weniger präsent ist als im deutschsprachigen Österreich. Wie wird dieses Thema in unterschiedlichen Ländern bzw. Sprachen gehandhabt, sind unsere gendersensible Schreibweisen spezifisch für Deutsch oder gibt es ähnliche Schreibweisen in anderen Sprachen?

Hier gibt es starke kulturelle Unterschiede auf Grund der Grammatik und der Sprache. Im Englischen existiert der Genus in der Sprache nicht. In romanischen Sprachen schaut es auch ganz anders aus. Es gibt auch im Englischen verschiedene Strategien, zum Beispiel, dass Begriffe, die man oder woman beinhalten, mit person ersetzt werden.

  • Feid fragt: Soll es auch für Berufe wie Müllabfuhr oder Bauarbeiter eine Frauenquote geben?

Die Frauenquoten-Diskussion wie sie derzeit auf EU-Ebene angeregt wird bezieht sich auf 40 % Frauen in Aufsichtsräten in börsennotierten Unternehmen. Insofern wäre die Müllabfuhr davon nicht betroffen. Bei der Quote sollen durchaus Frauen und Männer angeregt werden, Berufe zu ergreifen, in denen Frauen oder Männer unterrepräsentiert sind, aber es geht hier nicht um eine gesetzliche Verpflichtung.