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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

7. 8. 2012 - 15:24

Fußball-Journal '12-26.

Marcel Koller wird langsam zum Österreicher. Das ist nicht gut. Sein Anspruchs-Niveau der Liga gegenüber wird strenger. Das ist gut.

Auch in der neuen Saison begleitet das Fußball-Journal '12 (wie schon in den Vorjahren, zb Fußball-Journal '11) die heimische Bundesliga, den Cup, Nationalteam und ÖFB, den Nachwuchs, das europäische Geschäft und das mediale Umfeld.

Heute mit dem schon traditionellen Bericht von der Kader-Bekanntgabe-Pressekonferenz des ÖFB mit Marcel Koller.

Der Kader für den Test gegen die Türkei am 15. August, 20:30 Uhr im Wiener Happel-Stadion:

Tor: Robert Almer (Düssel-dorf/D), Christian Gratzei (Sturm), Heinz Lindner (Austria). Auf Abruf: Lukas Königshofer (Rapid).

Abwehr: György Garics (Bologna/IT), Florian Klein (Salzburg), Aleksandar Dragovic (Basel/SUI), Emanuel Pogatetz (Wolfs-burg/D), Sebastian Prödl (Werder/D), Paul Scharner (HSV/D), Christian Fuchs (Schalke/D), Markus Suttner (Austria). Auf Abruf: Franz Schiemer, Martin Hinteregger, Andreas Ulmer (Salzburg), Manuel Ortlechner (Austria).

Mittelfeld: Yasin Pehlivan (Gaziantepspor/TUR), Veli Kavlak (Besiktas/TUR), Julian Baumgartlinger, Andreas Ivanschitz (Mainz/D), Christoph Leitgeb, Jakob Jantscher (RB Salzburg), Guido Burgstaller (Rapid), Zlatko Junuzovic, Marko Arnautovic (Werder/D), Marcel Sabitzer (Admira). Auf Abruf: Stefan Kulovits, Christopher Trimmel, Christopher Drazan (Rapid).

Angriff: Martin Harnik (Stuttgart/D), Marc Janko (Porto/POR), Patrick Bürger (Mattersburg). Auf Abruf: Erwin Hoffer (Eintr. Frankfurt/D), Philipp Hosiner (Admira), Rubin Okotie (Sturm).

Martin Hinteregger und Christopher Drazan sind auch für die U21 nominiert.

Verletzt: David Alaba (Bayern/D), Christopher Dibon (Salzburg), Jürgen Säumel (Sturm).

Nicht berücksichtigt: Ramazan Özcan, Ümit Korkmaz (Ingolstadt/D), Ekrem Dag (Gaziantep-Spor/TUR), Tanju Kayhan (Besiktas/TUR), Atdhe Nuhiu (Eskisehir-Spor/TUR), Markus Berger (Odessa/UKR), Daniel Royer (Köln/D), Daniel Beichler (Hertha/D), Michael Gspurning (Seatlle/US), Georg Margreitter, Florian Mader, Tomas Simkovic, Roman Kienast (Austria), Michael Madl, Manuel Weber, Darko Bodul (Sturm), Stefan Maierhofer (Salzburg), Thomas Reifeltshammer, Anel Hadzic, Rene Gartler (Ried)

Rücktritt: Martin Stranzl (Gladbach/D).

Aktuell ohne Verein: Paul Scharner, Jürgen Macho, Alex Manninger, Andreas Ibertsberger, Johnny Ertl, Thomas Piermayr, Helge Payer uam.

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Für das U21-Testspiel in Norwegen am Dienstag den 14. 8. hat Wernert Gregoritsch folgenden Kader einberufen:

Tor: Samuel Radlinger (Hannover/D), Jörg Siebenhandl (Neustadt). Auf Abruf: Thomas Dau (Rapid), Christoph Riegler (St. Pölten).

Abwehr: Patrick Farkas (Mattersburg), Emir Dilaver, Remo Mally (Austria), Kevin Wimmer (Köln/D), Richard Windbichler (Admira), Martin Hinteregger (Salzburg), Christian Klem (Sturm). Auf Abruf: Michael Schimpelsberger (Rapid), Michael Sollbauer (WAC).

Mittelfeld: Tobias Kainz (Heerenveen/NED), Raphael Holzhauser (Stuttgart/D), Manuel Prietl (Mattersburg), Christopher Drazan (Rapid), Stefan Hierländer (Salzburg), Daniel Schütz, Christopher Wernitznig (Innsbruck), Stefan Schwab (Admira). Auf Abruf: Momo Ildiz (Rapid), Marcel Ziegl, Marco Meilinger (Ried), Marcel Ritzmaier (PSV/NED), Lukas Grozurek (Rapid).

Angriff: Deni Alar (Rapid), Michael Gregoritsch (Hoffenheim/D), Andreas Weimann (Aston Villa/ENG). Auf Abruf: Dario Tadic (Austria).

U21 spielberechtigt wären die ins A-Team berufenen David Alaba, Aleksander Dragovic, Heinz Lindner und Marcel Sabitzer. Verletzt sind Christopher Dibon (Salzburg), Florian Kainz (Sturm), Gernot Trauner (Ried).

Es fehlen: Daniel Royer (Köln/D), Georg Teigl (Salzburg), Manuel Sutter (St. Gallen/SUI), Kevin Stöger (Stuttgart/D), Marco Djuricin (Hertha/D), Christoph Knasmüllner (Ingolstadt/D), Dejan Stojanovic (Bologna/ IT), Lukas Spendlhofer (Inter/IT), Philipp Prosenik (Milan/IT), Marcel Büchel (Siena/IT),Robert Gucher (Frosinone/IT), Alexander Aschauer (Burghausen/D), Florian Hart (SönderjyskE/ DEN), Dieter Elsneg (KSV), Lukas Rotpuller (Austria), Radovan Mitrovic (Utrecht/ NED), Matthias Maak, Daniel Offenbacher (Neustadt), Richard Strebinger (Werder/D), Lukas Rath (Mattersburg), Robert Zulj (Ried) uvam.

Das meiste von dem, was Marcel Koller in seinem selbstsicheren und informativ aufbereiteten Solo-Vortrag, der die Öffentlichkeit auf den bevorstehenden letzten Test für die anstehende WM-Qualifikation briefen soll, von sich gibt, sind exzellente Beobachtungen, gut gesetzte Einschätzungen und ausgewogen sortierte Feststellungen - mehr, als man bis vor kurzem bei solcher Gelegenheit bekommen hat.

Und man beginnt sich an diesen rationalen Austausch zu gewöhnen: die neuen deutschen Liga-Trainer ziehen da ebenso mit wie die meisten heimischen Coaches. Es herrscht ein durchaus entspanntes Klima der Anti-Aufgeregtheit, und ein Diskurs zum Thema Analyse (und zwar eine, die ihren Namen auch verdient) schwappt über Fußball-Österreich.

Alles in Ordnung also.

Wären da nicht ein paar dieser Anzeichen bei der Koller-Performance, die mich stutzen lassen. Er, der Schweizer Vorreiter der neuen Sachlichkeit, er der immer noch RApid und IvANschitz sagt, so wenig hat er sich sprachlich akklimatisiert, wird in anderen Bereichen (fast unmerklich) zum echten Österreicher.

Und das ist, frei nach Kraus und Qualtinger, eine gefährliche Drohung.

Marcel Koller hat für den letzten Probelauf, für seinen erst vierten Lehrgang (und wieder nur einen kurzen, bis auf Innsbruck Mai/Juni gab es ja nie wirklich Zeit) nichts geändert, er bleibt bei seinem Stamm.

Die Akteure, die in der neu gestarteten Meisterschaft gute Leistungen bringen (und ein paar Auffällige wären da schon darunter) bleiben ohne Chance; solche, die aufgrund neuer Gegebenheiten abgestürzt sind, bleiben hingegen drin. Die Nationalmannschaft als geschlossene Unit zu präsentieren und auf den Input dieser Saison-Formkurven zu verzichten, ist nicht nur angesichts des allerorten propagierten Leistungsgedankens nicht allzu schlau.

Koller schottet ab: das Team als geschlossene Gesellschaft

Selbst wenn diese Abschottung ein wichtiger Punkt in Kollers Philosophie sein sollte - um die Nationalmannschaft als das, was sie ist (die Zusammenballung der besten, der richtigen und der in der besten und richtigen Form befindlichen Spieler), zu manifestieren, bleibt einem in der Öffentlichkeit stehenden Manager gar nichts anderes übrig als Durchlässigkeit, Offenheit und Flexibilität zu demonstrieren.

Der sonst so gespürige Koller hat das für nicht notwendig gehalten. Und diese Entscheidung war nicht die einzige unsensible.
Im Gegenteil.

Koller ist in einigen Fällen ins klassische Fahrwasser seines Vorgängers gekommen, der irgendwann, als man ihn auf die irrwitzige Ungereimtheit seiner Entscheidungen und Erklärungen angesprochen hat, in einem Flucht-nach-vorne-Anfall die Ungerechtigkeit zu seinem Prinzip erklärt hat.

So kann Koller etwa Franz Schiemer seine Hochzeit nicht verzeihen, Guido Burgstaller seine Schlägerei aber sehr wohl. Wenn Maierhofer auf der Bank sitzt, ist er draußen, wenn Klein die Tribüne schmückt, bleibt er. Almer bekommt als (noch dazu angeschlagene) Nummer 2 eine Berufung, Özcan als vom Kicker dekorierte Nummer 1 nicht. Undsoweiter.

Am seltsamsten wird diese Verösterreicherung von Marcel Koller, wenn es um die türkischen Legionäre geht - was ja angesichts des Testpiels gegen die Türkei von besonderer Bedeutung ist. Wenn Koller auf die Frage nach Ekrem Dag mit einem für seine noblen Verhältnisse fast schon verächtlichem Grunzer dessen Verzichtbarkeit herausstreicht, anstatt wie in allen anderen Personal-Nachfrage-Fällen den Diplomaten zu geben, dann ist das nachhakenswert. Ein Nationaltrainer mit einem ausgewiesenen Rechtsverteidiger-Problem (hinter Garics ist da keiner) kann sich sowas nämlich nicht leisten.

Koller sind Rechtsverteidiger & Austro-Türken wenig wichtig

Überhaupt: ein Coach, der seinen potentiellen Legionären etwas Gutes tun will, nominiert sie, wenn man gegen das Land ihrer Eltern spielt, und sei es nur auf Abruf. Einfach um sie in die Auslage zu stellen. Koller hat Kavlak und Pehlivan dabei, auf Dag und Özcan (wohl weil Tormanntrainer Otto Konrad ihn als vorbei einschätzt) glaubt man verzichten zu können, und auch Korkmaz oder Tanju Kayhan waren keine Abruf-Nennung wert.

Nehmen wir an, Kayhan - auch ein Außenverteidiger, noch dazu einer für rechts UND links - kommt bei Besiktas in einen Lauf und erregt öffentliches Interesse: so schnell wird der ÖFB dann gar nicht schauen können, um sich einen zweiten Fall Bahadir einzutreten.

Klar, Koller ist kein Constantini, dessen Freundesdienste für Manager oder Spieler schon ein gefährliches Maß erreichten. Als der damalige Austria-Bankerlsitzer Robert Almer die Chance auf einen Deutschland-Transfer hatte, berief ihn Constantini (ohne jeden sportlichen Grund) und brachte ihm so mit der dann in den Medien verwendbaren Formulierung (aktuell dritter Torwart der österreichischen Nationalmannschaft) den entscheidenden Boost. Solche Tricksereien verlangt keiner - im Gegenteil. Etwas Sorgfalt im Umgang mit potentiellen Kandidaten für ohnehin dauervirulente Positionen (da fiele mir dann auch noch Jonathan Schmid ein) ist aber durchaus einforderbar.

Dem Marcel Koller von vor einem halben Jahr wäre sowas nicht passiert.

Koller steigt nicht runter von seinem Anspruchsdenken...

Zu den Positiva:
Die Abstimmung mit Problemboys wie Arnautovic oder Paul Scharner (der eben seinen HSV-Deal unter Dach und Fach brachte) passt - der hielt sich auch mit Hilfe von Roger Spry fit; der Kontakt mit Alabas und Jankos medizinischen Betreuern scheint zu stimmen.
Das System (4-2-3-1) steht felsenfest. Die Philosophie dahinter ebenso; wer darin welche Rolle wie ausfüllt, das scheint flexibler als zuletzt ausgelebt. Harnik oder Arnautovic als potentielle Stürmer, Junuzovic doch eher im Zentrum - da wird einiges probiert werden.

Auch dass Koller den Anspruch, mehr als das übliche Liga-Niveau bekommen zu wollen, nicht runterschraubt: prima. Dem Teamchef ist die klare Steigerung (vermehrte Offensive, bessere taktische Ausrichtungen etc) im Vergleich zur Vorsaison nicht entgangen, trotzdem fordert er deutlich höheres Tempo, erhöhte Konzentration, was das technische Level betrifft, und eine bessere Pass- und Ballkontroll-Qualität sowie gezieltere Präsenz im Strafraum ein. Das ist ein schöner Gegensatz zum Vorgänger, der sich da immer mit winseligem Jammern und Seufzen begnügt hatte (und nie auf die Idee gekommen wäre, seinen Trainerkollegen in der Liga da den Marsch zu blasen).

... Koller will mehr (Tempo, technische Klasse, Pass-Qualität)

Seinen Testgegner hat er sich sechs Mal angesehen (der Vorgänger hatte auf derlei Kokolores gern ganz verzichtet), er lobt seine hohe Aggressivität, das frühe Pressing schreibt er dem neuen Coach Abdullah Avci zu; die gute Technik und den Willen Fußball zu spielen der türkischen Fußball-Kultur.

Österreichs Journalisten waren über die Wahl des Teamhotels verblüfft: das Hotel Steigenberger liegt nicht in der burgenländischen Pampa, sondern in der Wiener Herrengasse, mitten in Dagmar-Koller-Land. Marcel Koller nimmt die Ablenkungsgefahr in Kauf, um keinen Lager-Koller zu riskieren. Österreichs Journalisten sind auch beleidigt, weil sie von den Trainings ausgesperrt werden - Koller will aber etwas probieren und keine potentiellen Spione zulassen, nachvollziehbar.

Am besten hat mir der exzellent gewählte Vergleich mit dem Admira-Match gegen Sparta Prag gefallen: das Admira-Spiel hätte ihn an die Nationalmannschaft erinnert - ein Außenseiter, der über schnelles Umschaltspiel innerhalb von wenigen Sekunden zu seinen Chancen kommt, und die dann nützen muss, um nicht der höheren Klasse des Gegners Tribut zollen zu müssen. Koller erwähnt extra auch die Gefahr nach 70 Minuten wegen nachlassender Kraft aufgeben zu müssen (wie es der Admira passiert ist) und dockt damit an sein gehobenes Anspruchsdenken an. Sein Kader umfasst aktuell 15 Legionäre, 7 Liga-Spieler, die nicht (mehr) international dabei sind, und nur 2 Akteure mit aktueller europäischer Belastung.
Von Ried ist keiner dabei. Dabei wäre das eine Überlegung gewesen, man habe sich überlegt hier einen Rieder quasi strategisch zu berufen, verplaudert sich Koller dann.

...

Schau, wie gar österreichisch er wirklich schon geworden ist in doch recht kurzer Zeit. Denkt sich eh durch, was in den Medien gut ankommen könnte, hat eh symbolische Handlungen, die ihn als guten Kerl dastehen lassen könnten, in der taktischen Hinterhand. Nur um dann in den wichtigeren Bereichen (den ÖFB-Team-Problemzonen an den Außenseiten, der geschlossenen Team-Gesellschaft, den türkischen Beziehungen...), die ihm als Person nicht soviel bringen, genau keinerlei Zeichen zu setzen. In dieser Hinsicht ist der Unterschied zu den Vorgängern mit freiem Auge nur noch schwer auszumachen.