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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

3. 8. 2012 - 14:52

Fußball-Journal '12-25.

Zwei Thesen zu den österreichischen Europacup-Auftritten im Allgemeinen und der Admira im Speziellen.

Auch in der neuen Saison begleitet das Fußball-Journal '12 (wie schon in den Vorjahren, Fußball-Journal '11) die heimische Bundesliga, den Cup, Nationalteam und ÖFB, den Nachwuchs, das europäische Geschäft und das oft Kapriolen schlagende Umfeld.

Heute mit einem Blick auf die österreichische Performance in den europäischen Bewerb, unter besonderer Berücksichtigung von Admira - Sparta Prag.

Siehe dazu auch: Fußball-Journal '12-23. Salzburger Destruktionen.

These 1:
Warum die gestern unterlegene Admira da klar mehr aufgezeigt hat als zuletzt bei ihren Siegen.

These 2:
Warum die brutal schwache Frühjahrs-Saison der Bundesliga jetzt allen auf den Kopf fällt.

These 1: die Admira ist in der Niederlage besser als im Sieg

Vorgeschichte: ich habe länger überlegt ob ich den vorwöchigen 5:1 Sieg in der Euro-League-Quali gegen Žalgiris Vilnius als Beispiel dafür heranziehen sollte, was mir an der siegreichen Admira alles nicht gefallen hat. Ebenso wie das am selben Tag geführte Match von Ried gegen Schachzjor Salihorsk war dieses Spiel für mich Ausdruck mangelnder taktischer Reife, fehlender strategischer Weitsicht. Die Admira gewann nach mauem Hinspiel deshalb (zu) überlegen, weil ihr in diesem Spiel alles aufging, sie (zu) viele Geschenke des Schicksals erlitt.
Ich hab's dann gelassen, wohl auch im Bewusstsein darauf, dass sich all das in der nächsten Runde gegen einen deutlich besseren Gegner rächen würde. Und weil sich anhand dieses dann deutlich relevanteren Vergleichs (denn im europäischen ist Sparta Prag schon eine echte Nummer) und eines Platzbesuches alles viel besser aufzeigen lassen würde.

Nun hat sich die Admira in diesem schwierigeren Spiel aber so deutlich besser gezeigt als in der Vorrunde, dass es mir schwerfällt viel Kritik zu üben. In der Niederlage von gestern Abend waren nämlich zu viele positive Ansätze zu erkennen um jetzt in eine rein resultatsbezogene Nörgelei zu verfallen.

Ein Wort zum Gegner, zur von einer sehr lauten aber höflichen und gut organisierten Fanschar begleiteten AC Sparta Praha: von denen war zwar keiner im Euro-Kader, trotzdem sind sie vor allem in der Offensive erstklassig besetzt. Die linke Seite mit dem Kroaten Pamic und Ladislav Krejci hat enorme Wucht und auch der rechte Außenspieler Pavel Kaderabek gilt als kommender Star. Ebenso ein 92er-Jahrgang und up&coming: Stürmer Vaclac Kadlec, der in der Schlussphase den wuchtigen Leony Kweuke vornedrin unterstützte.

Wie das schnelle Umschalten die Admira aufs nächste Level bringt

Admira Wacker befindet sich jetzt im zweiten Bundesliga-Jahr und spielt im dritten Jahr der Ära Kühbauer ihre Spezialität - das schnelle Umschalten nach Ballgewinn - bereits mit großer Selbstverständlichkeit aus. Was im Vorjahr noch ein wenig ruckelte und eher wie ein Konterspiel im Hoffen auf den Genossen Zufall aussah, hat sich mittlerweile in natürlichen, in Fleisch und Blut übergegangenen Pass- und Laufwegen manifestiert - weshalb man aufs nächste Level gelangt ist: die Admira-Offensive kann im Vertrauen auf diese Basics improvisieren.

Bemerkenswert: bei so gut wie jeder Offensiv-Aktion nach einer Balleroberung im Mittelfeld gehen zumindest fünf (die offensive four und ein zentraler Mittelfeldspieler) manchmal sogar sechs Akteure (ein Außen- oder gar ein Innenverteidiger) mit auf die Konter-Reise. Der dadurch erzeugte Druck ließ gestern die Prager Abwehr einige Male massiv ins Stolpern geraten.
Umgekehrt lässt sich die Mannschaft selber kaum auskontern: einer der zentralen Mittelfeldspieler ist immer als Absicherer hinter dem Ball, der Abwehrverbund steht eng und lässt wenig übers Zentrum zu.

Auch Sparta brauchte einige Zeit um festzustellen, dass der eigentlich geplante Einser-Schmäh (Holek und Husbauer spielen xavimäßige Passes durch die zentrale Abwehr um Keric und Kweuke einzusetzen) nicht klappt. Erst als man über die (bereits erwähnten) Seiten Druck machte, waren die Tschechen mit im Spiel. Dort, auf den Seiten, ist/war die Admira anfällig. Klar, links spielt aktuell (verletzungsbedingt) nur die dritte Wahl, und rechts ist Plassnegger tempotechnisch gern überfordert, da muss Windbichler oft rausstechen.

Wie die Admira ihr Spiel aus der Hüfte/Zentrale bestreitet

Die Stärke der Admira ist ihre Zentrale. Gestern waren dort Bernhard Schachner und Mevoungou zu finden, beide lenkten und leiteten mit extravielen Ballgewinnen und sofortiger Verarbeitung, mit guten Passes in die Spitzen und auf die Flanken (vor allem Sabitzer rechts wurde wiederholt exzellent eingesetzt) das Spiel. Vor allem der Kameruner, von dem bei oberflächlicher Betrachtung nur das unglückliche Eigentor hängenbleibt, war überragend.

Vorne spielt Stefan Schwab (diesmal war Issiaka Ouédraogo, der einzige Bundesliga-Akteur, der heuer zu einer Kontinental-Meisterschaft berufen wurde, sein Partner) eine interessante Fluch-oder-Segen-Rolle. Eigentlich ist Schwab (der im Sommer '11 auch das Interesse einiger italienischer Clubs erweckt hatte, heuer blieb das leider aus) ein Achter, ein Box-to-Box-Spieler - seit ihn Kühbauer zum zweiten Stürmer umfunktioniert hat legt er seine Rolle aber nie als hängende Spitze, sondern als echter Angreifer aus.
Das ist einerseits (Segen) toll, weil er klar mehr Spielverständnis, Antizipation und Spielanteilnahme mitbringt als ein sogenannter gelernter Stürmer. Und so gut in ein neues Stürmer-Modell (Stichwort Fabregas), das uns die nächsten Jahre noch beschäftigen wird, passt. Andererseits (Fluch) gehen Schwab der pure Egoismus und der direkte Zug zum Tor ab.

Das bedeutet: mit ihm klappt es dann wenn er neben einem echten Striker agiert besser. Wenn sich Ouédraogo, wie gestern geschehen, selber viele Bälle von hinten holt, wird das Admira-Spiel zwar spürbar intelligenter, hat aber weniger zentrale Durchschlagskraft. Die Admira-Chancen der ersten Halbzeit entwickelten sich praktisch alle über rechts (Sabitzer), erst die furiose Schlussphase (mit dem neu für Ouédraogo gekommenen Hosiner) brachte umfassende Gefahr für das Tor von Vaclik.

Wie die Admira trotzdem noch mit alten Dämonen kämpfen muss

In der Vorrunde, gegen den biegbaren Gegner aus Litauen, dessen Fan-Zenturie sogar den kaum jemals in Kohortenstärke auftretenden Admira-Ultras unterlegen war, hatte sich Kühbauers Mannschaft lange geweigert an einem ganz normalen Match, bei dem man nicht nur auf Fehler des Gegners lauert, sondern auch selber Aufbauarbeit bestreitet, teilzunehmen. Diese inversive Arroganz war gestern gegen Prag nicht mehr festzustellen - sich zumindest zuzutrauen auch gegen diesen Gegner Augenhöhe herzustellen zu wollen ist meiner Ansicht nach ein wesentlich bedeutsamerer Durchbruch in der mittlerweile dreijährigen Aufbauarbeit der Südtstädter als es ein irgendwie ernudeltes Unentschieden je hätte sein können oder der trügerisch-hohe Sieg gegen die Litauer davor war.

Mit Sabitzer, Schwab, Hosiner, Windbichler, Drescher, Palla, Schick und ein paar anderen verfügt die Admira über einen Stamm an Umdie20jährigen, der die Jezeks eigentlich nicht mehr braucht um kreativen Fußball spielen zu können.

These 2: nun fällt uns das schwache Frühjahr auf den Kopf

Dass die Admira sich Sparta Prag zwar auf Augenhöhe annähert, sie aber im direkten Vergleich (noch) keine reele Chance hat, ist kein Problem. Die Lehrstunde ist wichtig für den nächstjährigen Auftritt.
Wie wichtig das ist, sieht man an der SV Ried. Die kann ihre vorjährigen Sensationsauftritte gegen Bröndby und Eindhoven inhaltlich nicht einmal ansatzweise wiederholen, hat aber das Quentchen internationale Expertise angehäuft, das es ihr ermöglicht den weißrussischen Gegner mit Hängen und Würgen zu eliminieren und in einem mehr als mauen Spiel auch die eigentlich überlegene Mannschaft von Legia Warschau zu besiegen. Bei einem Remis im Auswärtsspiel und einer brauchbaren Leistung im Play-Off könnte ihr UEFA-Koeffizient dann soweit steigen, dass im nächsten Jahr eine Drittrunden-Setzung herausschaut. Und um genau diese kleinen, zähen Fortschritte geht es, international.

Und das ist deshalb verdammt wichtig, weil das beschissen schlechte 2012er-Frühjahr der Bundesliga (die Katastrophen-
Halbsaison, als sich alle Teams mit ihren schlechtestmöglichen Leistungen auf engem Tabellenraum zusammengeschoben haben, vor allem im März/April) zu einem regelrechten GAU im Europacup führen kann.
Weil sich international erfahrene Europacupstarter wie die Austria Wien oder auch Sturm Graz erst gar nicht qualifiziert hatten, müssen sich die mit deutlich niedrigeren Koeffizienten versehenen Underdogs Ried und Admira zu früh mit zu schweren Gegnern herumgfretten.

Es droht ein Drittrunden-Komplettout nach bulgarischem Vorbild

Letztlich ist die nämliche Dreckssaison auch für das Salzburger Out verantwortlich. Sie hat nämlich für die Dauer-Destabilisierung von Ricardo Moniz geführt, weshalb sich Doping-Arzt Pansold ihm gegenüber mehr herausnehmen konnte, als er vertragen wollte, was zur kurzfristigen Vertragsauflösung, was wiederum zur zu lange zuwartenden Neustrukturierung führte, die wiederum Rangnick/Schmidt erst ein paar Wochen zu spät auf das Verständnislevel der Salzburger Champions League-Fehlstart-Serie brachte.

Sollte sich nun auch womöglich Rapid Wien (das einzige Team, das Kontinuität bewahrt hat und Europa gewohnt ist) noch gegen die serbische Nummer 3 schwertun (es reichte ja, wenn sie daheim nicht gewönnen) dann ist schon in der 3. Runde Komplett-Out nach bulgarischem Vorbild möglich.
Das würde wiederum bedeuten, dass sich in der heurigen Meisterschaft (samt Cup) ganz dringend die europatauglisten Fünf durchsetzen müssen um in der nächsten Saison den durch das heurige Schwächeln schon wieder massiv gefährdeten Top 15-Platz einigermaßen abzusichern.

Österreichs Teilnahme an den europäischen Club-Bewerben ist eben ein ewiges Ringen um Anerkennung und kleinteilige Verbesserung. Eine durch Nasenbohrer-Inzucht (Stichworte Vastic, lame-duck-Foda, Red Bull...) verursachte Schwäche der Liga verzeiht der Europacup nicht so schnell.