Erstellt am: 1. 8. 2012 - 17:50 Uhr
Olympia-Journal '12. Eintrag 4.
Das ist ein Eintrag in das jetzt doch tägliche Journal zu den London Olympics das im Gegensatz zum überdichten EM-Journal '12 zur Fußball-Euro so nicht geplant war.
Arthur Einöders formidable Begegnung mit der Olympia-Eröffnungsfeier.
Olympia-Journal, Eintrag 1 über neue Segel-Grafiken, das Verschwinden der Bedeutung des Standorts und die künftigen Unisex-Games.
Olympia-Journal, Eintrag 2 über den wahrscheinlich dümmsten Sportler Österreichs, samt Erklärung warum Markus Rogan Olympiasieger werden wird.
Olympia-Journal, Eintrag 3: über blinde Medaillen-Spiegel, den Rebellen Jukic und meine Ablehnung des Beachvolleyballismus.
1972 machte die internationale Kanu-Föderation den Münchner Spielen ein Gastgeschenk: man durfte einen Bewerb olympisch erstaustragen, der bis dahin als exotische, weil regional sehr begrenzte Spinnerei abgetan wurde: Wildwasser-Paddeln. Genauer gesagt den sogenannten Kanu-Slalom. Im nahen Augsburg stand ein damals weltweit einzigartiges Ding, ein künstlich angelegter Wildwasser-Kanal, ein eigentlich idiotisches Konstrukt, um dem wilden Wasser durch künstlich gesteuerte Wirbel die Unberechenbarkeit zu nehmen.
Norbert Sattler aus Kärnten holte da die Silbermedaille, hinter einen sicher gedopten DDR-Fuzzi, und ganz Österreich verfiel in schiere Verzückung über einen neuen Helden in einer neuen, endlich anerkannten Sportart.
Der Wildwasser-Kanusport wurde sofort nach 1972 wieder aus dem Olypmia-Programm gestrichen; und wieder verfiel Österreich in schiere Verzückung - man konnte sich in Dolchstoß-Legenden ergehen. Einmal wäre man in einer Sommer-Sportart gut gewesen und dann nehmen sie einem das wieder weg, diese ausländischen Falotten.
In flachen Wasser, auf faden Seen und glatten Flüssen, da durfte man rudern und kajakeln und kanadiern und kanufahren bis zum Abwinken. Die todesmutigen Burschen und Mädeln, die sich auf reißenden Gebirgsbächen talwärts warfen wurden hingegen krass benachteiligt.
Das Naturbahnrodeln des Sommers
1992 kam es zu einem Comeback. Aber vor lauter selbstmitleidigen Geseier hatten die österreichischen Wildwasser-Kanuten den Anschluss an die Weltspitze zwischenzeitlich verpasst - erst in den letzten paar Jahren ging da wieder was, mit deutscher Starthilfe; aktuell sind es die Oblingers und Frau Kuhnle, die weltweit ganz vorne dabei sind.
Im heutigen Herren-Finale im Einer-Kajak (mit den Kanadiern, die mit einem Zwergending nur einseitig ins Wasser stechen, können Österreicher nichts anfangen) standen (besser: saßen) neben Helmut Oblinger praktisch nur Mitteleuropäer, Menschen aus Ländern mit Bergen und Wildbächen. Und irgendwie war ich zutiefst an eine Wintersportart erinnert, die global auch kaum jemanden interessiert: das Naturbahn-Rodeln. Auch da geht es um Berge und natürliche Bahnen, in die man sich wirft um ins Tal zu gelangen. Seltsamerweise ist das ein Sport, der außerhalb von Österreich, Südtirol und Bayern nicht bestritten wird. Im Vergleich dazu ist das Kunstbahnrodeln ein wirklich satter globaler Sport. Genauso wie der Bau solcher Bahnen etwas Dekadentes hat (hat wohl was mit dem Bobsport und Schweizer Nobelkurorten zu tun) hat, genauso weird ist wohl die Welt der Wildwasser-Slalom-Kanuten in ihren künstlichen Kanälen.
Und dann lese ich hier das: ... der Legende nach wurde der Sport entwickelt, damit die Skiathleten auch in den Sommermonaten etwas zu tun hatten... und schlagartig ist alles klar.
Ausgleichssport für Skifahrer?
Das Wildwasser-Gepaddel hat die olympische Sportfamilie echt nur ins Programm genommen, damit auch die Wintersport-Nationen eine Sommer-Chance haben. Und nachdem es ÖsterreicherInnen waren, die ab 49/50 diesen Sport aus der Taufe hoben (die ersten Weltmeister hießen Heidi Pillwein, Fritzi Schwingl, Gerti Pertlwieser, Othmar Eiterer, Hans Frühwirth, Rudolf Pillwein oder Rudolf Sausgruber), wäre da - bei entsprechender Pflege, etwas möglich gewesen.
Mittlerweile sind die Chefs im Ring immer noch wild wassernder Europäer, Deutsche, Slowakinnen, Italiener, Spanierinnen, Franzosen, Tschechinnen oder Slowenen. Aber auch Briten, US-Amerikanerinnen, Australierinnen und Japaner sind dabei. Es gab unlängst sogar Weltmeisterschaften in Brasilien. In Österreich war man zuletzt 1977, also noch im Sog des Sattler-Booms, der alte Chef wurde da noch einmal Dritter, ehe man danach in einen 20 Jahre dauernden Winterschlaf versank.
Wahrscheinlich ist für eine WM-Austragung mittlerweile ein künstlicher Kanal Pflicht/Standardausstattung - und ich schätze einmal, dass es in Österreich einfach keinen gibt. Das wäre zumindest die einzige Ausrede dafür, dass es die Nation, die die letzten beiden Damen-Titel im Frauen-Kajak geholt hat (durch Corinna Kuhnle, die morgen ihr olympisches Finale bestreiten wird) aus Ausrichter nicht existent ist. Vielleicht auch, weil diese Sportart hierzulande vielleicht immer noch als Ausgleichssport für Skifahrer für nicht wirklich voll genommen wird. Wobei: Frau Görgl oder Herrn Hirscher kann ich mir im Wildwasser-Kanal ganz gut vorstellen...