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Irmi Wutscher

Gesellschaftspolitik und Gleichstellung. All Genders welcome.

31. 7. 2012 - 14:56

Kärntner Ablenkungsmanöver

Die FPK wird Neuwahlen wahrscheinlich mit einem Trick abwenden. Aber auch sonst wird eifrig taktiert.

In Kärnten geht es rund: Seitdem in der Causa Birnbacher illegale Parteienfinanzierung, vor allem der ÖVP und der Freiheitlichen bekannt geworden ist, fordern die Opposition und aufgebrachte Bürgerinnen und Bürger Neuwahlen.
Am Freitag wird in Kärnten wieder ein Sonderlandtag abgehalten. SPÖ, ÖVP und Grüne wollen hier nach dem Bekanntwerden des Parteienfinanzierungsskandals und der Causa Birnbacher über Neuwahlen abstimmen. Die Kärntner Freiheitlichen werden Neuwahlen mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit verhindern. Sie werden aus dem Plenum ausziehen, damit die notwendige Zweidrittel-Anwesenheit platzt. So will die FPK Neuwahlen so lange wie möglich hinauszögern.

Aber noch andere Ablenkungstaktiken werden in den letzten Tagen ausprobiert: Es wird über einen möglichen Zusammenschluss von Landtagswahlen mit vorgezogenen Nationalratswahlen diskutiert, eine Jörg-Haider-Gebetsliga taucht auf und Kurt Scheuch bezeichnet Demonstrierende als "Mob" und "Lichtalträger".

Ich habe mit der Journalistin Antonia Gössinger gesprochen und sie um eine Einschätzung der Neuwahl-Ablenkungsmanöver, die gerade im Gange sind, gebeten. Sie ist Kolumnistin bei der Kleinen Zeitung in Kärnten und galt als Jörg Haiders Lieblingsfeindin.

Der Kärntner LH Gerhard Dörfler (L.) und die Landesräte Uwe Scheuch und Harald Dobernig (R.) vor Beginn einer Sondersitzung der Kärntner Landesregierung am Donnerstag

APA/GERT EGGENBERGER

Der Kärntner LH Gerhard Dörfler und die Landesräte Uwe Scheuch und Harald Dobernig vor Beginn einer Sondersitzung der Kärntner Landesregierung am Donnerstag

Uns erscheint es so, als gäbe es alle möglichen Ablenkungsmanöver der FPK, um nicht über die eigenen Probleme reden zu müssen. Wie sehen Sie das?

Das ist absolut richtig. Das eine Ablenkungsmanöver ist die Diskussion um mögliche vorgezogene Landtagswahlen mit einer Nationalratswahl. Das andere ist, dass Uwe Scheuch, der Parteichef der FPK, den anderen Parteien Parteiengespäche anbietet, um irgendein Zukunftsszenario zu entwickeln. Damit will man einfach Zeit gewinnen. Meine Vermutung ist, dass man darauf wartet, dass irgendwas in der EU passiert, das man als großes Wahlkampfthema benutzen könnte. Oder wenn im Herbst der Untersuchungsausschuss im Parlament weitergeht, dass sich dort etwas gegen die SPÖ ergibt. Da wartet man, dass sich irgendetwas ergibt und man selbst den Wahltermin bestimmt.

Kurt Scheuch hat ja auch ganz gut gegen die DemonstrantInnen ausgeteilt, er hat sie "Mob" und "Lichtalträger" genannt... Ist das auch so eine Ablenkungsstrategie?

Das entspricht absolut der Diktion des Herrn Kurt Scheuch. Es ist ja dafür bekannt, dass er eine unsägliche Ausdrucksweise hat. Die Öffentlichkeit müsste ihn erleben bei Landtagssitzungen, das ist eine Schande für das Hohe Haus.

Auf der anderen Seite: Dort waren 120 Demonstranten und wenn er da schon die Nerven so wegschmeißt, wenn dort 120 Menschen protestieren angesichts 460 000 Wahlberechtigten in Kärnten, dann zeigt das, wie seine Nerven flattern.

Eine Figur, die jetzt auch wieder ganz gerne hervorgeholt wird, ist Jörg Haider. Es gibt eine Gebetsliga, die sich seine Seligsprechung wünscht. Wie seriös schätzen sie das ein, gibt es die wirklich oder ist das ein Schmäh?

Das ordne ich unter Schmäh ein, vielleicht ist das eine Kunstaktion. Das ist sicher nicht ernstzunehmen. Jörg Haider ist jetzt natürlich in aller Munde, weil alle die, die durch diese Korruptionsskandale belastet sind, sich gerne auf ihn ausreden. Er war zwar sicher die Person, die die Ideen gehabt hat, wie man sich das Land zurechtbiegen kann, damit die eigene Partei oder die eigene Person möglichst viel davon profitiert. Aber jetzt die ganze Schuld ihm zu geben ist einfach nur billig. Die Leute, die in Funktionen waren, haben schon selbst Verantwortung übernommen und sollen zu dieser Verantwortung auch stehen.

Wie schätzen Sie die Chancen ein: Kommen Neuwahlen in Kärnten, kommen sie bald?

Neuwahlen sind sicher sehr viel näher gerückt. An den regulären Wahltermin 2014 glaube ich nicht mehr. Aber die FPK hat es mit ihrer Stärke im Landtag in der Hand, den Zeitpunkt zu bestimmen. Da denke ich, dass sie halt auf einen günstigeren Zeitpunkt wartet. Aber die Frage wird auch sein - diese Frage stelle ich mir seit ein paar Tagen - ob die ÖVP umfällt. Die ÖVP hat sich jetzt auch der Neuwahlforderung angeschlossen. Man weiß aber, dass der ÖVP-Obmann von der Bundespartei eingesetzt wurde und auf deren Befehl handelt. Von der Bundespartei weiß man wiederum, dass sie gerne die FPÖ als nächsten Koalitionspartner hätte und möglicherweise will die ÖVP jetzt die FPÖ oder HC Strache nicht allzu sehr vergraulen. Und da habe ich das Gefühl, dass die ÖVP schon wieder wankelmütig geworden ist und vielleicht Angst vor der eigenen Courage bekommt und sich dieser Neuwahlforderung von SPÖ und Grünen nicht mehr so bedingungslos anschließt.

Da hängt jetzt sehr viel an der ÖVP, sie muss natürlich auch fürchten, dass sie bei Wahlen am stärksten abgestraft wird. Aber ich glaube, innerhalb des nächsten Jahres wird es sicher Neuwahlen geben. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass eine von den anderen drei Parteien mit der FPK gemeinsam noch ein Budget beschließt. Und da kann die FPK dann noch alleine ein paar Monate mit einem Provisorium regieren, aber das geht halt auch nicht auf Dauer.