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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

29. 7. 2012 - 15:26

Ich bin der Hass?

Der Song zum Sonntag: John Maus - My Hatred is Magnificent.

Wohin mit dem Hass? John Maus kanalisiert die am schönsten körperlich erfahrbare Emotion in ein ewiges Mantra, eingebaut in einen kleinen Electro-Crooning Popsong. Alleine der Titel: My Hatred is Magnificent. Mein Hass ist prächtig, herrlich, prunkvoll. Hass ist sonst immer bloß groß, böse, eventuell ein bisschen berechtigt, aber meist eine Regung im dampfenden Körper, die man verstecken soll und will, und für die man immer ein bisschen ein trübes Gewissen vom Universum verpasst bekommt.

John Maus

John Maus

John Maus

John Maus ist so ziemlich der unwahrscheinlichste Popstar der jüngeren Vergangenheit, sein Album "We Must Become The Pitiless Censors of Ourselves" war 2011 eine Platte des Jahres, jetzt hat es der Musiker aus Minnesota gar auf das Cover des für gewöhnlich in Themenauswahl und Tonfall doch eher konservativ/rockistisch angelegten "Musikexpress" geschafft. John Maus ist Doktor der politischen Philosophie und gut mit Musikern wie Ariel Pink und dem Animal Collective verbandelt, denen er beiden schon musikalisch unter die Arme gegriffen hat. John Maus hat seine Musiktheorie vom Barock über 12-Tonmusik hin zu Minimal Music, natürlich Punk und New Wave, gut gelernt und sich die Schriften zur Musik von good old Theodor Adorno verinnerlicht. Er ist jedoch ein Synthesizer-Wizard und Elektronik-Bastler, der auf die Vereinfachung setzt.

  • Der Song zum Sonntag auf FM4
  • Über "My Hatred is Magnificent" macht sich auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar in der Presse am Sonntag seine Gedanken.

Gerade ist eine neue Compilation mit Raritäten und im Keller Gefundenem von John Maus erschienen, die locker mit den regulären Alben des Meisters mithalten kann. Maus gießt hier wieder sein weit verzweigtes Wissen in auf den ersten Blick schlicht erscheinende 80er-Wave-haftige Songs, in denen stets ein sinistrer Unterton mitschwingt und die nicht selten an die komplett fertige Monotonie der Schrottplatz-Elektronik des großen New Yorker Duos Suicide erinnern. John Maus scheint im Versuch, Pop, Punk, Rock, whatever, so poppig zu gestalten, wie es nur geht, die höchste Radikalität zu finden. "My Hatred is Magnificent" ist so ein knapper, perfekter Popsong, der mit nur wenigen Elementen gleichzeitig mit genügend Honigschmelz wie mit aufrührerischem Verstörungspotenzial daherkommt: Ein billig scheppernder Beat, dazu halb cheesy, halb kosmisch weihevolle Synthie-Flächen. John Maus wiederholt wieder und wieder die Zeile "My Hatred is magnificent" - viel mehr passiert nicht in dem Stück. Wenn man dann aber genau zuhört, durch das Gemurmel und das Klangkaramell, dann kann man vielleicht bemerken, dass sich aus dem ganzen "Hatred" gegen Ende doch noch so etwas wie ein Love Song herausschält. Da bricht das Lied dann aber auch schon wieder - mitten im Ton - ab.