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Eva Konzett

Korrespondentin des Wirtschaftsblattes in Bukarest

28. 7. 2012 - 11:44

Die Errettung des rumänischen Vaterlands

Er ist dick, ungepflegt und fordert eine Spezialbehandlung für Jungfrauen: Der rumänische "Politiker" Aurica Bac hat Visionen und tausende Likes auf Facebook - vor allem aus Bangladesch.

"Retten wir das Vaterland", der Wahlspruch von Aurica Bac ist eingängig, sein Facebook-Profilbild zeigt ihn in einer unbekannten Automarke, seine Persönlichkeit entspricht den niedersten Vorurteilen gegen einen Rumänen aus der historischen Region Moldau im Osten des Landes, dort wo an der Grenze nur noch die Republik Moldau mit einem schlechteren Ruf aufwarten kann. Aurica Bac ist neu in der rumänischen Politszene, seinen Wahlkampf führt er über die genannte Social-Media-Plattform, seit Anfang Juli posiert er dort mit seinen Erfolgen vom sonntäglichen Fischerei-Ausflug oder präsentiert die Schätze seines Waffenschranks, beschimpft Barack Obama und seine "Zigeuner-Genossen" und fordert Maiskolben mit Spezialvitaminen für die Jungfrauen seines Landkreises Vaslui. Und Aurica Bac kommt damit an, zumindest, wenn die Facebook-Likes als Referenz dafür genommen werden. Mehr als 5.000 Personen haben über den Like-Button ihre Zustimmung ausgedrückt. Ob sie tatsächlich verstehen, was Aurica Bac im rumänischen Moldau-Dialekt von sich gibt, darf indes bezweifelt werden: Die Mehrheit seiner Unterstützer kommt aus Bangladesch.

Aurica Bac hätte in der an zwielichtigen Charaktere und politischen Clowns reichen rumänischen Politlandschaft wohl einen weiteren Höhepunkt dargestellt. Im ehemaligen Ziegenhirten und nun durch Immobilienspekulationen reich gewordenen Gigi Becali etwa, der bei sämtlichen Wahlen mit einer kruden Mischung aus ultraorthodoxer Gottesfürchtigkeit und rechtsextremem Gedankengut antritt, hätte er bestimmt einen geduldigen Mitstreiter gefunden.

Facebook Profil von Aurica Bac

Facebook, Eva Konzett

Ein Schrank voller Waffen und Spott für die Roma: Aurica Bac entspricht den niedersten Vorurteilen gegen einen Rumänen

Doch Aurica Bac ist keine reale Person: Zwei rumänische Journalisten haben den Provinzpolitiker in der virtuellen Welt geschaffen. Der Fischfang vom Wochenende ist ein Fake, das Profilbild aus den Weiten des Internets geholt, die chauvinistischen Parolen, sie entstammen den Fingern von Vlad Ursulean und Radu Ciorniciuc. Nur die Facebook-Likes aus Bangladesch und Ägypten sind echt. Dafür hat sich der jugendliche "Software-Spezialist" verbürgt, bei dem die beiden Journalisten 10.000 Facebook-Likes gekauft haben - für umgerechnet knapp fünfzig Euro. Ein ganzes Portfolio seiner "Kunden" hat der Schüler an die Journalisten geschickt, darunter auch namhafte internationale Firmen. Die dunkelblaue Facebook-Welt, sie ist nicht nur für Mark Zuckerberg zum Geschäft geworden.

Ein verlockendes und vor allem billiges Business, dem sich auch manch realer rumänischer Politiker offenbar nicht verwehren konnte. Wie die Nachrichtenplattform B365.ro vor den Kommunalwahlen im Juni aufdeckte, haben auch Silviu Prigoana von der liberalen Partei und der amtierende unabhängige Bürgermeister von Bukarest, Sorin Oprescu, fleißig Unterstützung in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch, gesammelt. Die Herkunft der zahlenmäßig meisten Likes ist offen auf den Facebook-Seiten einsehbar. Weder Priogana noch Oprescu sind dabei Unbekannte in der rumänischen Politwelt. Letzterer hat 2009 für das Präsidentenamt kandidiert, seit 2008 ist er Oberbürgermeister von Bukarest - eine Funktion, in der er bei den Kommunalwahlen im Juni mit der Unterstützung des regierenden Bündnis Sozialliberale Union bestätigt wurde. Prigoana, der einst den einflussreichen Nachrichtensender Realitatea gründete, hat ebenfalls im Juni für das Oberbürgermeisteramt der Hauptstadt kandidiert - und verloren. Mit knapp 90.000 Likes liegt er im virtuellen Facebook-Ranking jedoch vor dem amtierenden Bürgermeister. Apropos: Beide haben ihre Seiten "in Ordnung" gebracht. Die meiste Zustimmung kommt sowohl für den Sieger als auch für den Unterlegenen der Bürgermeisterwahl nun aus Bukarest.

Kampagne in der realen Welt

Wahlplakat Demiterea

Eva Konzett

Die einen setzen auf die Kraft des Mitleids...

Unterdessen geht im Land der Wahlkampf weiter. Am Sonntag entscheiden die Rumänen über die Absetzung von Präsident Traian Basescu. Ein Ziel, das die gegenwärtig regierende Sozialliberale Union von Premierminister Victor Ponta seit der Machtergreifung durch ein Misstrauensvotum im Mai verfolgt. Seither haben perfekt ineinander greifende Maßnahmen, u.a. die Überführung des Bundesgesetzblattes in Regierungsagenden sowie Tritte in Richtung des Verfassungsgerichts, diesen Schritt vorbereitet. Die EU-Kommission zeigt sich besorgt, wieder einmal wird Rumänien als das Schmuddelkind der EU vorgeführt. Im Gegenzug wird nun im Land zunehmend der Schwarze Peter Brüssel zugeschoben.

Haifisch auf Wahlplakat

Eva Konzett

...die anderen evozieren Raubfische, um die Rumänen am Sonntag an die Urnen zu bringen, beziehungsweise sie von dort fernzuhalten

Der suspendierte Präsident Basescu hingegen hält sich zurück. Seine große Chance beim Referendum sind ohnehin die Nichtwähler. Kommen weniger als fünfzig Prozent der Wahlberechtigten an die Urnen, ist das Votum automatisch ungültig, so will es die Verfassung. Aus diesem Grund hat der demokratisch gewählte Präsident zum Boykott der Abstimmung aufgerufen. Es gilt als nicht unwahrscheinlich, dass der ehemalige Schiffskapitän, der in seiner Rolle als staatlicher Steuermann ebenso einige rechtsstaatliche Hürden zu umschiffen wusste, weiterhin im präsidialen Cotroceni-Palast residieren darf - vorerst zumindest. Denn das Verbleiben im Amt aufgrund einer verfassungsrechtlichen Hürde, und nicht aufgrund der Zustimmung der Wählerschaft, wäre wiederum für die regierende Sozialliberale Union ein gefundenes Wahlkampffressen. Schließlich sind für Spätherbst Parlamentswahlen angesetzt. Sie gelten als ein großer Test für den Kurs der neuen Regierung unter Premier Ponta. Der im Juni bei den Kommunalwahlen eingefahrene Sieg der Sozialliberalen Union dürfte einem weiteren Erfolg im Herbst indes den Weg vorbereitet haben: Besonders in der rumänischen Provinz bestimmt oft noch der Bürgermeister den Wahlausgang - Wahlgeschenke wie Telefonkarten oder der offene Stimmenkauf sind bekannte Praktiken. Ein historisch gewachsener Vorläufer der Facebook-Likes sozusagen, mit zweifelsohne drastischeren Auswirkungen auf den Zustand der Demokratie.

Wahlplakat

Eva Konzett

Basescu-Flugblatt auf Erotikwerbung: Basescu habe das ganze Land gedemütigt, mutmaßt der Wahlzettel. Seine Zustimmung in der Bevölkerung ist laut Umfragen sehr mager.

Auf Twitter zumindest kann der suspendierte Präsident Traian Basescu unterdessen einen Achtungserfolg gegenüber Premier Victor Ponta verbuchen. Mehr als 30.000 Mitglieder des sozialen Netzwerkes folgen den Tweets des Schwarzmeerkapitäns. Darunter auffallend viele Ausländer, die selbst noch keine einzige Nachricht in den virtuellen Orbit geschickt haben.