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Lukas Tagwerker

Beobachtungen beim Knüpfen des Teppichs, unter den ihr eure Ungereimtheiten kehrt.

27. 7. 2012 - 19:51

Zuerst die Strafe, jetzt der Freispruch

Vier #unibrennt-AktivistInnen wurden aus Mangel an Beweisen vom Vorwurf der Brandstiftung freigesprochen. Wir haben mit zwei von Ihnen gesprochen.

Was bleibt von einer Bewegung, die ausgehend von Österreich Bildungsstreiks in halb Europa und Kalifornien auslöst, ein tief empfundenes Unbehagen gegenüber der Ökonomisierung von Bildung zum Ausdruck bringt und ganze Jahrgänge von Studierenden mit neuen basisdemokratischen Umgangsformen vertraut macht?

Den ersten Prozesstag kannst du hier nachlesen.

Ein Altpolitiker-Unternehmer erreicht mittels Bildungsvolksbegehren eine Parlamentsdebatte. Und vier Studierende, die von der Polizei zu "Köpfen der Audimax-Bewegung" gemacht wurden, bekommen Telefonüberwachung, zwei Monate Untersuchungshaft, Ermittlungen wegen Terrorismusverdacht und heute schließlich: Freispruch.

Die #unibrennt-AktivistInnen im Interview

Ihr wurdet gerade im Wiener Landesgericht vom Vorwurf der Brandstiftung freigesprochen. Im Gerichtssaal gab es daraufhin Jubel und Beifall. Wie geht es euch jetzt und was bedeutet dieser Freispruch?

Kim: Ich habe mich gefreut.

Ulli: Natürlich ist es für unsere Lebensumstände um einiges besser und leichter von so einem Vorwurf freigesprochen zu werden. Aber prinzipiell sage ich: es ist mir scheißegal was die sagen, was für die "die Wahrheit" ist und in welcher Form die uns beurteilen und verurteilen.

Ihr wart im Sommer 2010 knapp zwei Monate in Untersuchungshaft eingesperrt, heute wurdet ihr aus Mangel an Beweisen erstinstanzlich freigesprochen. Wie könnt ihr die Vorgänge erklären?

Ulli: Sich diese Vorgänge zu erklären ist nicht so einfach. Obwohl ich schon Vermutungen habe. Bestimmte Handlungen oder bestimmte Gedanken, die das System, das wir haben, in Frage stellen, sollen bestraft werden. So, dass ja nicht das Gefühl entsteht, man wäre doch handlungsfähig oder man könnte doch Alternativen erfinden innerhalb eines Systems, das einfach nur auf Repression und Gewalt basiert.

Kim: Ich denke, dass es eine Kontinuität gibt vom Tierbefreiungs- oder Tierrechtsprozess zu diesem Prozess. Ich denke, dass das kein Zufall ist und kein Missgeschick des Rechtsstaats, sondern, dass es einer gewissen Logik und Systematik folgt. Dass eben Stimmen, Ideen, Handlungen und Gedanken, die die herrschenden Zustände kritisieren, ganz einfach mundtot gemacht werden sollen, kriminalisiert werden sollen und als etwas erscheinen sollen, das nicht rechtens ist.

Die #unibrennt-Bewegung, Bildungsproteste, politische Aktivitäten gegen Abschiebungen - macht man sich für die Polizei automatisch verdächtigt, wenn man daran teilnimmt?

Kim: Selbst angemeldete Demonstrationen werden vom Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung überwacht. Das zeigt, dass jegliche zivilgesellschaftliche Aktivität überwacht und möglicherweise bei Bedarf kriminalisiert wird.

Ihr habt heute ihm Verfahren versucht, durch Beweisanträge die verantwortlichen Ermittler der Polizei vorzuladen, damit sie befragt werden können. Der Richter hat das aber abgelehnt. Wie seht ihr die Arbeit der Polizei?

Ulli: Die Arbeit der Polizei sehe ich als die von HandlangerInnen des Kapitals, der Schutz des Kapitals noch vor Menschenleben. Sie haben überhaupt keine Skrupel, in das Leben von Menschen einzudringen und es zu zerstören. Wir sind dabei noch recht gut aus diesem ganzen Ding herausgekommen. Es gibt andere Leute, die kommen da weniger gut raus.

Kim: Ich denke das ist eine sehr komplexe Frage. Aber durch jeden politisch geführten Prozess, in den das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung involviert ist, entstehen mehr Informationen darüber, wie sie agieren und auch mehr Informationen darüber, wie man sich schützen kann. Viel mehr letztendlich als dann deren Idee von Repression wirklich funktioniert.

Proteste vor der Akademie der bildenden Künste

APA

Verteidigerin Anja Oberkofler sagt zum vorläufigen Prozessausgang: "Der Freispruch ist ein Sieg der vier jungen Leute weil alles, was zum Freispruch geführt hat, haben sie in mühevoller Kleinarbeit mit Hilfe von zahlreichen Unterstützerinnen selbst zusammengetragen." Der Freispruch ist nicht rechtskräftig. Staatsanwältin Nina Mayrgündter hat Nichtigkeitsbeschwerde bei drei der vier AktivistInnen angemeldet.