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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

26. 7. 2012 - 16:35

Fußball-Journal '12-24.

Peter Stöger als Konzept-Trainer geoutet! Ein paar Anmerkungen zur aktuellen Austria Wien.

Auch in der neuen Saison begleitet das Fußball-Journal '12 (wie schon in den Vorjahren, Fußball-Journal '11) die heimische Bundesliga, den Cup, Nationalteam und ÖFB, den Nachwuchs, das europäische Geschäft und das oft Kapriolen schlagende Umfeld.

Heute mit einem Blick auf die jetzt von Peter Stöger betreute Austria Wien. Hier eine Analyse zum Match im Wolfsberg.

Es gibt fünf Teams der heimischen Bundesliga, die aktuell besonderes Augenmerk verdienen; weil sie sich in Umbruch-Zeiten befinden. Bei der SV Ried, das hat sich schon vor der heutigen EC-Partie angekündigt, hat das Ende der Ära Gludovatz keinen Wechsel beim funktionierenden Konzept (dessen Garanten die Herren Reiter und Schweitzer sind) gebracht. Bei Salzburg hat das kurzfristig initialisierte Rangnick/Schmidt-Konzept noch nicht gegriffen. Sturm Graz und Wr. Neustadt hab' ich unter ihren neuen Coaches noch nicht oft genug gesehen, die Austria Wien schon.

Und die Diva am Verteilerkreis war es auch, der der größte Umbruch bevorstand; bevorstehen musste. Denn die Katastrophen-Halbsaison unter Ivica Vastic, die intern bereits zu holländischen Zuständen geführt hatte (die großteils unter der Decke blieben, was für den Charakter des Teams spricht) konnte nur mit einem echten Turnaround aus den Köpfen beseitigt werden.

Den sollte Peter Stöger besorgen, der vom Sportchef Thomas Parits gegen die simpelsten Prinzipien sinnhaften Managements auf Basis desselben dumpfen, inhaltlich unbegründeten Bauchgefühls durchgeführt wurde wie der grauenvolle Fehlgriff im Winter. Keine guten Voraussetzungen also, die der von den modernen Ansprüchen deutlich überforderte Vorstand Sport da gelegt hatte: denn wieder lieferte sich der Verein einem Einzelnen schlicht wegen seines Stallgeruchs aus; wieder gilt die Abwesenheit eines Plans als Tugend und das Hoffen auf einen Glücksgriff als Plan.

Wenn sich das Planen im Hoffen auf den Zufall erschöpft

Peter Stöger, den ich seit ewigen Zeiten (aus guten und auch aus weniger guten Gründen) fast schon übertrieben kritisch betrachte, hatte eine formidable Saison mit dem No-Name Wiener Neustadt hinter sich, den die sogenannten Experten und die Mainstream-Medien als Fixabsteiger ausgemacht hatten. Gut, dass ich weder das eine noch das andere bin und in meiner Preview das Gegenteil vorhergesagt habe.

Dass es nicht nur die gelungene Personalzusammenstellung war, die Neustadt in eine sichere Saison führte, sondern auch durchaus originelle System-Switchings von Stöger, war eine zusätzliche Überraschung, ein unerwarteter Bonus. Da Stöger diese Anstrengungen ausschließlich deshalb unternahm, um wieder an einen der fetten Futtertröge zu kommen, und die Gefahr drohte, dass er sich dann dort in vorschneller Zufriedenheit mit einem Minimum begnügt - wie es bei trainergewordenen Ex-Teamspielern in Österreich seit Jahrzehnten sattsamer Brauch ist - war trotzdem Vorsicht angesagt.

Angesichts dieser lowered expectations ist das, was Stögers Austria in dieser neuen Saison auf den Platz stellt, dann doch eine kleine Sensation.

Stöger macht nämlich das, was alle für super halten, sich aber nicht umzusetzen trauen, wirklich. In echt. Er spielt Spanien.

Stögers Austria läuft in einem an das aktuelle Del Bosque-System gemahnenden 4-3-3 auf. Natürlich ist das an sein Personal angepasst. Also eher so wie Spanien mit Fernando Llorente. Aber immerhin.

Ich oute Peter Stöger als Spanien-Kopisten

Die beiden Außenverteidiger dürfen unter Stöger wieder mehr als nur hinten stehen und Bälle vordreschen, den Innenverteidigern ist ein strukturierter Aufbau erlaubt, Markus Suttner darf sogar den Jordi Alba machen.
Dafür platziert Stöger den Australier Holland als echten Sechser, als Sergio Busquets. Den flankieren halbrechts Vrsic (der sich als Xavi sieht) und halblinks Mader (den ich als Xabi Alonso sehe) oder Simkovic, dazu kommen zwei echte Flügel (Gorgon rechts und Tomas Jun links) sowie ein zentraler Stoßstürmer (Linz/Kienast).

Wie es mit Dare Vrsic als zentalem Mann in einem
4-2-1-3 aussehen könnte, spielt Daniel Mandl hier durch.

Das ist kein 4-1-4-1 mit zwei Außenspielern im Mittelfeld, wie es etwa Walter Kogler spielen lässt, das ist ein echtes 4-3-3, vor allem, weil Jun seine Rolle links wie ein echter Stürmer interpretiert. Sein Pendant auf der rechten Seite, Alexander Gorgon, hat das noch nicht so richtig heraußen, er soll sich wohl auch mit seinem Hinter/Nebenmann Vrsic abwechseln, das klappt noch nicht so ganz, ist erst im Aufbau. Hinter/neben Jun gibt es mit Simkovic eine gewagte, mit Mader eine vorsichtigere Variante.

Gegen Wolfsberg stellte Stöger beim Stand von 0:0 auf eine noch offensivere Variante um: Mader übernahm die Sechser-Rolle von Holland, Simkovic kam dafür auf seine Position. Dass das Siegtor sofort nach dieser Maßnahme fiel, war zwar Zufall, trotzdem ist die Austria dieser Schlussphase ein absoluter Lichtblick gewesen.
Eine andere (Test-)Version zeigte Stöger im Cupmatch gegen Oberwart. Da stellte er von einem fluiden 4-3-3 (bei dem Jun und Simkovic sich auf der halblinken und linken Position verwirrend oft abwechselten) auf ein vorsichtiges 4-2-4 mit Holland und Mader im Zentrum, Stankovic statt Gorgon rechts und Kienast leicht hinter Linz versetzt als Doppelspitze um. Dass ausgerechnet in dieser Schlussphase noch ein Gegentor fiel, mag auch Zufall sein - diese Version scheint jedoch die Rückzugsvariante für die Saison zu werden.

Ich oute Peter Stöger als Nebelgranatenwerfer

Diese sehr präzis geplante und in der Umsetzung (vor allem links) auch schon recht fortgeschrittene System-Variabilität ist deutlich durchdachter als die rein aufgrund eines einzelnen hohen Resultats hochgelobte Rapid-Variante aus der ersten Runde, die keineswegs eine taktische Revolution sondern nur die Fortsetzung altbekannter Schmähs ist und sich erst gegen bessere Gegner bewähren muss.

Natürlich hakt auch Stögers spanische Variante noch an einigen Stellen. Dilaver ist keine Optimallösung als rechter Außendecker, vor allem, wenn man den dauernden direkten Vergleich mit Suttner hat. Vrsic muss erst in die Gänge kommen, ihm fehlt noch einiges an Selbstsicherheit. Florian Mader braucht deutlich mehr Bestätigung und Verantwortung, um seine exzellenten Spieleröffnungen nicht durch darauffolgende Fehlpasses wieder zu zerstören. Gorgon ist kein rechter Flügelstürmer. Vor allem ist aber James Holland ein echter Fehlgriff, ein wirklicher Patzer, der das Prinzip der Dopplung nicht versteht, zweikampfschwach nur den Alibipass spielt und für den Aufbau gänzlich unbrauchbar ist. Dass sich Stöger an ihm festkrallt, zeigt die Restunsicherheit eines Trainers, der da immer noch der längst überkommenen 90er-Jahre-Sicht des destruktiven Faktors im Mittelfeld anhängt.

Für österreichische Verhältnisse hat sich Peter Stöger mit seinem 4-3-3 aber massiv aus dem Fenster gelehnt. Die neue Austria spielt gemeinsam mit Sturm Graz (bei denen das neue System noch nicht genau genug vernäht ist und deshalb noch gerne aufplatzt) und weiterhin Ried den gewagtesten Fußball des Landes.

Ich oute Peter Stöger als Konzept-Trainer

Peter Stöger wäre aber nicht Peter Stöger (der Kalkulierer der Macht), wenn er seine genaue Beschäftigung mit der System-Variabilität nicht öffentlich herunterspielen würde und der Öffentlichkeit und den sogenannten Experten (also den Ex-Kickern und Ex-Trainern, die sich mit so einem neumodischen Blödsinn aus Prinzip nicht beschäftigen wollen) das Gefühl geben würde, dass er eh noch einer von ihnen ist. Deswegen wirft er ununterbrochen verbale Nebelgranaten, redet von der Überschätztheit von Systemen, romantisiert Kalkül als Bauchgefühl und versucht alles, um nicht in den Geruch zu kommen, so etwas wie ein taktisches Konzept zu haben.
Das ist weniger einer Nibelungentreue der 98er-Seilschaft geschuldet, als vielmehr Ausfluss einer Strategie, die reindrängenden deutschen Trainerkollegen wieder rauszudrücken, um die potentiellen Futtertröge wieder exklusiv österreichisch zu halten.

Folge-Reaktion auf 1911aktuell.

Das einzige was hilft, ist Trainer Stöger zu outen: als Konzept-Trainer, als einen, der schnell und schlau eine unverzichtbare Stoßrichtung erkannt, verstanden und vergleichsweise gut in seine Arbeit integriert hat. Auch wenn er versucht, das Gegenteil zu behaupten, um damit bei Reaktionären wie Krankl/Prohaska/Weber oder Populisten wie Schinkels zu punkten und in der Öffentlichkeit als Wunderwuzzi, dem die Dinge einfach so zufliegen dazustehen. Denn dieses (lächerliche, realitätsfremde) Ideal ist immer noch die Traumstory für die Mainstream-Medien, die fußballerischen Erfolg für Österreich immer nur auf Genie und Zufall aufbauen, weil die Alternative (langfristige, mühsame Aufbauarbeit) auch sie selber (und ihre provinzielle Pseudo-Berichterstattung) in die Pflicht nehmen würde.

Wie auch immer dieser Grabenkampf ausgeht: die Austria Wien wird heuer ein Begünstigter sein.