Erstellt am: 25. 7. 2012 - 11:29 Uhr
"Microsoft beendet den Gender-Dschungel"
Wozu das alles?
- Frauen natürlich ausgenommen: Der Sprachwissenschafter Anatol Stefanowitsch über diskriminierende Strukturen in der deutschen Sprache.
Es wäre das weltweit erste Tool zur Unterstützung geschlechtergerechter Sprache in Textdokumenten, verkündete Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek vor etwa einem Jahr und stellte das von Microsoft extra für die österreichische Verwaltung entwickelte "Gendering Add-In für Word" vor.
Inzwischen ist man bei Versionsnummer 1.1 angelangt, und anscheinend wagt Microsoft den Schritt raus aus der nationalen Nische. Über eine Hamburger PR-Agentur lässt man gestern ganz Deutschland ausrichten, dass es vorbei ist mit dem "Gender-Dschungel in Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft". Dschungel, huch, gefährlich!
Gendering für Dummies
Radio FM4
Ob das Landesvermessungsamt Rheinland-Pfalz mit der auch nach dem Update im Herzen durch und durch österreichischen Software seine Freude haben wird, darf man getrost ein bisschen anzweifeln. Technisch ist das "Gendering Add-In" nämlich in erster Linie eine endliche Liste an Wörtern, nach denen ein Text durchsucht werden kann, und für die dann Ersatz vorgeschlagen wird. Ein Blick auf diese Worttabelle zeigt allerdings eine gewisse, wie soll man sagen, österreichspezifische Titel-Lastigkeit.
Sehr komplex gestrickt ist das ganze also nicht. Für das Verfassen von gendergerechten Texten eigentlich sogar völlig ungeeignet. Das braucht nämlich mehr als eine an Auto-Korrektur gekoppelte Wortliste.
Das könnte man an sich schon in der ersten - und einzigen(!) - Grundregel zum geschlechtergerechten Schreiben erkennen: "Frauen und Männer gleichermaßen mitbedenken". Heißt der Staatsanwalt Hilde, dann handelt es sich wohl eine Staatsanwältin. Wechselt manchmal auch ein Mann die Bettpfanne, dann sind keine Krankenschwestern am Werk. So schwer ist das gar nicht.
Gendering für Voll-Dummies
Mit Automatismen funktioniert's andersrum besser. Das beweist das - ebenfalls genuin österreichische - Browser-Plugin Binnen-I be gone. Das hat vor Kurzem übrigens auch ein Update verpasst gekriegt, und verwandelt damit jetzt nicht nur "SchülerInnen" automatisch zurück in "Schüler", sondern streicht auf Wunsch Frauen auch aus allen Doppelnennungen. Sprich: "Liebe Kolleginnen und Kollegen" wird zu "Liebe Kollegen". Um Frauen aus einem Text wegzustreichen braucht es offenbar deutlich weniger brain. Das machen nicht nur viele schon von sich aus, das ist zur Not auch schnell von einer Maschine erledigt.
Aber zurück zu Microsofts Add-In für Word: Abgesehen von der direkten Anrede der "Frau Sektionschef" scannt die Software in erster Linie nach Plural-Formen. Auch das ist wohl ein Ergebnis der Verwaltungs-Ausrichtung in der Entwicklung. Ein amtliches Schriftstück richtet sich dann nicht mehr "An alle Taxifahrer", sondern an alle "Taxifahrerinnen und Taxifahrer".
So weit, so gut. Für eine gewisse Sensibilisierung taugt das Add-In allemal. Auf Frauen zu vergessen, wenn man in einem Text über eine eher undefinierte Masse an Menschen schreibt, passiert recht schnell, da können grau hinterlegte Wörter schon den ein oder anderen Hinweis liefern. Spätestens wenn Word vorschlägt, dass "Der Taxifahrerinnen und Taxifahrer mit dem amtlichen Kennzeichen W-.... mit überhöhter Geschwindigkeit bei Rot über die Kreuzung gefahren ist" wird man in der Amtsstube aber merken, dass Auto-Korrektur auch kein Allheilmittel ist.
Radio FM4
Wenn schon "Kampf dem Gender-Dschungel", dann vielleicht besser noch zusätzlich mit der nicht mehr ganz neuen, aber immer noch sehr brauchbaren Broschüre "Ich Tarzan - Du Jane?" zur geschlechtergerechten Mediengestaltung. Besser als jedes Drop-Down-Menü!