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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

20. 7. 2012 - 22:50

Fußball-Journal '12-21.

Die 1. Liga im Niveau-Quantensprung. Kann die zweite Leistungsstufe die Bundesliga taktisch challengen?

Nach der Euro und dem Cup-Opening vor einer Woche widmet sich das Fußball-Journal '12 der heute begonnenen Meisterschafts-Saison. Zunächst der der 1. Liga.

Kürzlich hat St.Pölten-Trainer Martin Scherb in einem Interview angemerkt, dass über einige Wochen des Frühjahrs lang das Spiel-Niveau in der 1. Liga besser war als das der Bundesliga. Abgesehen davon, dass das tatsächlich so war und dass man derlei im schnelllebigen Spielbetrieb gern vergisst; abgesehen davon, dass sich letztlich trotz dieser Flaute in der oberen Klasse natürlich immer die höhere spielerische Substanz der Bundesliga durchsetzen wird: dieses Phänomen war ein Fingerzeig. Und zwar einer, der auch in der heute abend gestarteten Saison der 1. Liga seine Fortsetzung finden kann.

Das hat damit zu tun, dass das Niveau derjenigen, die primär fürs Spiel-Niveau ihrer Teams zuständig sind (die Ausbildungsleiter nämlich) vielleicht noch nie so hoch war wie heuer. Das hat damit zu tun, dass sich die verantwortlichen Funktionäre der zehn Vereine der zweithöchsten Spielklasse in einem wohl eher zufälligen Zusammentreffen von unterschiedlich motivierten Entscheidungen darin einig waren Cheftrainer zu bestellen, die nicht dem sattsam bekannten Klischee der viel zu schnell und nur über populistischen Mediendruck hinaufgeschwappten Ex-Internationalen entsprachen. Dazu kamen Zufälle wie die Verreichelung des LASK, die den Dino Schachner entfernte (der seine Platitüden jetzt bei Sky absondert) oder der Abstieg des Happel-Schülers Von Heesen.

Fakt ist, dass mit den beiden Deutschen Scharinger und Von Heesen, den fantasiebegabten Riskierern Tatar und Canadi, den heimischen Konzept-Trainer-Variationen Scherb und Weissenböck sowie Neuling Moriggl, dem dezent bedeckten Kolvidson und dem untypisch-kreativen Ex-Teamhelden Adi Hütter praktisch alle Trainer dieser Liga deutlich über dem sonst üblichen österreichischen Schnitt agieren; vom Durchschnitt der 2. Leistungsstufe in den letzten zehn Jahren gar nicht erst zu reden. Und ich schätze, dass der einzige, der sich mit einem biederen 4-4-2 vorstellte, der Horner Weißschal Michael Streiter nämlich, demnächst auch angesteckt werden wird.

Mit Coaches, die etwas bewegen wollen, etwas ausprobieren möchten und sich ihren Spielern gegenüber auch verständlich machen, wird diese Saison einiges möglich werden. Ich will noch nicht von einem Quantensprung sprechen, aber die Basis für eine deutliche Niveau- und Leistungssteigerung ist damit gelegt.

Was die 1. Runde über die Spitzenteams erzählt hat...

Hier die Links zu den besten Saison-Previews der 1- Liga:

SCR Altach, mit Scharinger-Interview.

BW Linz

SV Grödig

Vienna

FC Lustenau, mit seinen Finanzproblemen, der Entgegnung und der Entlastung durch die Bundesliga

SV Kapfenberg

Austria Lustenau

TSV Hartberg

SV Horn samt Streiters Selbstdarstellung.

SKN St. Pölten und was Trainer Scherb zur Zehnerliga zu sagen hat.

... dass der SCR Altach unter dem schwäbelnden Rainer Scharinger schon jetzt, nach ganz kurzer Zeit, taktisch ausgereift zu spielen versteht (Details dazu stehen schon im Cupbericht der Vorwoche) und sich auch mit einem Mann weniger noch aus der Affäre ziehen kann; zwar nur irgendwie, aber immerhin. Und das sagt mir, dass wir es mit einer recht krisenfesten Mannschaft zu tun haben könnten.

... dass die Austria Lustenau einen enormen Startvorteil hat: man ist als einzige Mannschaft im oberen Bereich in der Grundstruktur dieselbe geblieben; man ist eingespielt, ruhig und selbstsicher. Jetzt geht es nur noch darum, dieses Momentum so lange wie möglich zu bewahren. Und dann ein wenig darüber hinaus zu gehen – etwas, was den Grünen seit Jahren abgeht.

Und überhaupt wird nur die Abwesenheit der vorständischen/präsidialen Kleingeistigkeit der Vorarlberger Klubs ihre Nicht-Aufstiegs-Serie beenden. In den letzten Jahren war aber genau davon nicht einmal im Ansatz die Rede.

... dass sich auch der Kapfenberger SV nicht dem ewigen Problem des ersten Spiels der Bundesliga-Absteiger entziehen konnte. Diese vorausgesagte Niederlage sagt aber nichts über die Saison aus, sie war nur die übliche Willkommens--Watschn. Die spielerische Substanz des KSV ist jedoch enorm, die beste der Liga, und wenn Von Heesen die richtige Mischung (die Besetzungs-Irrwege um Standfest waren symptomatisch) und das richtige System findet, führt der Aufstieg nur über ihn.

... dass sich Martin Scherb mit seinem Top-3-Diktum ganz schön was aufgehalst hat. Seine St.Pöltner machen zwar einen hervorragenden Eindruck, sein 4-4-2 sieht brasilianisch aus, seine Maßnahmen sind bestechend - und die Ansage ist angesichts des neuen Stadions und der mittelfristigen Aufstiegsambitionen auch logisch. Ich hielte aber auch Platz 4 für eine grandiose Leistung.

... dass Trainer Hütter ein Fitzcarraldo ist, ein visionärer Operndirektor mitten im Dschungel, der erste, der dem seltsamen Konstrukt Grödig wirklich etwas mitgeben kann. Noch wirkt diese Mannschaft etwas gewürfelt und eckig. Ob sie jemals einen Chor, der ihren Chef zufriedenstellt wird singen können, muss sie erst noch beweisen.

Was die 1. Runde über die Außenseiter zu sagen hatte...

Das Fußball-Journal '12 begleitet wie schon in den Vorjahren (siehe Fußball-Journal '11) die heimische Bundesliga, den Cup, Nationalteam und ÖFB, den Nachwuchs, das europäische Geschäft und das Umfeld.

Das nächste oder übernächste Heimspielt in St.Pölten wird dann auch vorort begutachtet - das Regenschnupfenwetter hat das heute verhindert.

... dass sich die Blau-Weissen aus Linz im zweiten Jahr deutlich schwerer tun werden als in der Aufstiegssaison, in der noch viele Gegner von Thomas Weissenböcks Finten überrascht waren. Womöglich wird nur die personelle Kontinuität den Unterschied zu den Konkurrenten ausmachen.

... dass die eigentlich abgestiegenen Hartberger mit Nobody Andreas Moriggl jemanden bekommen haben, der über eine klare Handschrift und Erfahrungen darin sich unter prekären Bedingungen seiner Haut zu erwehren verfügt und seine Akteure deutlich sinngerechter einsetzt als die Vorgänger.

... dass der Teufel, der die Vienna-Verantwortlichen geritten hatte ihr gesamtes Team zu ebenjenem zu schicken und mit einer wüst zusammengestoppelten Truppe den xten Neustart zu propagieren, kein wirklich guter Ratgeber ist, weil er über keinerlei soziale Sinne verfügt. Schön, dass Alfred Tatar jetzt sein 4-3-3 spielen kann. Das wäre aber auch unblutiger und nachhaltiger gegangen.

... dass der andere Teufel, der die Verantwortlichen des FC Lustenau jedes Jahr, ja vielleicht sogar jeden Monats-Achten reitet und nur die unintelligente Kurzfristdenke der Funktionäre verstärkt, ein echter Abturn für die Bemühungen von Damir Canadi, der nicht jedes Jahr Wunder bewirken kann.

... dass die Luft für den Meister der Regionalliga-Meister, der andere Regionalliga-Meister fast mit Tennis-Resultaten weggeschossen hat, durchaus dünn ist. In einer Liga, die über so viel strategisches Niveau, über so viele leicht zu wechselnde Spielsysteme und über so viele taktische Nuancen verfügt, wird die alte Schule, nach der Michael Streiter verfährt, eher kurzatmig ankommen.