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Natalie Brunner

Appetite for distraction. Moderiert La Boum de Luxe und mehr.

20. 7. 2012 - 17:45

Angel Haze runs New York

Kindheit in den Fängen eines Kults und der Mut, sich zu einer ambivalenten Sexualität zu bekennen: Angel Haze hat exzellente Skills, einiges zu verarbeiten und vor nichts und niemandem Angst.

Reservation ist als Gratis-Download erhältlich.

Angel Haze ist eine junge Dame aus New York. MCing ist ihre Profession und trotz ihres jungen Alters ist Madame Haze exzellent. Ihr Flow auf "New York", dem ersten Vorboten zu ihrem Album, ist eine Mischung aus Santigold und einer Nicky Minaj, die was zu sagen hat. "I spit so hard my lips need 16 stiches", reimt sie im Song "New York", der der Vorbote zu ihrem Album "Reservation" war.

Musik-Blogs überschlagen sich vor Begeisterung und packen in ihren Vergleichen nicht mehr zu toppende Superlative aus, "a young internet brat has Biggie’s preternatural skill". Mehr, als als Rookie-MC mit Notorious B.I.G. verglichen zu werden, mehr geht eigentlich nicht.

Angel Haze ist 1991 geboren, das heißt, sie ist jetzt gerade mal Anfang zwanzig. Sie hat mit elf begonnen zu schreiben, ganz klassisch Tagebuch-Einträge, aber in Form von Reimen. Eine Freundin brachte sie auf die Idee, dass ihre Texte eigentlich auch ganz gut als Raps funktionieren würden.

angel haze

"Reservation", der Titel ihres Debüts, ist eine Referenz an ihre Wurzeln als Native American. Gänsehaut erzeugt schon der erste Song: "This is me, Angel" erzählt ihre Kindheit, und von ihrer Mutter, die selbst mit Problemen geschlagen war. Es erzählt von traumatischen Erlebnissen, etwa wie sie einmal einfach in einen Bus mit unbekanntem Ziel gesetzt wurde, eine Flucht, und sie konnte sich an nichts festhalten, außer an den Worten ihrer Mutter, dass alles irgendwie gut gehen wird.

Angel Hazes Familie war, bis sie sechzehn war, Teil einer apostolischen Kirche. Sie durfte als Kind nur vom Kult genehmigte Medien konsumieren. In Interviews erzählt sie, dass es unmöglich war, ein Hip-Hop zu hören, ohne dass sofort jemand hinter ihr stand und ihr drohte, dass dafür ihre Seele im ewigen Feuer der Hölle brennen würde. Trotzdem schrieb und rappte sie weiter.

Als sie sechzehn war, brach ihre Familie nach nicht näher definierten Übergriffen eines Pastors gegenüber ihrer Mutter mit dem Kult. Man kann sich also vorstellen, woher Textzeilen wie "I'm Satan, and Imma take your ass to church now" kommen.

Angel Haze thematisiert ihre Kindheit inklusive der Gebrochenheit offen in ihren Songs. "Castle on a Cloud" ist eine Nummer über Missbrauch und Vergewaltigung, die aber von dem Geist lebt, nicht als Opfer durch den Rest des Lebens zu gehen.

In "Werkin' Girls" vergleicht sie sich in nur einer Strophe mit Rambo und einem "pre-teen boy in a church with a pastor".

Gescheiterte Liebesbeziehungen zu Frauen und auch der Spaß an Sex werden in "Gypsy Love Letters", "Jungle Fever" und "Hot Like Fire" erwähnt, genau so wie eine nicht in einem Kind endende Schwangerschaft.

Mit einer derartigen Offenheit an die Öffentlichkeit zu treten zeugt von unglaublichem Mut. Von Anfang an Klartext zu sprechen scheint für Angel Haze der einzig gangbare Weg: "If you are yourself and you say what you feel, if you don’t give a fuck, people will gravitate toward you."

Angel Hazes Debüt-Album "Reservation" gibt es hier als gratis Download.