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Eva Umbauer

Popculture-Fan und FM4 Heartbeat-moderierende Musikjournalistin.

20. 7. 2012 - 17:30

Synthetica: Das neue Album von Metric

Die kanadische Band Metric meldet sich mit dem neuen Longplayer "Synthetica" zurück und beschäftigt sich dabei mit dem "Echten" und dem "Künstlichen".

Metric aus Toronto, Kanada sind eine dieser Bands, die sich heimlich, still und leise über fast ein Jahrzehnt hinweg eine Bandkarriere aufbauten, die etwa auch im Titelsong für den letzten Twilight-Soundtrack mündete. Die Kanadierin Emily Haines und der US-Amerikaner Jimmy Shaw - die einander in New York getroffen hatten - sowie ihre Mitmusiker Joshua Winstead und Joules Scott-Key nahmen vor neun Jahren in Los Angeles ihr erstes Allbum, "Old World Underground, Where Are You Now?" auf.

Berührungsängste mit dem Mainstream gab es aber schon damals nicht. So machten Metric nach ihrem nächsten Album, "Live It Out" - samt den tollen Singles "Monster Hospital" und "Poster Of A Girl" - etwa das Vorprogramm für die Stones im New Yorker Madison Square Garden.

Metric - Band Kanada, USA

Metric

Eigentlich hatten Metric ja bereits 2001 ein allererstes Album eingespielt, das wegen Plattenfirma-Schwierigkeiten allerdings zuerst liegen gebliebene "Grow Up And Blow Away", das dann schließlich vor fünf Jahren doch veröffentlicht wurde.

Ganze drei Jahre liegt "Fantasies", der bisher letzte Metric-Longplayer, schon wieder zurück. "Synthetica" ist die doch irgendwie logische, elektronischere Fortsetzung zu jenem Album, das Metric in die Mainstream-Popwelt hineinspülte. Gleich der erste Song am neuen Album, "Artificial Nocturne", ist gewinnend, trotz, oder auch wegen Emily Haines Begrüßungstextzeile: "I´m just as f***** up as they say." Es folgt "Youth Without Youth", die gar nicht so "radio-friendly"-Single, die davon handelt, dass es den großen Generationen-Unterschied nicht mehr gibt und die sich ins Industrial-Glampop-Gewand hüllt.

"Dreams So Real", handelt vom Gefühl, dass man als MusikerIn die Welt nicht mehr verändern kann, wie früher etwa Bob Dylan mit seinen Liedern. Der Song transportiert aber trotzdem den Glauben an die Macht eines Songs: "To believe in the power of songs", singt Emily Haines. Aber auch an die "power of girls" glaubt Emily Haines fest in diesem Song. Davor hören wir aber noch den perfekten Popsong "Breathing Underwater" und "Speed The Collapse"; letzterer erinnert vielleicht am stärksten an frühere Metric-Songs, ist aber, zumindest vom Inhalt her, "apokalyptischer". Es folgt das höchst charmante "Lost Kitten", samt Emily-macht-auf-kleines-Mädchen-Stimme. Dann kommt "The Void": "I stay up to prove, I can keep up with you all night." Schließlich sind wir beim Titelstück angelangt: "Synthetica", eine clevere Wortkreation, die sowohl den Synthesizer beinhaltet als auch das Wort "synthetisch".

Band Metric; USA/Kanada Sängerin Emily Haines

Metric

Jimmy Shaw:
"Emily ist wirklich gut darin, sich neue Worte auszudenken, die so klingen als gäbe es sie wirklich. Und als dieses Wort einmal geboren war, haben wir es nicht mehr aus dem Kopf bekommen. Wir hatten schon Platten, wo wir bis zum letzten Momenent über den Albumtitel gestritten haben, aber diesmal war das anders. Das Wort machte einfach Sinn. Es gibt viele Bedeutungen und Zusammensetzungen, in die man es setzen kann. Vor allem aber drückt es sehr gut diesen Zwiespalt zwischen 'echt' und 'unecht' aus. Und natürlich sind auch generell einfach viele Synthesizer auf der Platte zu hören. Außerdem verleiht die Endung auf den Buchstaben "a" dem Wort "Synthetica" einen gewissen Hauch von Sci-Fi-Gefühl. Es transportiert einen in die Vergangenheit und die Zukunft zugleich und spiegelt insgesamt den Klang der Platte wider."

"It´s about what is real versus what is artificial", fügt Emily Haines hinzu. "Hey, I´m not synthetica", singt sie dann auch im Titelsong "Synthetica".
Klar, mit ihrer Synthie-Begeisterung sind Metric zur Zeit nicht die Einzigen. Trotzdem, warum wolltet ihr so viele Synthesizer verwenden?

Jimmy Shaw:
"Bevor wir mit den Aufnahmen zum neuen Album angefangen haben, hatten wir gerade die letzte Platte von Broken Social Scene fertiggestellt. Ich war also mit Broken Social Scene in Chicago im Studio von John McEntire - Soma - und der Produzent des Albums von Broken Social Scene hat dort eine riesige Wand aus modularen Synthesizern stehen. Ich war von diesem mächtigen, majestätischen Instrument wirklich beeindruckt und wollte auf einmal selbst irgendwie verrückte Musik machen. Außerdem traf ich in Chicago einen gewissen Bill Skibbe, der das Key-Club-Studio betreibt, außerhalb der Stadt, wo unter anderen etwa auch The Kills einmal aufnahmen. Bill sagte, er hätte eine ganze Menge Synthies, die er verkaufen würde. Ich kaufte also einige davon. Vor allem der ARP 2600 hatte es mir angetan. Er ist modular aufgebaut und überall hängen Regler und Kabel heraus.. Er wurde in den frühen 1970er Jahren gebaut und etwa auch für die Soundeffekte in "Star Wars" benutzt."

Genug Synth-Talk. "Clone" ist der nächste Song am neuen Metric-Album, fast eine Ballade, samt hübscher Gitarre und einem Xylophon, und Emily Haines singt "Back to that photograph, can you clone me?". Die Lead-Gitarre tritt am neuen Album etwas zurück und lässt dafür die Rhythm-Guitar ran.

Metric vs Lou Reed?

Metric Sängerin Emily Haines; Lou Reed

Metric

Albumcover Metric

Metric

"Synthetica" von Metric ist bei PIAS UK/Rough Trade erschienen.

Dann endlich der mehr oder weniger große Auftritt der lebenden Legende Lou Reed. Er singt bei "Wanderlust", dem vorletzten Song am Album, mit. Wie das klingt, ob das "funktioniert" oder nicht, ist eher Nebensache, Hauptsache Lou Reed ist dabei, obwohl Emily Haines ein paar Songs zuvor noch sang "we should never meet our heroes." Metric und die Velvet-Underground-Ikone trafen einander, als Emily Haines dem Meister von einem Freund, der mit Lou Reed spielt, vorgestellt wurde. Dieser begann die Konversation so: "Emily Haines, who would you rather be, The Beatles or The Stones?" Emilys Antwort: "The Velvet Underground." Eine Einladung nach Sydney, Australien folgte, wo Lou Reed und seine Frau Laurie Anderson ("O Superman") gerade als Kuratoren an der Oper tätig waren.

Nach einem gemeinsamen Auftritt in Sydney hatte Emily Haines dann auch den Mut, Lou Reed um Backing Vocals für das neute Metric-Album zu bitten. Die beiden trafen sich in New York und sangen "The Wanderlust" ein, live and direct, sozusagen, denn Lou Reed hatte keine Lust mit einer digitalen Emily Haines zu singen: "I´ve been sleepwalking through the railway staion. Wake me up when you come my destination."

Emily Haines:
"Wir haben in der Gesangskabine zwei Mikrofone gegenüber von einander aufgestellt, und er hat über den Song improvisiert. Schließlich haben wir aber "nur" diesen wirklich großartigen "Echo"-Teil von ihm verwendet. Das war eine wirklich tolle Erfahrung für mich."

Der letzte Song am Album: "Nothing But Time". "I wanted to be part of something. I got nothing but time, so the future is mine." Ein großer Rock/Pop-Song. (M)ein Liebling.