Erstellt am: 18. 7. 2012 - 10:40 Uhr
Homo Ludens
"Hör auf, den ganzen Tag diese blöden Tiere zu jagen und geh endlich schlafen!" - Ich höre die Stimme meiner Mutter noch immer in meinem Kopf. Ich war ungefähr dreizehn Jahre alt und entdeckte gerade die Welt der Computerspiele. Wie sollte ich meiner lieben Mutter erklären, dass ich keine Tiere jagte, sondern die Welt vom bösen Diablo und seinen Brüdern befreie und dass das überhaupt eine sehr ernstzunehmende Aufgabe ist. "Was machen die da?" sang meine Oma mit "Ist das Glücksspiel?" Sie konnte sich nicht vorstellen, dass es etwas gibt, das dich den ganzen Tag fesselt und nicht mit Wetten verbunden ist. Währenddessen schauten ich, mein Bruder und mein Vater wie gebannt auf dem Bildschirm und sammelten wie verrückt Waffen und Rüstungen, bis wir die Horden Diablos langsam aber sicher ausgerottet hatten.
Blizzard Entertainment
Ich erzähle euch das, weil ich neulich gelesen habe, dass die große britische Werbeagentur Saatchi & Saatchi sich eine unkonventionelle Art ausgedacht hat, Bewerber für eine Stelle zu testen: Beim Vorstellungsgespräch muss der Bewerber nämlich gut in … Diablo III sein. Um sich für den Job zu bewerben, muss man auf der Onlinemultiplayer-Plattform des Diabloherstellers Battle.net den Chef von Saatchi & Saatchi finden, der dort als Level 60-Barbar weilt. Und während man tausende dämonische Kreaturen tötet, soll man gleichzeitig Fakten über sein berufliches Leben wiedergeben. Der Grund für das ungewöhnliche Jobinterview: Wenn man es schafft, gleichzeitig Diablos Diener zu vernichten und sich beruflich gut zu präsentieren, kann man wahrscheinlich auch den großen Stress bei der Werbeagentur aushalten. Wer sich gut präsentiert, bekommt nicht nur den Job als Belohnung, sondern auch ein einzigartiges Schwert und eine Million virtuelle Goldstücke.
Ich glaube, ich war gut in Diablo II. Mein Bruder und mein Vater können es bestätigen. Diablo III habe ich noch nicht ausprobiert. Um meiner Mutter und meiner Oma zu gefallen, versuche ich seit einer gewissen Zeit ein ernsthafter Mensch zu sein und habe die Computerspiele aufgegeben. Jetzt erfahre ich, dass diese Spiele den Spielern nich nur neue Welten öffnen, sondern auch gut für den beruflichen Erfolg sein können. Nein, ich beabsichtige nicht, mich bei Saatchi & Saatchi zu bewerben, aber meine Mutter wird hoffentlich endlich verstehen, dass mein Abhängen vor dem Computer eine Investition in die Zukunft war.