Erstellt am: 19. 7. 2012 - 11:47 Uhr
Die Surfer sind immer die ersten…
Sambatrommeln, sexy Tanzeinlagen und Fahnen aus 26 Nationen. Die Gesichter der applaudierenden Zuschauer strotzen vor Stolz. In Nicaragua wird zum ersten Mal in der Geschichte eine Surf-Weltmeisterschaft eröffnet, das passiert nicht alle Tage im zweitärmsten Staat Lateinamerikas. „Die International Surfing Association hat sich für Nicaragua entschieden, weil sie Ländern eine Chance geben will, die sonst immer im Abseits stehen“, sagt deren Präsident Fernando Aguerre. Das ist ein Grund zum Feiern, auch wenn die ISA World Masters "nur" die Weltmeisterschaft der surfenden Senioren jenseits der 35 sind.

Rommel Gonzales
Fotos: Rommel Gonzales / Hanna Bizjak
In Australien oder Hawaii würde der Bewerb wohl kaum jemanden hinter dem Ofen hervorlocken, oder besser gesagt, weg von der Klimaanlage. Aber für Nicaragua bedeutet die WM ein Stück Hoffnung. Es ist die größte internationale Sportveranstaltung seit Jahren, wenn nicht aller Zeiten. Präsident Daniel Ortega fliegt extra mit dem Helikopter ein und gewährt den Vertretern der International Surfing Association eine Privat-Audienz. Und es sind Legenden wie Sunny Garcia oder Robbie Page dabei.
Man ist sich einig: Surfen boomt und bietet eine echte Chance für das Land. Vom Contest erhofft man sich einen gewaltigen Werbeeffekt. ESPN und Al-Jazeera sind zum Beispiel im Medientross vertreten.

Rommel Gonzales
Boom vs. Nachhaltigkeit
Der Urlauberboom beginnt gerade. Schließlich gilt Nicaragua als das sicherste Land Mittelamerikas, da die Drogenkartelle, die man aus Mexiko oder El Salvador kennt, bis heute nicht richtig Fuß gefasst haben.
Und bei den Surfern ist die Küste Nicaragua schon lange für den „Offshore-Effekt“ bekannt: Der Cocibolca-See - größer als das Bundesland Salzburg - sorgt dafür, dass ständig Wind vom Land ins Meer bläst. Das macht die Breaks der Pazifikküste zu einer beliebten Spielwiese für Wellenreiter.
Man wolle aus den Fehlern anderer Urlaubs-Destinationen lernen, sagt Julio Videa vom nicaraguanischen Tourismus-Ministerium: „Ganz wichtig ist, dass der Surftourismus und der Umweltschutz nicht im Widerspruch stehen“. Eine positive Entwicklung erhofft er sich vor allem für die abgelegenen Gemeinden: „Die Surfer haben eine direkte Auswirkung auf unsere Wirtschaft. Von den kleinen Hostels über Autovermietung, Verpflegung bis hin zu den Surfshops und dem öffentlichen Transport“.
Tatsächlich sieht man in Nicaragua kaum geschlossene Urlaubs-Clubanlagen. Und man will am Tourismus-Kuchen des Nachbarlandes Costa Rica mitnaschen, das schon vor langer Zeit erfolgreich auf Öko- und Surftourismus gesetzt hat. Denn die Natur ist hier ebenso paradiesisch, aber für die Touristen ist es um einiges billiger als beim reicheren Nachbarn. "Unser langfristiges Ziel ist, dass wir in Mittelamerika irgendwann die Nummer Eins bei den Surfer-Destinationen sind", sagt der Tourismuschef.

Rommel Gonzales
Surfen statt Saufen
Bei der Surf-WM gibt es nur einen einzigen Teilnehmer aus Nicaragua. Der Sport ist hier einfach zu neu, als dass es Profis über 35 gäbe. Aber bei den Kids, die am Strand aufwachsen, hat das Surfen eingeschlagen wie eine Bombe. In den abgelegen Fischerdörfchen gibt es nur wenige Perspektiven, dafür umso mehr Crack und billigen Fusel.
Rex Calderon ist 19 und derzeit der beste Surfer Nicaraguas. Er sieht das Wellenreiten als Alternative: „Es ist einfach ein super Sport. Wenn man es mit Liebe und Passion macht und sich darin verbessern will, dann glaube ich schon, dass man sich eher von den ganzen Drogen und dem Alkohol fernhält. Man steht jeden Tag früh auf und paddelt raus aufs Meer und ist immer mit der Natur verbunden“.
Kann Surfen zur Entwicklung entlegener Regionen beitragen? Bringen Touristen und Geschäftsleute aus dem Ausland neben Geld, Surfboards und Yogaübungen auch eine wirkliche Perspektive in ärmere Länder? Nicaragua hat noch jede Möglichkeit, diese Fragen mit ja zu beantworten.

Hanna Bizjak