Erstellt am: 16. 7. 2012 - 13:40 Uhr
Artist of the Week: Geoff Barrow
Geoff Barrow ist ein britischer Producer/ DJ/ Multiinstrumentalist, der - jetzt kommt's meine Lieben - aus dem englischen Örtchen Portishead stammt, wenige Kilometer außerhalb von Bristol. Mit acht Jahren begann er Schlagzeug zu spielen, als Ausgleich, weil seine Schwester mit Ponyreiten begann, scherzt er in Interviews.
geoff Barrow
Als Teenager begann Geoff Barrow Hip-Hop aufzulegen und in Rockbands zu spielen. Schon damals zeichnete sich ab, wie vielseitig er ist: Unter anderem war er 1991 Studioassistent, als Massive Attack ihr epochales erstes Album „Blue Lines“ aufnahmen. Barrow wurde damals von allen „the guy from Portishead“ genannt. Das brachte ihn auf die Idee, seinem eigenen Projekt diesen Namen zu geben. Er remixte zu dieser Zeit Primal Scream, Depeche Mode und Paul Weller, arbeitete mit Tricky zusammen und schrieb Songs für Neneh Cherry.
Sein bisheriges Schaffen zeigt: Der Typ steht auf geografische, popkulturelle und historische Referenzen.
Portishead
Portishead ist der Name der Band, die Barrow 1993 ins Leben rief und die mit ihrem verdubbten Hybrid aus Hip-Hop und melancholiegetränktem Pop schon ab dem ersten Album „Dummy“ genre-definierend werden sollte. Sphärisch weich und düster waren die Sound-Landschaften, die Portishead zeichneten. Ich persönlich kenne niemanden, der in den Neunziger Jahren und wahrscheinlich auch später nicht mindestens einmal Sex zu dieser Musik hatte.
portishead
MusikjournalistInnen kamen auf die Idee, Popmusik, die nach dem Vorbild von Portishead mit elektronischen und Hip-Hop-Elementen angereichert war, Trip-Hop zu nennen. Geoff Barrow hat diese Bezeichnung selbst nie verwendet.
In einem Interview meinte Barrow, er schreibe seit Juli 2010 an neuem Material für Portishead. Bis Album Nummer Vier erscheint, könnte es aber noch dauern, zieht man die Fülle von sehr unterschiedlichen Veröffentlichungen in Betracht, mit denen uns Barrow in den vergangenen Jahren beglückt hat. Trotz der unterschiedlichen Genres und damit verbundenen Produktionstechniken, sind es in allen Fällen Liebeserklärungen an die Musik bzw. Comics und Filme, die Barrow geprägt haben.
Wikicommons/John Minton 2012
Quakers
Nach dem letzten Portishead-Album „Third“ legte Barrow eine längere Schaffenspause ein. Ihm sei nichts mehr zuwider, als sich zu wiederholen, meint er in Interviews. Dieses beständige Suchen nach Neuem ist auch im Namen seines Hip-Hop-Projekts Quakers reflektiert. Die Quäker waren eine religiöse Bewegung in England des 17 Jahrhunderts. Quaker, also Zitterer, ist der Schimpfname, mit dem sie bedacht wurden. Selbst nannten sie sich Seekers und Dissidents, also Suchende und Andersdenkende. Eine Position, die Barrow zum aktuellen Mainstream-Hip-Hop einnimmt. Er gab Jay Z einen Korb, indem er eine Remixanfrage ablehnte. An mit Euro-Disco aufgepepptem AutoTune-Hip-Hop, in dem es um Yachten geht, ist Barrow nicht interessiert.
Barrows Liebe zu Hip-Hop geht bis in die Zeit vor Portishead zurück, als Public Enemy und The Bomb Squad einen Sound erschufen, in dem man die Stadt, die Unterdrückung und den Widerstand hörte, wo Music und Message Hand in Hand gingen. Barrows Herz pulsiert im Underground. In einem Interview meinte er: „Wir versuchen Public Enemy auf unsere Verhältnisse zu übersetzen. In England war schwarze Musik dank den Einflüssen der jamaikanischen DJ-Kultur immer etwas rauer, als die Soul-lastigen amerikanischen Produktionen.“
stones throw
Zum Produzenten-Trio der Quakers gehören neben Geoff Barrow der Portishead-Toningenieur 7-Stu-7 und der australische Producer Katalyst. Auf dem Quakers-Album sind 41 Cuts mit 35 Gast-MCs zu hören. Die haben die Quakers nicht nur über persönliche Kontakte gefunden, sondern auch Myspace nach MCs durchsucht, mit denen sie zusammen arbeiten möchten, um ein möglichst diverses Rap Album zu produzieren. In Erscheinung getreten sind die Quakers dann zum ersten Mal auf dem Soundtrack des Banksy-Films „Exit through the Gift Shop“.
Drokk
In den späten Achtziger und frühen Neunziger Jahren war die „2000 AD“ Comic-Serie, in denen die Taten der Judges in Mega City One erzählt wurden, bildgewordene, aus dem Geist des Punks erschaffene Systemkritik.
drokk
Mega City One ist ein verdammt beschissener Ort. Es ist die totalitäre, dsytopische Apokalypse, in der Judge Dredd in den gleichnamigen Comics die BewohnerInnen überwacht und in Schach hält. Drokk ist das Wort, mit dem man in Mega City One alles bezeichnet, was irgendwie Scheiße ist. Also das „Fuck“ des Judge Dredd-Universums, wo Polizist, Richter und Henker in der Figur der Judges zusammenfallen.
Drokk ist auch der Name des Albums das Geoff Barrow gemeinsam mit dem Filmmusik-Komponisten Ben Salisbury geschaffen hat. Es trägt den Untertitel “Music inspired by Mega City One”. Wir können also davon ausgehen, dass Barrow eine Zeitlang im Umfeld des Produktionsteams des neuen Judge Dredd-Films herumgegeistert ist. Seine mit Vintage-Analog-Synthesizern erzeugten, an John Carpenter erinnernden Sounds waren aber wohl zu düster und zu wenig Action-kompatibel, um als offizieller Soundtrack für den neuen Judge Dredd-Film „Dredd 3D“ akzeptiert zu werden.
Beak>
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Beak> ist ein Krautrock-inspiriertes Projekt von Geoff Barrow, das er mit den ebenfalls aus Bristol stammenden Kollegen Billy Fuller und Matt Williams ins Leben gerufen hat.
">>" ist das zweite Album von Beak>. Geister-Vocals treffen auf elektronisch verzerrte Gitarren-Loops. Beak> haben sich selbst sehr strenge Richtlinien gesetzt. Die ganze Musik wird live in einem Raum eingespielt und beim Arrangement der Stücke werden keine Overdubs verwendet. Die Seltsamkeit kommt aus der Tiefe der Seele.