Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Gin, Pfeife und Schmalzbrot"

Alex Wagner

Zwischen Pflicht und Kür

13. 7. 2012 - 18:38

Gin, Pfeife und Schmalzbrot

Graham Chapmans "Autobiografie eines Lügners" galt jahrelang als unübersetzbar. Bis sich Harry Rowohlt an das Buch des Monty Python Stars getraut hat.

Weitere Buchempfehlungen

Zu abwegig, zu abschweifend, der Wortwitz, viel zu spitzfindig, Pointen, die nicht aufgelöst werden, Einschübe, Nachschübe, Umschübe, Fußnoten, wie bei einer wissenschaftlichen Arbeit: Graham Chapmans "Autobiografie eines Lügners" ist so schillernd wie eine Monty Python´s Flying Circus Folge, nur eben im Buchform und ausführlicher.

Nonsense gibt sich hier ein freudiges Stelldichein mit intellektuellen Metadiskussionen, die feine Wortwitz-Klinge fusioniert mit brachialem Vulgärkarlauer, Banales ringt um Aufmerksamkeit mit beinahe wissenschaftlichen Kleinsttreatments. Das Buch ist anarchisch und bringt zusammen, was eigentlich nicht vereinbar ist. Und das hat deutsche Übersetzer bisher zögern lassen, gilt doch die Kommödie und im speziellen der britische Humor als schwer transkripierbar.

Buchcover zu Graham Chapmans "Autobiographie eines Lügners"

Haffmans & Tolkemit

Graham Chapmans "Autobiografie eines Lügners" (englische Originalausgabe "A Liar´s Autobiography. Volume VI" 1980 bei Eyre Methuen) ist 2012 bei Haffmans und Tolkemitt erschienen, übersetzt vom grenzgenialen Harry Rowohlt.

1980 ist das Buch im englischen Original unter dem Titel "A Liar´s Autobiography. Volume VI" erschienen. Knapp 32 Jahre später musste erst ein Harry Rowohlt kommen und sich an die Übersetzung wagen. Und auch bei seinem 172. übersetzten Buch muss man feststellen, dass kein anderer sich so in die Eigentümlichkeit eines Buches hineinarbeiten kann, wie er. Um den letzten Geheimnisse des Buches auf die Spur zu kommen, hat er sogar ein Zusatzkapitel angefügt. "Unauffälliger Anmerkungsapparat" heißt es und ist neben den Vorworten, Fußnoten und "Nachworten" (hier durchaus wortwörtlich zu verstehen, ist doch auch John Cleeses Grabrede für Chapman dem Buch angefügt) eine weitere Möglichkeit, das Buch lesen zu können, oder wie Rowohlt schreibt: "Was der Übersetzer, lautet die Faustregel, herausgefunden hat, teilt er mit, was er nicht herausgefunden hat, unterschlägt er -, es sei denn, er hat einen Klugen gefunden, den er fragen kann. Den Autor kann er nicht fragen, denn der Autor ist, wie der aufmerksame Leser festgestellt haben wird, tot."

Lügenbert

Phantasievoll und teilweise ziemlich absurd kommt sie daher, diese Autobiografie, wobei man sich nie sicher sein kann, ob Graham Chapman das Geschriebene wirklich erlebt hat, oder ob er einen anschwindelt. Schließlich hat ihn seine Kreativität auch dazu getrieben, es im Showbuisness zu probieren, anstatt Medizin weiter zu verfolgen, die er an der Cambridge University studiert hat. Mit John Cleese hat er recht früh erste Sketche für die BBC geschrieben und das Stetoskop dafür abgelegt. Als Hauptrolle in "Das Leben des Brian" und "Die Ritter der Kokosnuss" ist er eines der bekanntesten Monty-Python-Mitglieder.

Graham Chapman

- unknown -

Chapman war homosexuell, Kettenraucher und Alkoholiker. Eindringlich schildert er im Kapitel 0 die Einlieferung ins Krankenhaus, nachdem er wieder einmal zu viel getrunken hat. 1989 - neun Jahre nach Erscheinen der Autobiografie - ist Chapman an den Folgen seines Lebenswandels gestorben, gezeichnet von Tumoren, im Rollstuhl sitzend. Sein Tod ist auch der Grund, warum es keine Reunion von Monty Python geben wird.

Episodenhaft und oftmals ohne (zeitlichen) Zusammenhang schildert Chapman in seiner Autobiografie seine Schulzeit und nervige Unterstufenzecken, die ihm die Zähne reinigen wollen, seine Tage an der Universität mit frivolen Professoren, die jungfräuliche Studenten zur Anatomie der Frau ausfragen und sich dabei genüsslich ihr Stammeln anhören, sein Coming-Out und seine Liason mit dem Schriftsteller David Sherlock und natürlich sein beruflicher Werdegang.

* Kleine Schwächen in der Rechtschreibung schiebe ich ganz dreist dem Lektorat in die Schuhe und nicht dem Rowohlt.

"John und ich hatten hatten eine Menge Sketches für David Frost geschrieben, wie Sie inzwischen wissen sollten, wenn sie aufgepaßt haben. In Anerkennung unserer Dienste beschloß Mr Frost weise, uns für das Schreiben eines Films die Art Hungerlohn zu zahlen, die wir für ein Vermögen halten würden."

Auch Bayern (KZ Dachhau, München, Hitler) und Wien (Freud, Psychoanalyse, sexuelle Triebe) widmet Chapman amüsante Kapitel.

Humoreske

Auch wenn manche Passagen nur schwer zu dechiffrieren sind - verständlich, da sie auf den Zeitgeist der 70er Jahre in Großbritannien und darin auftretende Akteure anspielen - funktioniert ein Großteil des Witzes auch in der Jetztzeit noch. Und das nicht nur für Monty Python Fans. Die ersten 50 Seiten sind allerdings etwas quälend, aber es lohnt, sich durchzubeißen. Das aber weiß auch der Autor des Buches.

"Dies ist eine eher persönliche Fußnote von Graham Chapman, streng vertraulich an Alex G. Martin und David J. Sherlock gerichtet.... Es ist schwer, genauer zu umreißen, aber während es in diesem Kapitel einige recht interessante Passagen gegeben hat, scheint mir doch alles ein bißchen unzusammenhängend und holprig zu sein (besonders die Fußnoten). (...) Es könnte sein, daß wir uns etwas zu sehr auf die Gutwilligkeit des Lesers verlassen. Immerhin soll dies eine Autobiografie sein. Dies einmal vorausgesetzt, wie erklären wir:
a) Daß keinerlei Anstrengungen unternommen werden, einen logischen zeitlichen Ablauf zu bieten?
b) Daß schamlos einen ganzen Abschnitt lang aus einem Fernseh-Sketch geklaut wird, der ohnehin nie auf der Bühne zu sehen war?..."

Gerüchten zufolge plant der Rest der Truppe seit 2011, die Autobiografie eines Lügners zu verfilmen. Wie das funktionieren soll, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Freuen würds mich aber allemal.