Erstellt am: 14. 7. 2012 - 19:00 Uhr
Höllische Höhlen
Bei Computerspielen geht es vor allem darum, Spieler/innen eine gute Balance zwischen Herausforderung und Belohnung zu präsentieren. Sind die Aufgaben zu einfach, langweilt man sich schnell. Zu schwere Herausforderungen führen wiederum dazu, dass man es bald nicht mehr weiter versucht, resigniert, einen kurzen Fluch ausstößt und mit dem Spielen aufhört.
Wenn es Game Designer schaffen, nicht nur diese Balance zu halten, sondern ihre Grenzen auch noch maximal ausreizen, dann hat das etwas Meisterhaftes. Jemanden ständig scheitern zu lassen ohne das Gefühl hervorzurufen, dass man entweder zu dumm dafür oder das Spiel schlecht ist, bedarf eines besonders Kniffs. "Spelunky" wendet gleich mehrere davon an. Hier verarscht einen das Spiel nicht mit hämischen "Game Over"-Screens und penetranten Soundeffekten, die das Bildschirmableben begleiten. Stattdessen wird bei Bedarf im Sekundentakt neu gestartet. Darüber hinaus sieht jedes Level anders aus, keine Höhle gleicht der anderen, die einzelnen Abschnitte werden per Zufall erstellt. Jeder Abschnitt muss mit frischer Taktik angegangen werden. Frust und Motivation reichen einander die Hand und erzeugen den belebenden Drang, immer besser zu werden.
Spelunker ist Englisch für Höhlenforscher, und nichts anders als höhlenforschen ist es, was man bei "Spelunky" tut. Es sieht aus wie ein altes "Super Mario" im Indiana-Jones-Look. Das ist aber erst der Anfang der Assoziationen, die wissenden Gamern beim Spielen in den Kopf schießen werden. Die Referenzen, Hommagen und Persiflagen in "Spelunky" sind zahlreich.
Mossmouth
Wir laufen und springen, haben eine Peitsche und können Bomben legen, auf mitgebrachten Seilen auf- und abwärts klettern und feindliche Wesen mit Steinen bewerfen. Überall sind Monster: blaue Fledermäuse, springende Spinnen, spuckende Schlangen, fleischfressende Pflanzen und wildgewordene Yetis. Auch der immer wieder auftauchende Shopkeeper wird zum Überfeind, wenn man versucht, ihm seine Ware zu stehlen.
Die Levels sind in 2D und liebevoll in einem eigenständigen, bunten Grafikstil gezeichnet. "Spelunky" erinnert visuell stark an Computerspiele der frühen 1990er Jahre, eine klare Referenz ist beispielsweise "Rick Dangerous". Dangerous ist ein gutes Stichwort, denn auch bei "Spelunky" lauern an jeder Ecke tödliche Gefahren. Wer nicht die Umgebung genau beobachtet oder eine falsche Bewegung macht, wird von Stacheln aufgespießt, von Felsen überrollt oder Geistern heimgesucht - letztere tauchen auf, wenn man länger als wenige Minuten in einem Abschnitt herumtrödelt. Mit ein bisschen Übung, Vorsicht und Geschick kommt man aber recht schnell zum Ausgang und freut sich über die gesammelten Schätze.
Den Spielstand speichern kann man nicht - wer ganz tief in die Höhlen vordringen will, soll sich das auch mit Schweiß und Tränen verdienen. Wer in eine Todesfalle tappt oder Schritt für Schritt seine wenigen Herzen verliert, beginnt wieder ganz von vorne. Dieses Prinzip des sogenannten Permadeath ist von fiesen Videospiel-Nüssen aus den 1980er Jahren geliehen und erlebt seit einigen Jahren in der Indie-Games-Szene ein gebührendes Revival. Der Vorteil liegt klar auf der Hand: Hier ist einem das Bildschirmleben wieder etwas wert, die Spannung kommt von selbst und wenn man endlich mal die zweite Welt erreicht hat, fühlt man sich wie ein kleiner Kaiser.
"Spelunky" (Xbox 360) ist bereits erschienen. Die Windows-Version ist weiterhin kostenlos.
"Spelunky" ist bereits Ende 2008 für Windows erschienen (FM4 hat berichtet). Es ist ein Freeware-Spiel des US-amerikanischen Game Designers Derek Yu, das seither eine eingeschworene Gruppe an Fans um sich geschart hat. Nun ist das Spiel überarbeitet für Xbox 360 als Download für rund 15 Euro erschienen. Neu ist neben einer visuellen Frischzellenkur vor allem der großartige, lokale Multispielermodus, bei dem bis zu vier Spieler/innen wahlweise miteinander oder gegeneinander sich die Höhle zur Hölle machen. "Spelunky" sieht hübsch aus, ist perfekt designt und wunderbar partytauglich.