Erstellt am: 11. 7. 2012 - 17:13 Uhr
Achillesferse GPS-System
Das Vorhaben, auch den zivilen Luftraum für unbemannte Flieger nach und nach bis 2015 zu öffnen, hat in den vergangenen paar Wochen eine Reihe von Rückschlägen erlitten.
Sämtliche Vorfälle betrafen das GPS-System, mit dem die gesamte Drohnentechnik steht und fällt. Dass Störsender das globale Navigationssystem lokal begrenzt ausschalten können, ist klar. Noch in jedem Konflikt, an dem die USA beteiligt waren, war von den Gegnern versucht worden, militärisches wie ziviles GPS durch "Jamming" auf der selben Frequenz zu stören.
Die Möglichkeit, die Navigationsdaten aus dem All zu manipulieren ("Spoofing"), um zivile, GPS-basierte Systeme aller Art aus dem Takt zu bringen, ist hingegen neu und betrifft bei weitem nicht nur Drohnen. Das globale Navigationssystem wird nämlich rund um den Globus als "Taktgeber" für Industrie- und Kommunikationsanlagen benutzt.
Die unter Luftfahrtexperten mittlerweile gängigste Hypothese zur Bruchlandung einer hochmodernen US-Aufklärungsdrohne im Iran ist, dass sie auf die Manipulation des GPS-Systems durch iranische Störsender zurückzuführen ist.
In den USA sollte der Luftraum bereits ab 2015 für militärische wie zivile Drohnen weitgehend offenstehen. Auch in Europa schob die Rüstungsindustrie seit 2009 heftig an und fand dabei auch bei den Regierungen Gehör. In Deutschland wurden Teile des zivilen Luftraums bereits für Drohnen bis 150 Kilogramm geöffnet.
Österreichische Drohnen
Ende Juni demonstrierte ein Forscherteam des Radionavigation Laboratory an der University of Texas die Entführung einer kleinen zivilen Drohne durch gefälschte GPS-Signale ("Spoofing") in der Praxis.
Anfang Mai war eine Helikopterdrohne des österreichischen Herstellers Schiebel in Südkorea außer Kontrolle geraten und in die eigene Kontrollstation abgestürzt. Ein Techniker der Firma kam dabei ums Leben, zwei südkoreanische Soldaten wurden verletzt, Drohne und Kontrollstation brannten vollständig aus. Auf Anfrage von ORF.at hieß es seitens der Firma, aufgrund der fast völligen Zerstörung des Geräts werde die laufende Untersuchung noch über den Sommer andauern.
Jamming aus Nordkorea
Der Absturz der Schiebel-Drohne ereignete sich gerade einmal 50 Kilometer vor der Grenze zu Nordkorea, von wo bereits seit 28. April laufend starke GPS-Störsignale registriert wurden. Auf den beiden Seouler Flughäfen Incheon und Kimbo herrschte zeitweise Lande- und Startverbot, ein paar hundert Flüge wurden gestrichen oder starteten mit großer Verspätung.
Weltweit sind bereits Hunderte Helikopterdrohnen der Wiener Neustädter Firma Schiebel im Einsatz. Die modernste Drohne der Luftwaffe Israels, der Dominator II, wird von Diamond Air ebenfalls in Wiener Neustadt gebaut und in Israel aufgerüstet.
In Incheon wurde der Schiebelsche Camcopter S-100 gerade vom südkoreanischen Militär getestet, die Aufklärungsdrohne sollte entlang der Grenze Patrouille fliegen. Der Umstand, dass sie genau auf den LKW-Container mit der eigenen Kontrollstation gestürzt ist, legt den Verdacht natürlich nahe, dass dies kein Zufall war.
Wie man Drohnen entführt
Der Feldversuch an der University of Texas hat gezeigt, mit welch simplen Mitteln die Empfänger der zivilen GPS-Signale ausgetrickst werden können. Aus einem Kilometer Entfernung wurde mit einem technischen Set-Up - Materialwert gerade 1.000 Dollar - erst einmal die Position der Drohne laufend eingemessen, denn dieser Parameter ist für einen erfolgreichen Spoofing-Angriff unerlässlich.
Sodann berechnet ein kleiner Computer die zu erwartenden Laufzeiten der GPS-Satelliten für diese Position, denn Umlaufbahnen, Erdabstand und Geschwindigkeit der Satelliten sind bekannte Werte.
Daraufhin wird seitens des Angreifers ein GPS-Sender angeworfen, der erst schwache Signale synchron mit dem echten GPS sendet. Dann wird die Sendeleistung langsam hochgedreht, bis er das echte GPS-Signal überblendet. Im Fall der texanischen Forscher müssen wenige hundert Milliwatt gereicht haben, denn mehr braucht es nicht, um aus einem Kilometer stärker als gleichfrequente Signale aus 300 und mehr Kilometern Entfernung anzukommen.
Lenkwaffen für Terroristen
Die Drohne orientiert sich nun an den GPS-Daten, die vom Angreifer kommen, der ihren Kurs dadurch bis zu einem gewissen Grad manipulieren kann. Entweder kann die Drohne zur Notlandung gezwungen oder zum Absturz gezielt in ein bestimmtes Objekt gelenkt werden.
Der Leiter des texanischen Forschungsteams hatte ausdrücklich davor gewarnt, dass unbemannte zivile Fluggeräte ab 2015 in großer Zahl und immer größeren Dimensionen den zivilen Luftraum der USA unsicher machen würden. Diese Drohnen könnten durch Spoofing-Angriffe zu Lenkwaffen für Terroristen werden, hieß es.
Die gängigste Hypothese zur Bruchlandung im Iran:
Der hochmoderne Stealth-Aufklärer RQ-170 Sentinel wurde von iranischen Kampffliegern auf den militärischen GPS-Frequenzen mit Störsignalen bombardiert. Der Sentinel wurde dadurch in den "Fall-Back"-Modus gezwungen, - das zivile GPS-System. Das machte dann einen Spoofing-Angriff nach dem Muster der texanischen Forscher möglich.
Aus Sicht der Militärs
Wenn Manipulationsangriffe mit solch bescheidenen Mitteln von zivilen Forschern wie in Texas demonstriert werden können, dann müssen die Militärs ganz einfach weiter sein. GPS ist nun einmal ein militärisches System mit zivilem Zusatznutzen und nicht umgekehrt.
Was den Crash der Schiebel-Drohne in Südkorea angeht, so sind nur Störungen des GPS-Empfangs, nicht aber die Manipulation der GPS-Signale nachgewiesen. Der Absturz der Heli-Drohne könnte auch durch einen Bedienungsfehler der beiden Südkoreaner ausgelöst worden sein. Der GPS-Ausfall durch Jamming machte jedenfalls das manuelle Eingreifen des "Piloten" nötig.
Achillesferse GPS
Die GPS-Störsender der Nordkoreaner operierten aus maximal 60 Kilometern Entfernung, wurden jedoch mit weitaus höherer Leistung betrieben als die Sender im texanischen Feldversuch. Das hatten Peilungen ergeben, laut südkoreanischen Medien soll es sich dabei um militärisches Gerät aus Russland handeln.
Die Dominanz der USA über die globalen Lufträume und den Satellitenhimmel basiert zu einem wesentlichen Teil auf dem GPS-System. Es ist daher nur logisch, das alle jene Staaten, die Gründe haben, die Lufthoheit der Amerikaner zu fürchten, Mittel und Wege suchen, GPS anzugreifen. Überraschend daran ist vielmehr, dass die Technik zur Manipulation der zivilen GPS-Signale längst keine akademische Frage mehr ist, sondern im Militärbereich bereits viel weiter verbreitet sein muss, als es bisher den Anschein hatte.