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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

12. 7. 2012 - 15:12

Die One-Man-Comedy-Maschine

Notizen zu einer kleinen Begegnung mit Jason Segel und seinem neuen Film „Fast verheiratet - The Five Year Engagement“.

Zum Schlafen kommt Jason Segel selten, sagt er. Tagsüber spielt der Gemütlichkeit verstrahlende Comedystar in der Endlos-Sitcom „How I Met You Mother“. Abends schreibt Segel Drehbücher für Filme, in denen er dann auch meistens gleich selbst die Hauptrolle spielt, die Musik komponiert oder als Koproduzent mitmischt. „Das alles ist klarerweise anstrengend“, erklärt er beim FM4-Interview in einem Wiener Nobelhotel, „aber ich kann mich unglaublich glücklich schätzen.“

Bei Jason Segel teilen sich die Meinungen. Als ich meine Vorfreude auf das Gespräch mit ihm auf Facebook verkünde, hagelt es hymnische Reaktionen. Manche Fans bieten an, fast alles zu tun, um mit dem 32-jährigen Kalifornier mal kurz abzuhängen.

Knocked Up

UIP

Auf der anderen Seite legen viele Kritiker Filme wie “Forgetting Sarah Marschall” oder „I Love You Man“ im Fach der leicht vertrottelten RomCom ab und schütteln überhaupt angesichts des Segel'schen Humors den Kopf. Wobei deutsche Verleihtitel wie “Nie wieder Sex mit der Ex” oder „Trauzeuge gesucht“ und entsprechende Synchronfassungen leichte Munition liefern.

Was natürlich eine echte Schande ist. Stechen Jason Segels beste Werke, die oftmals im Verbund mit seinem Skript- und Regiebuddy Nicholas Stoller entstehen, doch innerhalb der zurecht abgefeierten Neuen Amerikanischen Komödie und ihrer Protagonisten wie Seth Rogen, Jonah Hill, Paul Rudd oder Kristen Wiig als besonders charmant und lustig hervor.

Knocked Up

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Zum absoluten Durchbruchstreifen für all die genannten Komiker wurde die von ihrem Überguru Judd Apatow 2007 inszenierte Schwangerschafts-Komödie „Knocked Up“. Auf den Mix aus grotesker Überzeichnung und genauer Realitätsbeobachtung, untergriffiger Blödelei und berührenden Alltagsmomenten, der einem in diesem Film serviert wird, greift der damals in einer Nebenrolle brillierende Jason Segel auch in seinen zentralen Filmen gerne zurück. Und zwar auf extrem souveräne Weise.

Das gilt auch für den neuesten Film des Duos Segel und Stoller. In „The Five Year Engagement“, bei uns irre kreativ „Fast verheiratet“ betitelt, geht es putzig, abgründig, melancholisch und komisch zugleich zu, oft in einer einzigen Szene.

Ganz typisch für das Apatow-Universum arbeiten sich die schrulligen Protagonisten wieder einmal an bürgerlichen Glücksträumen ab. Wie schon im Vorjahr in „Bridesmaids“ steht erneut das ewige Ja-Wort im Mittelpunkt, die funkelnden Ringe, die heile Heiratswelt, die gerade in Zeiten von Werte- und Ökonomie-Krisen scheinbar magisch anziehend anmutet.

The Five Year Engagement - Fast Verheiratet

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Genau ein Jahr nach der sprichwörtlichen Liebe auf den ersten Blick wollen Tom und Violet den Bund der Ehe eingehen. Aber plötzlich bekommt die Jungpsychologin einen tollen Unijob im ländlichen Wisconsin angeboten. Der verständnisvolle Freund kündigt seine Anstellung als Chefkoch in einem Luxusrestaurant und begleitet die zukünftige Gattin. Die Hochzeit wird aber im Berufsstress bald auf Eis gelegt, die Beziehung trägt erste Knackser davon, die zu großen Rissen werden.

Wie Jason Segel als drolliger Tom in der amerikanischen Provinz langsam verwildert und abstürzt, ist alleine schon den Kinobesuch wert. Aber auch die Chemie mit der wunderbaren Emily Blunt könnte nicht besser sein. Und dann sind da noch die zahlreichen Nebenrollen und Stränge, die für aberwitzige Momente sorgen.

Eines sollte aber nicht unerwähnt bleiben: Wer sich anarchische Augenblicke wie die unvergessliche Brautkleideranprobe in „Bridesmaids“ erwartet, könnte enttäuscht sein. „Five Year Engagement“ wirkt liebenswürdiger und harmloser als die üblichen Brachialkomödien aus diesem Umfeld. Eine bewusste Entscheidung, meint Jason Segel, als ich ihn auf den gesenkten Derbheitsfaktor anspreche. „Ich kann und will mich dem Erwachsenwerden nicht entziehen“, murmelt er und lässt zukünftige Ambitionen im Dramafach anklingen.

The Five Year Engagement - Fast Verheiratet

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Dabei lebt der Film glücklicherweise immer noch von einer herrlichen Infantilität, die auch Emily Blunt genießerisch ausspielt. Und von der grausamen Verlogenheit zuckersüßer Mainstream Comedys ist „Fast verheiratet“ alleine durch seine Ambivalenz meilenweit entfernt. Die klassischen bürgerlichen Lösungsmodelle winken zwar auch hier mit dem Zaunpfahl, werden aber nicht triumphal eingelöst wie im reaktionären RomCom-Konsensbereich.

Stattdessen ringen alle Charaktere mit Zweifeln und Zwängen und nicht wenige Schlüsseldialoge kreisen um die beinharten Kompromisse, die zum Leben und Lieben gehören. Eine sehr menschliche Zerissenheit, die auch zu Jason Segel als Person passt, wird hier hochgejubelt statt kritisiert.

The Five Year Engagement - Fast Verheiratet

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Hat sich der verschmitzte Kasperl, der Muppet-Überfan und verhuschte Weirdo aus dem Kino nämlich nach wenigen Interview-Minuten als hochprofessionelle One-Man-Comedy-Maschine entpuppt, zerplatzt später auch das Bild vom gehetzten Workaholic. Übrig bleibt letztlich ein ambitionierter Künstler und ja, haltloser Romantiker.

Ist das nicht zu viel des Lobes, geifern jetzt die Gegner, für einen US-Comedy-Fritzen? Aber keineswegs. Wer sich so hemmungslos der Peinlichkeit hingibt wie Jason Segel, wird dadurch nicht nur selber erst recht zum coolen Hund. Er hilft uns Fans, durchaus kathartisch, die eigenen existentiellen Fettnäpfchen besser zu ertragen. Deswegen lieben wir Jason Segel, möchten ihn wahlweise zum Kumpel haben oder halten ihn manche gar für ein Sexsymbol. Und freuen uns schon auf seine nächsten Filme.

The Five Year Engagement - Fast Verheiratet

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