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Todor Ovtcharov

Der Low-Life Experte

11. 7. 2012 - 11:42

Sommeridylle

Eine Parkbank als Rettung vor dem Großstadt-Dschungel und ausländerfeindliche Ausländer

Diese Bank ist meine Rettung. Meine kleine Oase in der unaushaltbaren Hitze des Betondschungels, in dem ich lebe und aus dem ich ohne Erfolg zu entkommen versuche. Dicke Schweißtropfen sprudeln aus meinem Gesicht und begießen mit einem lauten Knall den heißen österreichischen Boden. Doch hier auf der Bank habe ich meine Ruhe. Mitten in der Stadt, doch irgendwie weit entfernt von der alltäglichen Hektik, in der wir alle unserem Glück nachlaufen. Unter dem dicken Schatten eines Lindenbaumes habe ich meinen Platz gefunden. Als ob ihn dort der gutmütige Gott oder die noch gutmütigere Magistratsabteilung für Sitzangelgenheiten extra für mich eingepflanzt hat.

Parkbank im Wiener Volksgarten

flickr.com/denis_todorut

Die Bank, auf der ich diesen kleinen Augenblick Freiheit gefunden habe, steht ruhig in einem kleinen Park in einer dieser feinen Wiener Bezirke jenseits des Gürtels. Ich kann das Geräusch - wie ein hungriger Tiger klingt es - das Wiens Verkehrs-Arme den ganzen Tag von sich geben, immer noch leicht wahrnehmen, doch von dieser Stelle hört es sich mehr wie das leise Summen eines Bergflusses an. Oder zumindest versuche ich, mir das einzubilden.

Mit Akzent
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Das Mikrosystem im Park folgt seinem Tagesablauf. Eine Gruppe Jugendlicher, in den bunten Trikots verschiedener Istanbuler Fußballvereine gekleidet, schreit in Richtung der Fenster im dritten Stock des naheliegenden Gemeindebaus: "Sylemaaaaaann".
Syleman lässt nicht lange auf sich warten. Nach dem dritten Ruf ist er schon bei seinen Freunden. Er hat Torwarthandschuhe an - der Grund, warum er so wichtig für seine Mannschaft ist. Nicht weit entfernt von den österreichischen Fußballnachwuchstalenten haben gemütlich um einen Parktisch Männer aus allen Ecken Ex-Jugoslawiens Platz genommen, mit der Körperstatur eines Kriegs- oder zumindest Baustellenveterans, die in einer offenbar sehr spannenden Kartenspielschlacht verwickelt sind. Sie sind hoch konzentriert und werfen mit einem lauten Knall die Karten auf den Tisch - ähnlich wie meine Oma, wenn sie das Geld ihrer kleinen Pension zählt.

Wiese in einem Park in Wien

flickr.com/michaelpollak

Unweit von den Männern sitzt eine kleine Gruppe indischer Frauen, die wie eine Adlermutter immer ein Auge auf ihre Kleinen werfen, welche gerade auf eine Rutsche klettern.

"Diese verdammten Ausländer!", weckt mich eine Stimme aus meinen Halbschlaf und holt mich auf die Erde, pardon auf die Bank zurück. Neben mir hat eine prächtige rosawangige Frau ungewissem Alters Platz genommen. "Sie machen nur Lärm und Mist", fährt die Stimme fort, "Und wer muss dafür zahlen? Ich zahle dafür, dass sie meine Stadt verschmutzen!" Ich weiß nicht warum, aber die Frau, dessen Alter ich zwischen 60 und 100 einschätze, sieht in mir eine verwandte Seele. Ohne mich zu fragen erzählt sie mir von ihrem Leben. Sie ist vor 27 Jahren aus Ungarn nach Wien gekommen und habe geglaubt, sie wäre in eine ordentliche und saubere Stadt umgezogen. Am Anfang wäre die Stadt tatsächlich so gewesen - sauber und ordentlich. Je mehr Ausländer aber hierher gezogen sind, desto heruntergekommener sei die Stadt geworden. Jetzt sei die Lage wirklich nicht mehr auszuhalten. Die Ausländer seien überall.

Ich erwiderte nichts. Ich saß still und genoss meine Someridylle. Ich hab mich nur innerlich gefragt, ob ich eines Tages auch so werde: Ein ausländerfeidlicher Ausländer. Das wäre sicherlich schade.