Erstellt am: 10. 7. 2012 - 17:11 Uhr
Fußball-Journal '12-18.
Das die aufregende und Maßstäbe setzende Euro in Polen und der Ukraine begleitende tägliche EM-Journal 2012 hat schon Patina angesetzt.
Kehren wir zurück in die Mühen der Ebene; mit einem weiteren Eintrag in das auch heuer wieder regelmäßig publizierte Fußball-Journal '12, das wie schon in den Vorjahren (siehe Fußball-Journal '11) die heimische Bundesliga, den Cup, Nationalteam und ÖFB, den Nachwuchs, das europäische Geschäft und das Umfeld begleitet.
Heute mit einem Text zum bevorstehenden Kampf der Konzept-Trainer gegen den altösterreichischen Schlendrian und die Show-Trainer.
Es wird keine Saison wie jede andere. Denn sie wird darüber Auskunft geben, welchen Weg Österreichs Vereinsfußball einschlagen wird, die nächsten Jahre.
Das hat mit dem (vorläufigen) Ende der Ära der sportlichen Einflussnahme der hiesigen Oligarchen und Mäzene zu tun; und mit den heftigen und diesmal scheinbar wirklich ernstgemeinten Struktur-Reformen bei der Hälfte der heimischen Großklubs.
Vor allem aber geht es um den direkten Vergleich zwischen der alten Schule des nur an der Oberfläche widerwillig an die Moderne angepassten, im Kern immer noch lernresistenten "Des homma imma scho so gmocht" und der neuen Schule der (deutschen) Konzepttrainer.
Im stockkonservativen österreichischen Fußball-Klima (das der hyperreaktionären politischen Verweigerung aller Außeneinflüsse und Neuerungen geschuldet ist), ist Veränderung nur durch auch für den letzten Trottel und danach denjenigen, deren Unbelehrbarkeit noch hinter denen der Trottel angesiedelt ist (die sogenannten Experten, vormalige Stars einer vergilbten Fußball-Vergangenheit) nachvollziehbare Sofort-Erfolge von neuen Ideen möglich.
Hyballa & Schmidt gegen Schöttel-Stöger-Kühbauer
Insofern treten Roger Schmidt (Salzburg) und Peter Hyballa (Sturm) gegen Schöttel, Stöger, Kühbauer oder Pfeifenberger an, die klassischen österreichischen Lösungen, die den Weg des geringsten Widerstands symbolisieren. Bis auf den unter grotesken Umständen bestellten Pfeifenberger sind das zwar keine Show-Trainer der Marke Vastic, aber doch Vertreter der Philosophie des Nicht-Philosophie. Leute, die keinen Wert auf die moderne Sportwissenschaft, Planung, Strategien, echtes Pressing oder Mentaltraining legen, weil sie das in ihrer aktiven Karriere ja auch nicht nötig hatten. Das wäre argumentativ in etwa so sinnhaft, wie der Vorschlag der Bildungsministerin, im Unterricht auf den Einsatz von Computern zu verzichten, weil sie zu ihrer Zeit...
Beim Fußball geht sich eine derartige Dumpfgummi-Mentalität deshalb aus, weil die Definitionsmächtigen (Funktionäre, Ex-Internationale) damit populistische Vergangenheits-Sehnsuchts-Zustimmung abgreifen.
Immerhin durchbrechen seit geraumer Zeit (auch durch die völlig unerwartete ÖFB-Entscheidung pro Marcel Koller angestoßen) mehr und mehr Vereine (Musterbeispiel: Ried diese Mauer der rückwärtsgewandten Idiotie. Vor allem solche aus der 2. Leistungsstufe, der 1.Liga. Dort finden sich mit Rainer Scharinger noch so ein Konzept-Trainer und mit Thomas Von Heesen noch ein Deutscher mit eigenständigen Ideen, dazu kommen mit Martin Scherb, Alfred Tatar, Thomas Weissenböck und Damir Canadi vier Trainer mit Blickfähigkeit über den Tellerrand hinaus - auch weil sie allesamt eben nicht zum Clan der Alt-Internationalen, die einander die bequemen Jobs zuschanzen, gehören. Auch der neue Hartberg-Coach Andreas Moriggl hat sich mit Trainer-Erfolgen in der Regionalliga empfohlen.
Die 1. Liga ist bereits fast komplett in Konzept-Trainer-Hand
Die zwei klassisch sozialisierten Ex-Internationale in der 1. Liga sind Michael Streiter (der mit Aufsteiger SV Horn keinen berauschend innovativen, aber durchaus handschriftlich zuordenbaren Fußball spielt) und vor allem Adi Hütter, der mit Altach wohl aufgestiegen wäre, wenn er nicht einer politisch motivierten Palast-Revolte zum Opfer gefallen wäre. Der ausgezeichnete Stratege Hütter wird den bislang spieltaktisch gänzlich unbeleckten SV Grödig übernehmen.
Sein Pendant in der Bundesliga ist Walter Kogler, der bei Innsbruck seit Jahren ein spielerisch hochstehendes Konzept umsetzt.
Ob Heinz Fuchsbichler bei der SV Ried das Pendant zu Scherb/Canadi/Tatar ist, wird sich wohl erst in den ersten Partien weisen - es ist aber anzunehmen. Dass Franz Lederer beim SV Mattersburg über viele Jahre hin den Weg vom Rumpelkickerdompteur zum Fußball-Lehrer genommen hat, lässt sich an der zunehmend attraktiveren und zeitgemäßen Spielweise seiner Mannschaft erkennen.
Die deutschen Konzept-Coaches und die diversen österreichischen Modernisten (egal ob es die neuen Fußball-Lehrer der Marke Scherb-Schweitzer oder kluge Köpfe wie Hütter-Kogler sind) stellten diese Saison also bereits eine deutliche Mehrheit im heimischen Profi-Kick.
Und die Katastrophe Vastic hat verhindert, dass sich der Show-Trainer, der auf Geheiß der Medien, der Experten-Seilschaften und einer rein an Namen orientierten Öffentlichkeit, breitgemacht hat - bis auf die Absurdität Pfeifenberger.
Gludovatz' Opfer und Rangnicks Gegenmodell
Vor allem die Neuorientierung von Sturm Graz, die in der viele völlig verblüffenden Nomninierung des Deutsch-Holländers Hyballa mündete, hat einige Alarmglocken schrillen lassen. Die heftigen Reaktionen der Szene-Nomenklatura, die genau wusste, was dieses Engagement für die Chancen der üblichen Verdächtigen, denen der ÖFB die Trainerscheine vergleichsweise immer noch nachschmeißt, bedeutet, hat Paul Gludovatz zwar in die vorzeitige Pension getrieben - aufgehalten konnte die Entwicklung aber nicht werden.
Der neue starke Mann bei Red Bull, Ralf Rangnick, selbst ein Vater der Konzepttrainer, setzte mit Roger Schmidt in Salzburg und Alexander Zorniger in Leipzig zwei prototypische Vertreter dieser neuen Zunft ein. Das sind Trainer neuen Zuschnitts, Ausbildner, die sich um diesen ihren Beruf bemühen, sich auch selber fort- und weiterbilden. Das ist das exakte Gegenmodell zum bequemen Stehenbleibertum österreichischer Prägung, wo es genügt einmal ein paar Tore im Nationalteam gemacht zu haben, über ein bekanntes Gesicht zu verfügen und damit den Rest der Karriere durchkommen zu wollen.
Nicht dass es bei Schöttel, Stöger oder Kühbauer diesbezügliche Ansätze nicht gibt. Bislang war es allerdings - mangels innerösterreichischer Konkurrenz - für diese Alt-Internationalen auch gar nicht notwendig, mehr als das immer gerade Notwendige zu leisten.
Das wird sich, in der direkten Konkurrenz mit den neuen Klassenkollegen aus Deutschland nicht mehr ausgehen. Das sind nämlich nicht nur Streber, die sind auch exzellent darin ausgebildet, ihre Ideen plastisch auszudrücken und (be-)greifbar zu machen, öffentlichswirksam. Da werden die Homeboys mit dem muffig-kryptischen Blabla, das sie bislang als "Analyse" abgesetzt haben, plötzlich ganz alt aussehen.
Veränderung gibts nur durch Sofort-Erfolge neuer Ideen
Ein paar Tage später greift 90minuten das Thema auf und führt es weiter...
Österreichs Fußball wird diese Folklore rund um die vormaligen Teamspieler, die die Scheinwerfer der Öffentlichkeit brauchen, um mental nicht zu verhungern, nicht so leicht aufgeben wollen. Das ist vielleicht auch gar nicht nötig.
Denn wahrscheinlich würde es eine gesunde Mischung aus den zackigen deutschen Konzept-Trainern, den gewitzten österreichischen Modernisten und den tatsächlich strategisch und fußballlehrermäßig Begabten der Ex-Internationalen brauchen.
Weil die Gefahr, dass die alte Schule die neuen Entwicklungen aus purer Xenophobie wegbellt, aber allzu groß ist, benötigt das Konzeptrainertum einen durchschlagenden Erfolg. Damit sich Österreichs Fußball wieder einmal in Echtzeit bewegt und nicht nur in Zeitlupe hinterherstrampelt.