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Isabella StraubKlagenfurt

Wortlautgewinnerin 2011

8. 7. 2012 - 13:18

Reden wir Tacheles

Die gebürtige Russin Olga Martynova erhält den Ingeborg-Bachmann-Preis 2012.

Die zweite weiße Boje ist das Ziel. Einmal hin und zurück. Das ist zu schaffen, ohne das Leben einer Lektorin oder eines Agenten fahrlässig zu gefährden.

Bachmannpreis-Wettschwimmen

FM4 / Zita Bereuter

Tage der deutschsprachigen Literatur
Isabella Straub berichtet aus Klagenfurt.

4.7.: Anpfiff der Lesesportwoche
5.7.: Hauptsache Live-dabei-Gefühl
6.7.: "Definitiv keine Castingshow"
8.7.: Reden wir Tacheles

Tag 3: Am Nachmittag versammelt sich "die Branche" auf dem linken Lorettobad-Steg. Mit seinen knapp 25 Grad ist der See ohnehin nicht mehr das Gelbe vom Ei und nicht jeder hat an die schnelle Badehose gedacht. Doch anders als beim Lesebewerb zählt hier ausschließlich der olympische Gedanke. Cornelia Travnicek, die als letzte aus den Fluten steigt, trägt immerhin einen schweren Rastalocken-Dutt auf dem Kopf. Eine Schikane, die vermutliche selbst Michael Phelps zum Verhängnis geworden wäre.

Cornelia Travnicek mit Rasta-Dutt

FM4 / Zita Bereuter

Und natürlich wurde auf dem Rasen auch diskutiert. Über diese vielen (toten) Tiere im diesjährigen Bachmann-Bewerb. Über diese zahllosen Jugend- und Coming-of-Age-Stories, der blutrote, manchmal auch blutleere Faden, fest gespannt zwischen dem ersten und letzten Lesetag. In den Fugen zwischen den Lesungen und vor allem abends am Lendhafen, doch auch an den Nachmittagen am See wurde genetzwerkt, was das Zeug hielt. Ein Nebengeräusch dieser Tage der deutschsprachigen Literatur, das etwa den Leipziger Agenten André Hille ganz besonders zu begeistern vermochte.

Mal abgesehen davon hält sich die Begeisterung in Grenzen. "Trotz Tiersterben und souveräner Offenheit: Die 36. Tage der deutschsprachigen Literatur werden nicht als die Größten ihrer Art in die Geschichte eingehen", schreibt die Zeit. "Ein durchschnittlicher Jahrgang", befand auch der Berliner Agent Uwe Heldt. Keine Vernichtung, kein uneingeschränktes Lob - wenn auch die gebürtige Russin Olga Martynova, die erst mit knapp 30 Jahren nach Deutschland kam, mit ihrer souveränen Sprachartistik noch am ehesten überzeugen konnte. Am Abend speiste die Jury im "Salzamt", nun geht’s ans Eingemachte. Wer erhält den Preis? Lass uns Tacheles reden!

Preisverleihung des Ingeborg-Bachmann-Preises 2012

Olga Martynova erhält den Bachmannpreis 2012

APA / GERT EGGENBERGER

Und Olga Martynova erhält tatsächlich den Ingeborg-Bachmann-Preis 2012. Der Hauptpreis der 36. "Tage der deutschsprachigen Literatur" ist mit 25.000 Euro dotiert. Ihr Ausflug in die Welt der deutschsprachigen Prosa hat sich für die 50-Jährige also gelohnt. Martynova ist Essayistin, arbeitet auch journalistisch, bekannt wurde sie aber in erster Linie als Lyrikerin in russischer Sprache. Seit sie 1991 nach Deutschland übersiedelt war, habe sie sie am Klagenfurter Wettbewerb teilnehmen wollen, verriet die Autorin nach der Preisverleihung.

Der zweite Preis des Lesewettbewerbs geht an den Deutschen Matthias Nawrat. Er erhielt den mit 10.000 Euro dotierten Kelag-Preis für seine Geschichte über eine Familie, die ihren Lebensunterhalt mit dem Sammeln von Altmetallen bestreitet und vom Auswandern nach Neuseeland träumt.

Preisträger bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur

APA / GERT EGGENBERGER

Von links nach rechts: Die Österreicherin Cornelia Travnicek und die Deutschen Inger-Maria Mahlke, Lisa Kränzler, Siegerin Olga Martynova und der Zweitplazierter Matthias Nawrat

Der 3sat-Preis (7.500 Euro) ging an die deutsche Autorin Lisa Kränzler für ihre Geschichte über ein junges Mädchen, das vom Kindergartenalter langsam in die Pubertät gleitet. Juror Hubert Winkels, der Kränzler nominiert hatte, gab bei der Laudatio bekannt, dass der Lektor Kränzlers, der mit nach Klagenfurt gekommen war, noch vor Beginn des Wettbewerbs gestorben ist. Die Autorin bewältigte die Belastung, mit dieser Hypothek in die Lesung zu gehen, aber souverän.

Den mit 5.000 Euro dotierten Ernst-Willner-Preis holte sich Inger-Maria Mahlke. Der Publikumspreis in der Höhe von 7.000 Euro ging an Cornelia Travnicek. Herzlichen Glückwunsch.