Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Ceausescus Fahrrad für die Gegenwart"

Eva Konzett

Korrespondentin des Wirtschaftsblattes in Bukarest

7. 7. 2012 - 17:30

Ceausescus Fahrrad für die Gegenwart

Alex und seine Freunde haben das Fahrrad Pegas neu aufgelegt, das "einzig gute, das im Sozialismus kreiert wurde".

Ein Land, das keine eigene Fahrrad-Marke hat, ist kein zivilisiertes Land, sagt der Rumäne Alex. Deshalb haben er und drei Freunde das Fahrrad Pegas, unter Ceausescu der Wunsch eines jeden Kindes, neu und für Erwachsene aufgelegt.

Das orange Modell gibt es auch im Damenrahmen, mit Einstiegshilfe für den Rock. Der langgezogene Sattel verhindert jeden Absturz, die breite Lenkstange garantiert einen bequemen Sitz. Die ersten Meter der Jungfernfahrt auf dem früheren Prachtboulevard Magheru im Bukarester Zentrum verlaufen trotz alledem nicht schnurgerade – der siebenspurige Boulevard lässt keinen Zweifel daran, wer im Duell zwischen Auto und Fahrrad der Stärkere ist - und dass letzteres hier nur geduldet wird. Fahrradstreifen befinden sich wie die gesamte Infrastruktur des Landes in eher gemächlichem Ausbau. Wahrscheinlich auch deshalb, weil es insgesamt noch sehr wenige Fahrräder gibt. Der gemeine Rumäne zeigt weiterhin anhand seines Autos, was er hat.

Ciclop-Hauptquartier

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Damals, unter der Führung des Diktators Nicolae Ceausescu, war das bei Gott nicht viel. Und es wurde im Laufe der 80er Jahre immer weniger. In einer Zeit, in der die Erwachsenen jahrelang auf den ersten Dacia warten mussten, galt das eigene Fahrrad unter Kindern als Privileg. Ein eigenes Pegas mit dem Banana-Sattel indes blieb in jenen Tagen ein oft unerfüllter Kindertraum.

In der siebenbürgischen Stadt Brasov, ziemlich in der Mitte Rumäniens, hatte die lokale Rüstungsfabrik einst in einer Nebenlinie Fahrräder hergestellt. 27 Pegas-Modelle wurden neben Raketen und Munition produziert, der Großteil davon für Kinder. Wie viele andere Unternehmen hat die Rüstungsfabrik unter den neuen marktwirtschaftlichen Bedingungen nach der Revolution 1989 nicht überlebt, auch die Fahrradproduktion wurde schließlich eingestellt. Vergessen wurde die Marke Pegas, nach einem US-amerikanischen Beach Cruiser-Patent gebaut, hingegen nicht.

Werkstätte

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Das Ciclop-Gebäude war einst das erste Parkhaus der Haupstadt überhaupt

Vor drei Jahren haben Alex und seine drei Freunde Pegas erneut beim Patentamt angemeldet. Aus dem Kopf heraus, wie Alex sagt. Technische Zeichnungen des Rahmens oder Produktlisten gab es nicht mehr. Das Fahrrad wurde mit Hilfe der eigenen Erinnerung nachgebaut. Das Pegas von heute erinnert trotzdem an das Kinder-Pegas von damals. „Wir haben die Marke, den Namen und das Pegasus-Emblem übernommen“, kommentiert Alex - „Und sie den heutigen Anforderungen an Qualität und Aussehen angepasst.“ So wurde der Banana-Sattel noch länger, die Beach-Cruiser-Lenkstange garantiert Armfreiheit, die Sitzposition ist kerzengerade, die Farben stechend scharf.

Zeichnung

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Pegas auf Papier...

Die Rahmen werden aus Kostengründen in Taiwan bestellt, die Pedale kommen aus Tschechien, die Reifen von einem internationalen Reifenhersteller. Zusammengebaut werden die Fahrräder aber in der kleinen Werkstatt, die dem Verkaufsraum nahe der Altstadt angeschlossen ist. Es ist ein Ort, in dem nicht zum ersten Mal an fahrbaren Untersätzen geschraubt wird: Das Ciclop-Gebäude war das erste Parkhaus der Haupstadt überhaupt. Mit seiner modernen Front definiert es bis heute den Charakter des Magheru-Boulevard, der seit den 30er Jahren die beiden Plätze Unirii und Romana – wenn auch mittlerweile etwas verstaubt - in einer Achse verbindet. 1926 schufen die Architekten des Boulevards hinter einer künstlichen Fensterfassade Parkmöglichkeiten für die Statussymbole der aufkommenden Bürgerschaft, welche die für Rumänien „goldenen“ Zwischenkriegsjahre für sich zu nutzen wusste. Nach der Machtübernahme der Sozialisten wurde der Begriff Ciclop im ganzen Land synonym für Autowerkstatt verwendet, in den verlassenen Büros in den oberen Etagen des Gebäudes finden sich bis heute Ersatzteilverzeichnisse und Zulieferkataloge. Umsonst: Das Parkhaus wird gegenwärtig im Zuge eines Restitutionsstreits nicht mehr verwendet.

Fahrrad

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... und in echt.

Im Innenhof von Ciclop haben unterdessen seit drei Wochen die „Ateliere Pegas“ geöffnet. „Das Gute kommt zum Guten zurück“, sagt Alex. Insgesamt 700 Fahrräder sollen im ersten Schritt vertrieben werden, so der Plan. Auch, weil der Markt noch nicht sehr groß ist. Trotzdem wurden bereits einige Räder auch in die Provinzstädte bis an die ungarische Grenze verkauft. Zwischen umgerechnet 270 und 350 Euro kostet ein Exemplar– nicht wenig für ein durchschnittliches rumänisches Gehalt.

Mann und Fahrräder

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Warum die Marke Pegas trotzdem funktioniert? „Dieses Fahrrad ist das einzig Gute, das im Sozialismus kreiert wurde. Als Kind verstehst du ein autoritäres Regime nicht, aber du freust dich über ein Fahrrad. Die Kinder dieser Zeit sind erwachsen geworden und wir geben ihnen die Möglichkeit, eine Erinnerung wieder zu besitzen“, meint Alex. Er selbst hat in jenen Tagen ein Pegas besessen – von der Mutter geerbt. „Es war ein Damenfahrrad, aber das war mir damals egal!“