Erstellt am: 7. 7. 2012 - 12:12 Uhr
Auf den Spuren von Hippokrates
Es ist Sommer in Berlin, aber die Menschen hat eine große Müdigkeit erfasst, wo man hinhört Klagen über diese lähmenden Tage. Die Berufstätigen schleppen sich mit Müh und Not zu ihren Arbeitsstellen, die Freiberufler müssen sich, kaum aufgestanden gleich wieder hinlegen und fallen dann in einen langen Mittagsschlaf, träumen heftig und kommen den Rest des Tages nicht mehr in die Höhe. Ist das noch normal, oder schon eine leichte Sommerdepression? fragen sich die besonders Wehleidigen, zu denen die Autorin bestimmt nicht zählt - aber wenn mehrere elektrische Geräte kurz hintereinander den Geist aufgeben und dazu noch eine alte, löchrige Freundschaft ganz auseinander fällt, kann man schon mal melancholisch werden.
Christiane Rösinger
„Hauptsache Raus“! empfahl ja schon Hippokrates in solchen Fällen. Im Hebbeltheater am Ufer feierte man am Samstag den Abschied von dem Intendanten Matthias Lilienthal. Regisseur Patrick Wengenroth ließ im Hau 2 mit dem Sing- und Sprechspiel „Ich bleibe doch“ die neunjährige Schaffensperiode des Intendanten Revue passieren. Nicht alle Anspielungen und Seitenhiebe verstand man als mittelmäßig Theateraffine, es ging wohl um Kulturpolitik, post-migrantisches Theater, das Sexleben der Produktionsassistentinnen und den allzu sorglosen Bürgermeister Wowereit. Der scheidende Intendant Lilienthal wurde liebevoll als außerhalb Berlins schwer vermittelbarer Workaholic dargestellt, zwischendurch wurde immer wieder schön gesungen. Wengenroth sang unbekannte Udo Jürgens Lieder und Eva Löbau brachte eine tolle Interpretation von Heinz Schenks Existenzialistenhit "Es ist alles nur geliehen". Im großen Theater HAU Eins trugen finnische Sängern Schubertlieder vor und Peaches lud zu "Karaoke mit Peaches". Sie erwies sich als gute Karaokemeisterin, die ihre Kundschaft ermunterte und die Live -Begleitband gut im Griff hatte. Im zugehörigen "Wirtshaus am Ufer" WAU, legte inzwischen schon die Performance Künstlerin Vaginal Davis auf und die ganze Theatercrowd tanzte wild, derweil draußen auf einer Videoleinwand große Theatermomente unter Lilienthal liefen. Und so stand man draußen mit etwa 800 Menschen rum, das Getränk in der Hand und dachte, dass der Sommer doch auch sehr gute Momente hat.
Rösinger
Heiß war es, tropisch schwül, und dann kam der eigentliche Star des Abends: Das Gewitter!! Blitze zuckten, krachten im Sekundentakt, man drängte unter dem Vordach, sprach über Tod durch Blitzschlag und betrachtete den prasselnden Regen, der auch auf den Bühnenaufbau der Videoleinwand niederging. Eine Plane füllte sich mit Wasser und hing bald bis zum Platzen gefüllt unter dem Dachaufbau. Gebannt starrte die Menge auf das Schauspiel, während doch vorher sämtliche Theatersperenzchen auf Großleinwand(Nacktheit, Sex, Rumschreien und sich in irren Kostümen auf dem Boden wälzen) nur mäßiges Interesse hervorgerufen hatten. Schließlich gab die Plane nach und - man weiß nicht wie viele - Hektoliter Wasser ergossen sich, begleitet von Entzückensschreien und dem Applaus des Publikums, auf den Platz vor dem WAU . "Die Natur ist doch die größte Performerin!" dachte ich, aber das hatte ja Hippokrates auch schon gesagt.