Erstellt am: 6. 7. 2012 - 20:44 Uhr
"Definitiv keine Castingshow"
Tage der deutschsprachigen Literatur
Isabella Straub berichtet aus Klagenfurt.
4.7.: Anpfiff der Lesesportwoche
5.7.: Hauptsache Live-dabei-Gefühl
6.7.: "Definitiv keine Castingshow"
8.7.: Reden wir Tacheles
Man hat sich eingegroovt. Es fühlt sich bereits an wie tausend Tage der deutschsprachigen Literatur. Jeder weiß, wo alles ist: das Klo, das Café, der Lendkanal, das Loretto-Bad, das Teatro in der Innenstadt, wo nach dem Bürgermeisterempfang noch bis halb vier Uhr morgens (die Literatur, logisch) gefeiert wurde. Das könnte jetzt noch eine Zeitlang so weitergehen. Geht es natürlich nicht. Während der erste Tag eher mau war, knospen nun zart die ersten Favoriten am Wort-Horizont. Favoritinnen, um genau zu sein: Martynova und Kränzler ernteten viel Lob, aber auch die Österreicherin Travnicek bekam Freundliches aus Juroren- und Jurorinnenmund zu hören.
Für Tom Müller aus Berlin, Lektor bei blumenbar/Aufbau, ist Kränzler bislang in der Poleposition. "Wenn ich so einen Text höre, weiß ich, warum ich diesen Job mache." Er, der das erste Mal in Klagenfurt mit dabei ist, schätzt die "ernsthafte Arbeit am Text", die hier betrieben wird. "Man hat mir erzählt, dass Autoren abgekanzelt werden und die Juroren eitel sind. Diesen Eindruck kann ich gar nicht bestätigen. Das ist hier keine Casting-Show, sondern es geht um die Frage: Was kann Literatur leisten? Die Besprechungen kommen jedenfalls zum Kern."
Isabella Straub
Zum Kern kommt auch Gesa Jung, freie Lektorin und Agentin in Leipzig. Zum Marillenkern nämlich. Jung hat es sich im Garten des Landesstudios bequem gemacht, Baby Lisa Annegret rollt sich auf der Decke. Durchaus familientauglich, diese Veranstaltung. "Sehr angenehm", sagt Jung, ebenfalls Klagenfurt-Novizin. "Ich hatte mir das viel offizieller und größer vorgestellt. Es ist aber fast schon familiär hier, man ist schnell mit allen im Gespräch." Ob sie sich vorstellen kann, was in den Autoren vorgeht, die kurz vor der Lesung stehen? "Das ist schon sehr hart", sagt Jung, "schließlich entblößt man sich vor hier vor allen, gibt so viel von sich preis."
Apropos entblößen: Der Nachmittagsausflug zum See fällt zum zweiten Mal ins Wasser, ein Sturm braust auf und lässt Texte regnen. Die Übertragung aus dem ORF-Theater bricht ab, man flüchtet in die Aula.
APA/GERT EGGENBERGER
Dort steht bereits Marianne Fischer, Kulturredakteurin der Kleinen Zeitung. Sie kann sich noch daran erinnern, wie es war als "quasi jeder" zum Bachmannpreis antreten konnte. Ohne auch nur eine Seite veröffentlicht zu haben. Kapitale Verrisse waren die Folge. Und Kandidaten, zu denen nicht mal der eigene Juror hielt, weil sie etwa einen Text vorlasen, der mit dem eingereichten nichts zu tun hatte. "Das hat sich schon unheimlich professionalisiert in den letzten Jahren", sagt sie. "Und man hört die Literaturschulen heraus." Mal sehen, was man am morgigen, letzten Tag heraushört. Abgesehen vom Wörthersee-Geplätscher.