Erstellt am: 5. 7. 2012 - 16:01 Uhr
Economy Death Match: ESM/Fiskalpakt
Am 4.7. wurden also im Nationalrat sowohl der ESM, also der dauerhafte Krisenfond für notleidende Staaten und Banken, sowie der Fiskalpakt verabschiedet. Oder besser gesagt die Zustimmung zu beiden EU-Projekten.
Beim ESM bedurfte es einer zwei Drittel Mehrheit, mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und Grünen ging sich das aber aus - sehr zum Missfallen von FPÖ, BZÖ und dem auf der Galerie anwesenden Thilo Sarrazin.
Beim begleitenden Fiskalpakt, der Budgetziele künftig von der nationalen auf die europäische Ebene hebt, stimmten die Grünen wie auch eine SPÖ-Abgeordnete dagegen, so wurde der Beschluss nur mit einer einfachen Mehrheit der Regierung angenommen.
Das könnte noch deswegen problematisch werden, da in Deutschland bereits Klagen beim Verfassungsgerichtshof vorliegen und sich die dort notwendige Absegnung durch den Bundespräsidenten dadurch verzögert. Denn der Fiskalpakt beschränkt die souveräne Budgethoheit der einzelnen Staaten künftig, daher sind viele Verfassungsexperten der Ansicht, dass sehr wohl auch hier eine zwei Drittel Mehrheit nötig ist.
Dieser Verlust an Souveränität ist es auch, was FPÖ und BZÖ so erzürnt, eine breite Allianz von eben diesen beiden Parteien, über linke NGOs wie ATTAC bis zu Rebellen in der SPÖ oder bei den Grünen ist gegen diese Maßnahmen.
Bemerkenswert war übrigens auch eine Parlaments-Umfrage der Tageszeitung "Der Standard", wo zahlreiche Abgeordnete enorme Wissenslücken zeigten und teilweise offenbar nicht restlos aufgeklärt waren, was sie da überhaupt beschließen.
flickr.com/photos/pt109/, e.roeske
Economy Deathmatch
Wirtschaft im Streitgespräch von Robert Zikmund und Paul Pant
Sind diese Verträge nun also ein notwendiges Übel um der Euro-Schuldenkrise endlich Herr zu werden, oder sind sie, wie Strache meint, der Weg ins Verderben einer Schuldenunion? Paul Pant und ich versuchen dies bei einem verbalen Boxkampf zu erläutern - Ring frei!
PRO
Versuchen wir vielleicht ein bisschen Aufregung aus der Geschichte zu nehmen, panische Reaktionen bringen in so einer Situation ebenso wenig wie stumpfer Populismus - der natürlich für die HCs dieser Welt das täglich Brot ist.
Der gesamte Maßnahmenkatalog, der sich hinter ESM/Fiskalpakt verbirgt, ist ja über weite Strecken ein Kompromiss, wie er eben entstehen muss, wenn so unterschiedliche Kräfte wie Merkel und Hollande sich einigen müssen. Da gibt es noch immer unterschiedliche Positionen, so möchten etwa die Franzosen aber auch Kanzler Faymann eine Bankenlizenz für den ESM, im Großen und Ganzen hat man sich aber eben auf diese beiden Grundpfeiler geeinigt.
Zum einen braucht es eben eine dauerhafte Krisenvorbeugung, eine Art Schirm für den erneuten (und absehbaren) Fall, dass Länder wie Griechenland, aber auch etwa Banken wie aktuell in Spanien, zahlungsunfähig werden. Denn eine solche Situation hat und da sind sich die meisten einig, das Potenzial die Eurozone zu sprengen. Insofern ist es zwar moralisch natürlich ambivalent, praktisch aber unumgänglich, dass man beispielsweise aktuell den Spaniern hilft, das Riesenproblem mit ihren Banken zu lösen. Müsste Spanien dies alleine stemmen, wären sie in kürzester Zeit selbst in einer griechischen Situation, was die Schulden betrifft.
Hier kann der ESM künftig also eingreifen, mit einer Feuerkraft von 500 Milliarden Euro - von denen der Großteil allerdings nur Garantien sind, also kein Geld fließen muss.
Österreich kostet dieser Pakt etwa 2 Milliarden in Cash, das ist natürlich sehr viel Geld, vergessen darf man aber eben auch nicht, wie stark unser Land seit über zehn Jahren von der gemeinsamen Währung profitiert hat - dieser Preis also schon in einer guten Kosten-Nutzen-Relation steht.
Außerdem ersparen sich Österreich oder Deutschland aktuell jene Summen an Zinsen, die viele südliche Staaten zu viel zahlen: Während etwa Spanien an der kritischen Grenze von sieben Prozent herum schrammt, liegen unsere Zinsen sogar unter der Inflationsrate, was einer Art Geschenk gleicht.
Und hier soll eben jetzt ein Ausgleich geschaffen werden, eben durch mehr Gemeinschaft.
In einer ähnlichen Situation standen einst auch die USA, wo südliche Bundesstaaten weit hinter den reichen Ecken wie New York hinterher hinkten, erst im Zuge eines Zusammenrückens, eben auch bei der Geldaufnahme, konnte diese Lücke geschlossen werden und so eine Erfolgsgeschichte einläuten.
Wenn Staaten wie Spanien von den Finanzmärkten durch Wetten in den Abgrund gezogen werden, muss eben die Gemeinschaft einspringen. Sie garantiert durch die gute Bonität der Gemeinschaft mit einer starken Zentralbank im Rücken, billigeres Geld zur Verfügung stellen.
Und genau das soll der ESM tun.
Auch wenn der mitbeschlossene Fiskalpakt ein kleiner Wehrmutstropfen ist, aber ohne Verpflichtung zu Budgetdisziplin hätte es den Kompromiss eben auch nicht gegeben.
Und weil dauernd von einer Diktatur gefaselt wird: Das ist doch der blanke Profilierungsversuch von den immer gleichen Populisten! Haben die etwa vergessen, wer in das Gremium des ESM berufen wird? Die Finanzminister! Das bedeutet also, dass Maria Fekter dort für Österreich mitreden darf, und da es bei heiklen Frage wie etwaiger Kapitalerhöhungen Einstimmigkeit braucht, ist Panik nicht angezeigt.
Noch dazu haben die Grünen einen Passus ausverhandelt, so dass der österreichische Nationalrat hier ein Kontrollrecht behält. Insofern ist die Angst vor dem Ende der demokratischen Souveränität wieder nur ein Werkzeug, mit dem die Populisten auf Stimmenfang gehen.
CONTRA
Es gibt so viele Ansatzpunkte diesen ESM zu kritisieren, dass ich kaum weiß, wo ich anfangen soll. Mal abgesehen von den richtigen-demokratiepolitischen Einwänden der FPÖ, die man ruhig auch mal für richtige Entscheidungen loben darf, gibt es eine ganze Kiste voller ökonomischer Fallen, die sich hinter dem ESM verbergen.
Um eingangs gleich mal klarzustellen: Noch nie in der Geschichte konnten Schuldenkrisen (und dies ist bei weitem nicht die erste) durch noch mehr Schulden gelöst werden.
Was planen die Politiker denn konkret?
Nach Jahrzehnten des Stimmenfangs auf Pump und befeuert durch eine falsch konstruierte Währungsunion bricht das Kartenhaus aus Schulden, Zinsen und Zinseszinsen nun über uns zusammen. Wir haben also tatsächlich lange Zeit mehr ausgegeben, als wir hatten, in Österreich wie in Griechenland, wiewohl dort die Situation natürlich noch dramatischer ist, da sie keine funktionierende Wirtschaft haben.
Zur Verfügung hat den Politikern das Geld ihre Zentralbank gestellt, ausgeweitet wird dieses ungedeckte "funny money" durch die privaten Banken - so konnte man seit Aufgabe jeder Deckung, spätestens ab 1971, mit beiden Händen ausgeben - mit einem Goldstandard wäre das nicht gegangen.
Dahinter steckte der keynesianische Voodoo-Irrglaube, man könne sich "reich konsumieren". Sparen wurde immer unattraktiver, denn nur Konsum kurbelt die Wirtschaft an - so hat man die Leitzinsen immer weiter gesenkt, damit die Sparquote erdrosselt und schließlich immer mehr Schulden gemacht, bzw. immer mehr Geld drucken lassen. Also Inflation geschaffen.
Wenn nun der vulgär-keynesianische Mainstream noch mehr Konsum und noch mehr Geld will, die EZB auffordert spanische Anleihen zu kaufen - dann entspringt das genau dieser Logik, die uns in Österreich seit Kreisky ins Verderben reitet.
Denn wenn eine Billion mehr Geld am Markt ist, die Gütermenge aber gleich bleibt, dann steigt nicht der Reichtum, dann steigen bloß die Preise.
Bereits Keynes selbst hat darin ein Werkzeug gesehen, wie man Arbeitnehmern weniger Lohn bezahlen muss, obwohl sie am Lohnzettel nominal eine höhere Summe stehen haben.
Und genau das steckt auch hinter der aberwitzigen Geldmenge die aktuell, auch wieder durch den ESM, in den Markt geblasen wird und so jedes marktwirtschaftliche Gleichgewicht ruiniert.
Es ist fast bizarr, dass sogar stramm-linke Autoren wie Robert Misik an diesen Unsinn glauben und in ihrem "Wachstums-Eifer" sogar übersehen, dass nun mit unserem Steuergeld spanische Zockerbanken subventioniert werden.
Und dann die Verve haben, mit Angela Merkel die einzige zu attackieren, die diesem Treiben noch irgendwas entgegensetzt - als sie meinte, Eurobonds werde es "nicht geben solange sie lebt", war das durchaus ein mutiger Schritt.
Auch wenn die linke Schulden-Allianz von Frankreich bis zur Kommission nun offenbar wieder die Oberhand gewinnt.
Drollig mutet es auch an, wenn einer wie Misik die vermeintliche Richtigkeit dieses Harakiri damit "rechtfertigt", dass nach Merkels vermeintlichem Nachgeben die Aktienkurse so stark zulegten. Wo soll denn die ganze überschüssige Liquidität, gerade in Krisenzeiten, hin, wenn nicht in den Aktien-, Immobilien- oder Edelmetall-Markt?
Die Politiker verkaufen dem Wähler, wie immer, also auch diesen ESM Wahnsinn als "alternativlos" und nehmen damit die unvermeidliche Geld- und Kreditausweitung in Kauf. Damit wird das Schuldenproblem einerseits verzögert und andererseits aber auch verschlimmert - jedenfalls aber nicht bekämpft.
Bedient wird einzig und allein die Eitelkeit der politischen Klasse, dass sich die Grünen hier andienen sollte, auch zu denken geben.
So hat man sich eben bis zur nächsten Wahl oder bis zum nächsten Krisengipfel ein wenig Zeit erkauft - quasi eine Art Abwrackprämie im ganz großen Stil.
Nebenbei bemerkt gelangen wir auch langsam an die Grenzen des Konsum-Irrsinns, schon jetzt wird die Binnennachfrage nur mehr dadurch aufrecht erhalten, dass man den Menschen einredet, auch der dritte Flatscreen oder das fünfte Handy sind lebensnotwendig.
Nach wie vor bewahrheitet sich also der Lehrsatz, dass politische Interventionen am Markt immer nur zu einer Verschlechterung führen und damit weitere Interventionen nötig machen. Gerade die absurde, zentral-sozialistische Geldpolitik ist das Paradebeispiel.
Vielleicht sollten sich die Bürger darauf besinnen, ihren Politikern zu verbieten, dauernd irgendetwas zu "retten" - wir müssen durch die Krise, denn die Krise ist die natürliche Bereinigung - jeder Versuch dies noch weiter zu verschleppen wird das Aufwachen nur umso schmerzhafter machen.
Das hat übrigens auch Herr Sarrazin in seinem aktuellen Buch so ausgedrückt, aber das lesen die Linken ja gleich gar nicht, weil er "ein Rassist ist".
Gerade die Eurozone, wo die Einzelstaaten nicht über Abwertungs- und Inflationsinstrumente verfügen, hätte die Chance zu einer vernünftigen Geldpolitik, die auf Voodoo verzichtet.
Der ESM und damit weitere hunderte Milliarden an neuen Schulden, um damit alte Schulden zu solidarisieren, ist jedenfalls sicher der falsche Weg.
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