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Isabella StraubKlagenfurt

Wortlautgewinnerin 2011

5. 7. 2012 - 18:11

Hauptsache Live-dabei-Gefühl

Reden wir mal nicht über die Texte. Sprechen wir übers Zuhören.

Tage der deutschsprachigen Literatur
Isabella Straub berichtet aus Klagenfurt.

4.7.: Anpfiff der Lesesportwoche
5.7.: Hauptsache Live-dabei-Gefühl
6.7.: "Definitiv keine Castingshow"
8.7.: Reden wir Tacheles

Eine Platitüde am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen. Also: Ja, es ist heiß. Sengende Sonne und so. 3sat hat für seine Moderatorin Cécile Schortmann ein Planschbecken aufgeblasen, von dem aus sie moderiert. Dennoch wollen Massen im Studio sitzen: Eine Stunde vor Lesungsbeginn schon eine Menschentraube vor dem ORF-Saal. Kampf um die Sitzplätze mit Zähnen und Klauen. Schweißfilm auf der Haut, getriggert durch die enormen Lampen, die man für Fernsehaufnahmen eben braucht. Die Klimaanlage tut, was sie kann, doch bald schon ist sie am Ende ihrer Künste angelangt. Manche haben Getränke mitgebracht und das ist vorausblickend, denn die nächsten drei Stunden gibt es kein Vor, kein Zurück.

AutorInnen warten auf Bierbänken beim Bachmannpreis

Johannes Puch / Tage der deutschsprachigen Literatur

Dann: der Sound der Lesung. Das Rascheln beim kollektiven Umblättern. Geschulte Stimmen, kein Verhaspeln, alle bestens vorbereitet. Rechts und links nackte Oberschenkel, weniger Platz als in der Holzklasse einer Billigairline, aber dafür Live-dabei-Gefühl. Es steht einem garantiert immer ein Kameramann im Blickfeld, manchmal auch zwei, aber dafür Live-dabei-Gefühl. Was man aus der Nähe sieht: die Haken der Halsketten an den Nacken der Damen in der Vorderreihe. Was man aus der Nähe riecht: Parfum, das seinen Geist aufgibt. Aber Live-dabei-Gefühl.

Frau liegt in der Wiese

Johannes Puch / Tage der Literatur

Die gute Nachricht: Die Tage der deutschsprachigen Literatur expandieren. Räumlich. Nicht im Studio, da ist alles ausgereizt, doch die Bierbänke und Stehtische im ORF-Garten scheinen sich stündlich zu vermehren. Empfehlung des Tages: Unter einem alten Stamm sitzen, Gras unter den (nackten) Füßen, ein kühles Getränk in der Hand, die Augen auf den Bildschirm gerichtet. Alles ganz zwanglos.

Zweite Empfehlung: die Topfengolatsche im Café. Aber bitte: früh genug da sein! Das Café im Erdgeschoss ist überhaupt eine valide Alternative für alle, denen es oben im Studio zu eng und draußen im Garten zu heiß oder zu wurlig ist. In der Pause kann man dann immer noch raus an die frische Luft und die gut angezogenen Juroren von der Nähe betrachten. Auch die Autoren, die vor ihrer Lesung eher nicht ansprechbar sind, können nach der Lesung angesprochen werden und geben Antwort. In den Pausen wird weiterdiskutiert über die Texte. Nicht alle sind mit allem einverstanden, aber das gehört zu den Tagen der deutschsprachigen Literatur wie der Staubzucker zur Topfengolatsche: Dass sich die Diskussionen ausdehnen bis in den späten Nachmittag, bis an den See, an dem fast alle ab 15.30 Uhr liegen, dass die Juroren etwas anstoßen, das noch lange nachwackelt. That’s Bachmannpreis.