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Zita Bereuter

Gestalten und Gestaltung. Büchereien und andere Sammelsurien.

5. 7. 2012 - 15:00

This is Water

"Wie man dreißig oder sogar fünfzig Jahre wird, ohne sich die Kugel zu geben." Die großartige College-Abschlussrede von David Foster Wallace ist jetzt als zweisprachiges Taschenbuch erschienen.

Buchcover "Das hier ist Wasser"

kiwi

David Foster Wallace: Das hier ist Wasser / This is Water. Anstiftung zum Denken. Zweisprachige Ausgabe. (Engl. / Dt.). Aus dem amerikanischen Englisch von Ulrich Blumenbach. KiWi 2012

Das Kenyon College in Ohio im Sommer 2005. Ein traditionelles amerikanisches College – ein sonniger Tag, die Studienabgänger sitzen in ihren schwarzen Talaren und typischen viereckigen Hüten im Schulhof und warten auf ihr Diplom. Dann stellt sich David Foster Wallace ans Rednerpult, den Talar nur schlampig umgeworfen und beginnt mit einer kleinen Parabel eine Rede, die Geschichte schreibt. (Die Rede gibt es auch auf Youtube - 1. Teil und 2.Teil.)

"There are these two young fish swimming along and they happen to meet an older fish swimming the other way, who nods at them and says "Morning, boys. How's the water?" And the two young fish swim on for a bit, and then eventually one of them looks over at the other and goes "What the hell is water?""

Das, was uns am nächsten ist, erkennen wir oft am schwersten, meint Foster Wallace und erklärt in einfachen und klaren Worten, worauf es im Leben der Erwachsenen ankommt. Großartig schildert er deren Alltagstrott. Das mühsame Einkaufen nach Feierabend in einer anstrengenden Shoppingmall zwischen all den Idioten, die laut und im Weg sind. Und dann erst die Heimfahrt im Auto:

"I can spend time in the end-of-the-day traffic being disgusted about all the huge, stupid, lane-blocking SUV's and Hummers and V-12 pickup trucks, burning their wasteful, selfish, 40-gallon tanks of gas, and I can dwell on the fact that the patriotic or religious bumper-stickers always seem to be on the biggest, most disgustingly selfish vehicles, driven by the ugliest [responding here to loud applause] (this is an example of how NOT to think, though) most disgustingly selfish vehicles, driven by the ugliest, most inconsiderate and aggressive drivers. And I can think about how our children's children will despise us for wasting all the future's fuel, and probably screwing up the climate, and how spoiled and stupid and selfish and disgusting we all are, and how modern consumer society just sucks, and so forth and so on."

Man kann dieses Leben führen, einfach auf Autopilot schalten, an der "Standardeinstellung" nichts ändern, sich als Mittelpunkt der Welt empfinden und dumpf vor sich hin leben.

"Das hier ist Wasser" wurde sehr gut von Ulrich Blumenbach übersetzt, der auch schon "Unendlicher Spaß" ausgezeichnet ins Deutsche übertragen hat.

Man kann aber auch sein Denken ändern. Denn die kostbarste Freiheit wird für Foster Wallace in der "großen weiten Welt des Siegens, Leistens und Blendens selten erwähnt. Die wirklich wichtige Freiheit erfordert Aufmerksamkeit und Offenheit und Disziplin und Mühe und die Empathie, andere Menschen wirklich ernst zu nehmen und Opfer für sie zu bringen, wieder und wieder, auf unendlich verschiedene Weisen, völlig unsexy, Tag für Tag. Das ist wahre Freiheit. Das heißt es, Denken zu lernen."

roof

Die AudioCD mit der Originalversion der Rede und der Übersetzung, gesprochen von David Nathan, Roof Music 2012

Foster Wallace empfiehlt den Glauben an etwas, aber nicht an Geld und Güter, Macht, Leistung oder Schönheit. Dabei spricht er aber nie mit erhobenem Zeigefinger oder wird zum Moralapostel.

Wenn man also 30 oder gar 50 Jahre alt werden wolle, ohne sich die Kugel zu geben, erklärt er, müsse man offen für das Wahre und Wesentliche bleiben und das sehen, was vor uns liegt – das Wasser. Traurig genug, dass David Foster Wallace 2008 durch Suizid aus dem Leben schied.

Wasser ist Leben. So ist es auch mit dieser Rede. Klar, rein und immer wieder erfrischend. In Amerika ist sie mittlerweile Schullektüre. Vielleicht eine der Wichtigsten. Jedenfalls, wenn sie hilft, das Wasser wahrzunehmen.