Erstellt am: 4. 7. 2012 - 10:38 Uhr
July Morning
Vor ein paar Jahren schickte ich auf Facebook einigen meiner österreichischen "Freunden" in der Nacht auf den 1. Juli den Anfang des Textes des Uriah Heep Songs "July Morning":
"There I was on a July morning looking for love.
With the strength of a new day dawning and the beautiful sun"
An nächsten Tag bekam ich nur verwunderte Antworten. "Danke sehr, aber glaubst du wirklich, dass zwischen uns so etwas laufen kann", fragten die Mädchen. "Kann es sein, dass du den Falschen angeschrieben hast", erwiderten die Jungs, die meine Nachricht bekommen haben.
Eigentlich war meine Absicht ganz unschuldig. Ich wollte ihnen zum 1. Juli gratulieren, so wie man es in Bulgarien macht. Ich ahnte nicht, dass dieser Brauch in Österreich unbekannt ist. Ich konnte gar nicht wissen, dass es den Feiertag, den man in Bulgarien liebevoll "Dzhulaja" nennt und sich auf den Song der Band Uriah Heep bezieht, sonst nirgendwo auf der Welt gibt. Dann erst erfuhr ich, was für eine Bedeutung die westliche Musik für Osteuropa hat - eine Bedeutung, von dem man im Westen nicht einmal ahnt. Danach erklärte ich meinen Freunden, die glaubten, dass ich ihnen eine Liebeserklärung mache, was ich damit meine:
Das Jahr in dem dieser Brauch erfunden wurde, liegt weit zurück in der Vergangenheit. In dem Jahr, in dem ich geboren wurde. Das ist ein Feiertag aus der Jugend meiner Eltern.

Uriah Heep
Seinen Namen hat der Feiertag vom gleichnamigen Song der Hardrockband Uriah Heep, die sehr populär bei den bulgarischen Hippies in den 80ern war. Der Legende nach entstand das Grüßen der Sonne am ersten Juli, weil ein damals junger Hippie, der heute eine Legende in der Szene in Bulgarien ist, in der Nacht zwischen dem 30. Juni und dem 1. Juli in seinem Militärdienst Wache halten musste und danach geschworen hatte, nie wieder diese Nacht alleine verbringen zu müssen.
Das erste Mal wurde July Morning im Jahr danach gefeiert, in der größten bulgarischen Stadt an der Schwarzmeerküste - Varna. Damals versammelte sich eine Gruppe von Hippies am Strand in Varna und grüßte die Sonne, während sie den Uriah Heep-Hit hörten. Zu dieser Zeit wurde "July Morning" als ein Protest gegen die herrschende kommunistische Moral empfunden. Die langen Haare, die freizügige Kleidung und die westliche Rockmusik passten nicht ins Bild des "Staates der Arbeiter und Bauern".
Und so ging es weiter... bis heute. Der Feiertag eroberte die ganze Schwarzmeerküste. Ex-Uriah Heep Sänger John Logan kaufte sich sogar ein Haus in der Nähe von Varna. So wurde eine "bulgarische" Tradition geboren, in deren Ursprung ein englischer Popsong steht.

Sumto
Heute kann sich jeder kleiden, wie er will, und sagen, was er will, doch die Popularität des Hippiefeiertages "July Morning" ist so hoch wie noch nie. Jährlich wird die bulgarische Schwarzmeerküste von tausenden jungen Menschen gestürmt, die sie meistens per Autostopp erreichen und auf den wenigen, noch nicht mit All-inclusive Reservaten bebauten Stränden Platz nehmen und auf die ersten Julisonnenstrahlen warten. Damit protestieren sie nicht mehr gegen das allesbestimmende kommunistische Regime, sondern gegen den Turbokapitalismus, der ihre und die Träume ihrer Eltern enttäuscht hat.
Liebe Freunde aus Wien, der erste Juli ist schon vorbei, aber ich wünsche euch, dass ihr für immer romantisch, jung und neugierig bleibt, ohne zu glauben, dass ich euch eine Liebeserklärung mache. Ich wünsche euch einen schönen Sommer!