Erstellt am: 3. 7. 2012 - 12:23 Uhr
"Gegen Fiskalpakt, für ESM"
Morgen soll also im Parlament eines der umstrittensten Gesetze der jüngeren EU-Geschichte beschlossen werden, oder besser gesagt gleich zwei: Der ESM, also der 700 Milliarden schwere, neue Stabilitätsmechanismus für notleidende Eurostaaten und Banken – sowie der gern als Zwilling verkaufte Fiskalpakt.
Beides wird von unterschiedlichen Seiten kritisiert. Während FPÖ und BZÖ zwar wohl gegen beides stimmen werden, zentriert sich ihre Kritik vor allem auf den ESM.
Erst letzte Woche hat HC Strache am Ballhausplatz eine Protestkundgebung abgehalten, trotz der aufgeheizten Stimmung war die Beteiligung aber für FPÖ-Verhältnisse gering.
Den beiden Oppositionsparteien rechts der Mitte geht es vor allem um den drohenden Souveränitätsverlust, der durch ESM und Fiskalpakt droht. Zwar besteht etwa bei Kapitalaufstockungen des ESM Einstimmigkeitspflicht, Österreich ist durch BM Fekter als Gouverneurin im ESM vertreten, in dringlichen Fällen könnte allerdings auch eine 85% Mehrheit reichen, da befürchten vor allem kleinere Länder, dass über sie drüber gehfahren werden könnte.
Und zusätzlich, der vielleicht noch drastischere Punkt, wird durch die im Fiskalpakt vorgeschriebene Haushaltsdisziplin die nationale Budgethoheit zumindest beschnitten. Künftig sollen Staaten die die Konvergenzkriterien für ihr Budgetdefizit nicht schaffen Strafe an den ESM zahlen, die Rede ist von 0,1 Prozent des BIP – gerade im Hinblick darauf, dass selbst Deutschland die Maastricht Kriterien (nicht mehr als 3% des BIP Neuverschuldung) auch in wirtschaftlichen guten Zeiten verletzte, darf man auf die Umsetzung gespannt sein.
Kritiker wie der keynesianische WIFO-Ökonom Stefan Schulmeister sprechen davon, dass nun alle Eurostaaten im deutschen Gleichschritt in die Sparfalle tappen sollen, denn wer in der Rezession spart, so Schulmeister, wacht in der Depression auf.
Doch auch wirtschaftsliberale, „Austrians“ und auch neoliberale Kritiker halten diese Vorlagen für Teufelswerk, ihre Kritik lautet, dass noch nie in der Geschichte eine Schuldenkrise gelöst werden konnte, in dem man mehr Schulden machte.
Ebenfalls gegen die geplanten Parlamentsbeschlüsse sprechen sich auch linke Gruppen wie ATTAC (sie wollen eher eine Tilgung der Schulden durch massive Vermögensbesteuerung) oder auch die deutsche Bundestagsfraktion „Die Linke“ aus.
Für den ESM und gegen den Fiskalpakt werden die österreichischen Grünen stimmen, ihre Zustimmung zum ESM ließen sie sich von SPÖ und ÖVP durch eine Willenserklärung zur Finanztransaktionssteuer, einer Kontrollfunktion durch den NR was den ESM betrifft und generell die Aussicht auf Eurobonds und Vermögenssteuern vergüten.
Ihre Zustimmung zum ESM ist auch nötig, da dieser Beschluss eine zwei Drittel Mehrheit erfordert – nach dem Transparenzpaket stimmen die Grünen also erneut mit der Regierung, was ihnen auch den Vorwurf eines „Steigbügelhalters“ einbringt.
Für ESM und Fiskalpakt werden also nur die Regierungsparteien stimmen, wobei die Geschlossenheit in der ÖVP (Vizekanzler Spindelegger fiel zuletzt durch Vorstöße in Richtung eines noch stärkeren Europas auf) größer ist als jene in der Kanzlerpartei SPÖ.
Teile der SPÖ waren vor allem dem Fiskalpakt gegenüber immer kritisch, vor allem wegen ähnlicher Bedenken wie sie Schulmeister oder auch die Arbeiterkammer äußern, trotzdem konnte man damit rechnen, dass der rote Parlamentsklub einstimmig beschließt.
meineabgeordneten.at
Das ist nun nicht mehr so.
Ich hatte heute, am Vortag der Abstimmung, die Möglichkeit mit der SPÖ Nationalratsabgeordneten Sonja Ablinger zu telefonieren, und habe sie gefragt, warum sie gegen den Fiskalpakt, aber für den ESM stimmen wird.
„Weil der Fiskalpakt mit seinem Regelwerk nicht die Ursachen der Krise löst, sondern im Wesentlichen die Situation verschärfen wird. Weil er die Staaten zwingt im Abschwung zu sparen. Das wird dazu führen, dass wir in eine wirtschaftlich noch viel schwierigere Situation kommen. Insofern ist das Regelwerk des Fiskalpakts völlig falsch.“
Der Fiskalpakt wird von der EU als Zwilling des ESM behandelt, heißt das, dass Sie dem ESM dann auch nicht zustimmen werden?
„Nein, das heißt es nicht. Erstens ist das eine politische Interpretation, dass es das eine ohne das andere nicht gibt, ich würde das fast gegenteilig sehen. Ich stimme dem ESM zu, weil das ein Rettungsschirm ist, der grundsätzlich sinnvoll ist. Aber wenn man will, dass dieser ESM mit seinen Geldern eine Chance hat muss man eigentlich umgekehrt gegen des Fiskalpakt sein, weil er die Kassenlage der Länder dramatisch verschärft.“
Aber Griechenland hat doch etwa schon die letzten 10 Jahre billig Geld bekommen, wäre das ohne Fiskalpakt nicht einfach die Prolongierung dieser Misswirtschaft?
„Die wirklich dramatischere Ursache warum in Europa in dieser Situation sind ist, weil man in einer Währungsunion die zentrale Regel missachtet hat. Wenn man nicht mehr gegeneinander abwerten kann, muss sich jedes Land für sich an eine bestimmte Inflationsrate halten, um eine gleichen Anstieg der Preise und Lohnstückkosten zu erhalten. Wenn man das nicht tut, passiert eben was gerade passiert, nämlich das Auseinanderdriften.
Diese Regel hat Deutschland sehr viel mehr missachtet als etwa Griechenland, dort wo Griechenland bei Inflation und Löhnen überboten hat, hat Deutschland sehr viel mehr unterboten, dadurch haben sich enorme Ungleichgewichte aufgebaut. Irre Überschüsse auf der einen Seite und dramatische Defizite auf der anderen. Das ist die zentrale Regel in einer Währungsunion. Dass die Staaten in diese Schwierigkeiten kamen hängt außerdem im Wesentlichen – und das sollte man nicht vergessen, Stichwort Lehman - von der Bankenkrise und den Folgen ab. Staaten haben sich verschuldet um Banken zu retten, man sollte die Dinge nicht umdrehen, was aber leider gerne gemacht wird in der EU.“
Wenn ich das zusammenfassen darf, Ihre Argumentation klingt sehr ähnlich wie das, was man etwa von Herrn Schulmeister, der Arbeiterkammer oder der Sektion 8 hört, wo auch oft mit diesem deutschen Lohndumping argumentiert wird. Warum ist diese Position gerade aber in einer sozialdemokratischen Partei so marginal?
„Innerhalb von Partei, Gewerkschaft und Arbeiterbewegung glaube ich, dass es sehr viel mehr gibt, die das teilen. Im Klub ist das nicht so.“
Warum?
„Das ist eine schwierige Frage, ich kann das nicht beantworten. Möglicherweise weil man eher den Sachzwang sieht, oder keinen Ausweg sieht. Ich sehe das nicht so.“
Noch wird gestritten ob es für den Fiskalpakt, wie für den ESM, auch eine zwei Drittel Mehrheit braucht, da gehen die Meinungen noch auseinander, Ihre Partei meint eine einfache Mehrheit reicht, wie sehen Sie das?
„Ich habe die Analysen der Herren Mayer und Funk gelesen und beim Parlaments Hearing war ein Wissenschaftler der Uni Salzburg, der auch darauf hingewiesen hat, dass es eine zwei Drittel Mehrheit braucht. Ich finde diese Argumente haben etwas für sich, aber ich will mich da noch mehr vertiefen, aber ich teile die Demokratie-politischen Bedenken.“
Aber Sie rechnen damit, dass morgen trotzdem beides beschlossen wird?
„Ja, ich glaube schon.“