Erstellt am: 1. 7. 2012 - 11:23 Uhr
Wenn der Pope mit der Faust droht
Nein, das hier wird kein Wochenendspaziergang. Wer zu spät komme, der werde nicht mehr reingelassen, hatten die Veranstalter im Vorfeld verkündet. Wer schließlich den Einheits-Boulevard, wo die Gay Pride 2012 in Bukarest stattfindet, erreicht, erkennt schnell warum. Mehrere Gruppen von Polizisten haben sich bereits zwei Stunden vor der Parade strategisch platziert, das Areal, in dem sich die Demonstranten versammeln wollen, ist abgeriegelt, die Stimmung angespannt. Am Einlass werden insbesondere Männer mit gewöhnlicher Kleidung kontrolliert – immer wieder hatte es in den vergangenen Jahren gewaltsame Übergriffe gegen die Teilnehmer der Demonstration gegeben.
Dazu wollen es die Uniformierten am Samstag nicht kommen lassen. In ihrer rüstungsartigen Montur schwitzen sie in der heißen Bukarester Abendsonne, der Knüppel behindert die nervösen Männer bei der Ausweiskontrolle. Wer zu spät kommt, muss also draußen hinter den Eisengittern bleiben, gemeinsam mit den Gegendemonstranten, die sich ebenso positioniert haben.
Eva Konzett
Eine ältere Frau will auf Fragen erst antworten, nachdem ich ihr versichert habe, keine „Lesbierin“ zu sein. Ihre Wortwahl macht deutlich, dass sie nicht daran denkt „mit solchen Ratten“ zu reden. Die Pulsadern müsste man den Demonstranten aufschneiden, sagt sie: „Und dann die Haut wie bei einer Konservendose aufrollen.“
Die aufgelassene, volksfestcharakterliche Stimmung der Gay Pride in Wien, hier in Bukarest sucht man sie vergebens. In der rumänischen Hauptstadt herrscht kalter Krieg bei diesem Thema, ein Krieg der Weltanschauungen derer, die sich „drinnen“ befinden und jener draußen. Vorerst hat sich nur ein kleines Grüppchen an Gegnern mit Sicherheitsabstand formiert. Manche beten, die Rosenkränze laufen geduldig über ihre Finger. Die ältere Frau erbost sich erneut. Man müsse die Aufgaben, die Gott einem gegeben habe, annehmen, meint sie. So schwierig sie auch sein mögen – und lässt dabei durchklingen, dass Homosexualität die lebenslange Pflicht beinhalte, dagegen anzukämpfen.
Eva Konzett
Eva Konzett
Die Intoleranz der rumänischen Bevölkerung gegenüber Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgender-Menschen ist ein generationsübergreifendes Phänomen. Sie wächst sich nicht aus, indem die nachkommenden Generationen, mehrheitlich aufgeschlossen, das alte Gedankengut sukzessive verdrängen. Einer Studie der Soros-Stiftung von 2011 zufolge lehnen drei von vier Rumänen im Alter von 14 bis 18 Homosexuelle als Nachbarn ab. Keine Minderheit stößt im Land gegenwärtig auf mehr Ablehnung. Dieses Ergebnis dürfte zynisch angemerkt nur die Roma erfreuen, die sich in einschlägigen Umfragen ansonsten immer auf dem letzten Platz wiederfinden. Einen Beitrag dazu liefert wohl auch die orthodoxe Kirche, zumal diese in der rumänischen Gesellschaft noch entscheidenden Einfluss ausübt. Nachwuchssorgen wie etwa ihre römische Schwester kennt die Institution nicht.
Ein Priester läuft – in seiner schwarzer Kleidung und dem langem Bart unweigerlich erkennbar – vorbei. Seinem Kopfschütteln folgt die Faust, die er den Demonstranten entgegenstreckt. Sein Instrument ist offenbar weniger der Rosenkranz als offene Ablehnung. „Er will uns in der Hölle sehen“, sagt ein Demonstrant neben mir. Sein Gesicht hat er hinter einer großen Sonnenbrille und einem für die herrschenden Temperaturen viel zu dicken Schal versteckt. „Nun“ meint der junge Mann weiter: „dann will ich auf der Erde davor aber noch ordentlich Spaß haben“ und dreht zu den Luftballonen, die eine Delegation der US-amerikanischen Botschaft aufbläst, ab.
Dieser „Spaß“ war für schwule rumänische Männer bis nicht vor allzu langer Zeit noch mit empfindlichen Strafen verbunden. Erst 2002 wurde in Rumänien Homosexualität im öffentlichen Raum entkriminalisiert – auf massivem Druck von Seiten der Europäischen Union, in die das Land seit 1993 eintreten wollte. Brüssel beim Thema Minderheitenschutz herauszufordern, das wussten auch die damaligen Machthaber in Bukarest, hätte die Beitrittsbestrebungen empfindlich gestört. So wurde ein Gesetz in Kauf genommen, um die wirtschaftliche und politische Zukunft des Landes im Schoße Europas zu sichern. Dem gesellschaftlichen Konsens indes, entspricht das Gesetz kaum.
Eva Konzett
Die achte Gay Pride-Parade, von der NGO accept organisiert, erreicht in der Zwischenzeit den Volkspalast, die Irrburg, die der Diktator Nicolae Ceausescu entgegen jeder Vernunft in den 80er Jahren in Bukarest hochziehen ließt. Wo sich ansonsten ein großer Parkplatz befindet, tanzen etwa 200 Menschen für mehr Toleranz. Der US-amerikanische Botschafter spricht ihnen Mut zu.
Die Parade wurde mit großer Unterstützung ausländischer Botschaften organisiert. Dabei war bis vor kurzem nicht klar, ob sie überhaupt stattfinden kann.Wiederholt musste der Termin verschoben werden, die letzte Genehmigung von Seiten des Rathauses Bukarest haben die Veranstalter überhaupt erst am Vortag des Ereignisses bekommen. Auf der Gegenseite hat am selben Tag die rechtsextreme Gruppierung „Neue Rechte“, die die Gay Pride in den vergangenen Jahren immer wieder blutig störte, um die Mittagszeit zu einem „Marsch für die Normalität“ aufgerufen. Auch diese Demonstration findet bereits seit Jahren statt.
Eva Konzett
In diesem Jahr gibt es jedoch keine Zwischenfälle, in der von der Polizei abgeschirmten Blase bewegt sich der Demonstrationszug in Richtung Izvor-Park. Selbst die Passanten können dem Zug nur aus 30 Meter Entfernung zuschauen. In der Pufferzone patrouillieren die aufgemotzten Polizisten. Dahinter tanzt, pfeift und johlt der bunte Haufen. „Ich bin froh, über die Polizeipräsenz“; sagt eine der Organisatorinnen. „Das heißt, dass uns nichts passieren wird. Gerade in den ersten Jahren der Gay Pride sind wir gewaltsam attackiert worden. Aber heuer scheint zum Glück alles ruhig zu verlaufen“.
Trotzdem rät der Ordnungshüter beim Ausgang, all die Regenbogenfähnchen, Brillen und Ballone im abgesperrten Areal zu lassen. „Es ist zu ihrer eigenen Sicherheit“, betont er - „Wer weiß, wer am U-Bahn-Aufgang noch wartet.“