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Markus Keuschnigg

Aus der Welt der Filmfestivals: Von Kino-Buffets und dunklen Sälen.

28. 6. 2012 - 18:18

Und immer, immer wieder geht die Sonne auf

Dieses Wochenende gibt es eine der sehr seltenen Gelegenheiten eine Peking-Oper in Österreich zu sehen.

In der westlichen Welt wird China vor allem als Problem wahrgenommen. Dort werden Menschenrechte nicht respektiert, dort wachsen Städte unkontrolliert, dort ist die Luft verschmutzt wie sonst kaum wo. Die unfassbar reiche Kulturgeschichte des Landes spielt in dieser vereinfachten Wahrnehmung kaum mehr eine Rolle.

Umso besser, dass das Wiener Burgtheater seine aktuelle Saison mit einem besonderen Ereignis beschließt: vom morgigen Freitag bis Montag sind auf der berühmtesten Bühne Österreichs Pekingopern zu sehen – vorgetragen von einer der renommiertesten Theatertruppen Chinas.

Peking Oper

http://www.ebeijing.gov.cn/Elementals/performancecalendar/t1147275.htm

Da Peking-Opern in China gerne mal mehrere Stunden dauernd, während denen auch gegessen werden darf, hat man "Red Cliff" für die in Wien beginnende Welt-Tournee an hiesige Gewohnheiten angepasst und eingekürzt.

Zugegeben, ein wenig muss man sich schon gewöhnen an all das „Bong Bong“ und „Boi Boi“ in der Peking-Oper. Es sind Rhythmen, die in der darstellenden Kunst der westlichen Welt kaum eine Rolle spielen. In China geben sie aber den Beat vor, den Takt, nach dem sich die Geschichte bewegt. Entstanden ist die Peking-Oper im 18. Jahrhundert, verwirrender Weise allerdings nicht in Peking, sondern in den Provinzen Anhui und Hubei.

Nachdem einige Künstler an den kaiserlichen Hof eingeladen worden sind, um dort zu spielen, wuchs die Peking-Oper in Ansehen und Popularität. Sie gilt selbst heute noch als ursprünglicher Ausdruck des alten China. Das merken auch westliche BesucherInnen bei ihrem ersten Direktkontakt mit einem der knapp 1500 Repertoire-Stücke. Statt pompösen Kulissen und Requisiten stehen auf der Bühne maximal Tisch und Sessel: Reduktion meint Schönheit in der Peking-Oper.

Peking Oper

http://www.ebeijing.gov.cn/Culture/FeelBJ/t1029130.htm

"Red Cliff" ist einer der "Vier Klassischen Romane" der chinesischen Literatur und gilt als enorm einflussreich. Unlängst hat ihn Hong Kong-Regisseur John Woo extrem aufwändig inszeniert. Aber Achtung: alle Fassungen des Films außer der chinesischen Originalversion sind enorm geschnitten!

Jede Geste, jede Bewegung, jeder Augenaufschlag ist mit Bedeutung aufgeladen. Naturalismus und Realismus kennt die Peking-Oper nicht, alles ruht auf dem Schauspiel. Jede Rolle wird dabei einem fest gelegten Typus zugeordnet: die in der Kriegskunst bewanderte Frau etwa, oder der junge Mann. Frauenrollen werden übrigens ebenfalls von Männern gespielt. Ausgebildet werden die Darsteller in eigenen Peking Oper-Schulen. Dort lernen sie alles, was ihren Rollen-Typus ausmacht. Tanz, Schauspiel, Gesang, Akrobatik.

Gerade weil in der Peking-Oper traditionell auch gekämpft wird, kommt ihr in der Filmgeschichte eine große Bedeutung zu. Meisterregisseur King Hu etwa modernisiert in den späten Sechziger-Jahren mit Filmen wie „Die Herberge zum Drachentor“ und „Ein Hauch von Zen“ das von der Peking-Oper abgeleitete Kampfkunstkino; und macht es zum Martial Arts-Kino, das man noch heute kennt und verehrt.

Jackie Chan ist nur der bekannteste Hong Kong-Superstar, der in eine Peking Oper-Schule gegangen ist. Große Regisseure wie Chen Kaige und Tsui Hark weisen die Peking Oper nicht nur als großen Einfluss auf ihre Kunst aus, sondern drehen auch Filme über sie.

Frau kämpft

Filmmuseum

Szenenbild aus King Hus Meisterwerk "Ein Hauch von Zen". Erst im September waren alle Filme King Hus bei einer großen Retrospektive im Österreichischen Filmmuseum zu bewundern.

Trotz all dem erholt sich die Kunstform von Mao Tse-Tungs Kulturrevolution nicht mehr. Zwischen 1966 und 1976 werden die Darsteller in Arbeitslager geschickt, die Stücke als „bourgeois“ verunglimpft, verboten und durch proletarische Modell-Opern ersetzt. Die lange Tradition der Peking-Oper wird unterbrochen, bis heute kämpft sie in China um ein junges Publikum, das mit ihr nichts mehr verbindet.

Das ist mit ein Grund, weshalb sich aktuelle Produktionen wie die am Burgtheater zu sehende Peking Oper „Red Cliff“ ungeniert modernisieren: Kalkulierter Kitsch und aufwendige Bühnenbilder buhlen um Pop-geeichte Teenager. Aber keine Angst: das „Bong Bong“ und „Boi Boi“, das gibt’s immer noch.