Erstellt am: 27. 6. 2012 - 14:11 Uhr
Rettungsschirm oder Zwangsjacke?
Während sich viele auf den Sommer und die Sonne freuen, schwitzen die heimischen und europäischen PolitikerInnen derzeit in Plenar- und Ausschusssitzungen. Im Österreichischen Parlament soll kommende Woche mit der Abstimmung zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) der erste Grundstein für die Fiskalunion gelegt werden.
Die Nerven liegen blank, vor der Sommerpause sollen viele Agenden abgearbeitet werden, oder zumindest in absehbare Zeitrahmen gegossen werden. Und das sind einige. Auf EU-Ebene: das Wachstumspaket, die Ausgestaltung der Fiskalunion und die schwelende Frage wie eine künftige EU als Demokratieunion gestaltet werden kann. Im Österreichischen Parlament: Die Absegnung des Europäischen Rettungsschirms (ESM), die zugehörigen Begleitgesetze und eine zu erwartende hitzige Debatte über Souveränität und die Zukunft der EU. Es geht also rund, ein Termin jagt den anderen.
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Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) soll als internationale Finanzinstitution in Luxemburg eingerichtet werden, sobald der ESM-Vertrag von so vielen Euro-Staaten ratifiziert wurde, dass mindestens 90 Prozent des anfänglich geplanten Stammkapitals von 700 Milliarden Euro eingebracht werden kann. Ab Mitte 2012 soll diese Institution die Zahlungsfähigkeit der Staaten in der Eurozone sichern.
Der ESM im Parlament
Der Auftakt der Auseinandersetzung ist auf Österreichischer Ebene der Zankapfel ESM. Die Regierungskoalition SPÖ/ÖVP will gemeinsam mit den Grünen die entsprechenden Gesetze nächste Woche im Parlament absegnen. BZÖ und FPÖ stellen sich strikt gegen den ESM. FPÖ-Parteiobmann Heinz Christian Strache wird deswegen am Mittwoch vor dem Ballhausplatz eine Kundgebung abhalten unter dem Titel „Volksabstimmung über den ESM-Wahnsinn“.
Mit der Ablehnung stehen FPÖ und BZÖ aber nicht alleine da. Auch linke Organisationen, zu denen man sonst eher wenige Anknüpfungspunkte findet, lehnen den ESM ab. Eine davon ist die globalisierungskritische Nichtregierungsorganisation Attac. Unterschiede gibt es in der Kritik von FPÖ und Attac trotzdem. Für die FPÖ steht die Aufgabe von staatlicher Souveränität im Vordergrund, Attac sind die neoliberalen Ideen, die derzeit im Fiskalpakt herumgeistern, ein Dorn im Auge.
Für FM4-Connected haben wir versucht beide Seiten ins Studio einzuladen. Eine spannende Diskussion hätte sich angeboten, zwischen zwei grundlegend verschiedenen Weltansichten, die dennoch das gleiche Ziel verfolgen. Von Attac ist Christian Felber gekommen. Er ist Gründungsmitglied von Attac Österreich, Buchautor und Journalist. Aufgrund der zahlreichen Termine im Parlament hat von der FPÖ leider niemand Zeit gefunden. Wir haben Christian Felber trotzdem die Frage gestellt, wo er die Kritik der FPÖ teilen kann und wo sie sich unterscheiden.
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Gemeinsam gegen Rettungsschirm
Attac lehnt den ESM und den Fiskalpakt ab, weil er undemokratisch und unsozial sei, so Christian Felber. Diese seien ein massiver Angriff auf die Demokratie, da die nationalen Parlamente massiv eingeschränkt und Kompetenzen teilweise auf die nicht gewählte EU-Kommission übertragen werde. Die Hauptkritik richtet sich gegen die Einschränkung bei der Gestaltung des eigenen Haushalts, sagt Felber. In diesem Punkt sind sich Attac und die FPÖ einig. Auch die Freiheitlichen warnen vor einem Demokratieabbau „durch die EU“. „Wenn nämlich dieser ESM-Vertrag bis Juni im Parlament durchgepeitscht werden solle, dann bedeute dies, dass in Zukunft weder das EU-Parlament noch unser nationales Parlament demokratische Beschlussrechte hätten“, so Strache in einer Aussendung.
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Lösungsvorschläge
Bei den Lösungsvorschlägen zur aktuellen Krise unterscheiden sich FPÖ und Attac hingegend. Felber sagt, dass durch die Maßnahmen der EU nicht die Ursachen der Krise bekämpft, sondern nur Schulden umgeschichtet werden. Gleichzeitig würden die Schulden weiter wachsen und die Krise verschärfen. Attac tritt für die Wiedereinführung der Vermögensteuer, höhere Steuern auf Kapitalerträge, sowie die Einführung der Finanztransaktionssteuer ein. Außerdem sollen die Systembanken zerschlagen werden, also jene Banken, die zu groß geworden sind, um sie Pleite gehen zu lassen. Die FPÖ tritt unter anderem für einen Ausschluss der „Währungssünder“ aus dem Euro-Raum ein. Staaten wie Griechenland sollen sich selbst sanieren, indem wieder die nationalen Währungen vor dem Euro eingeführt werden sollen. Als Alternative nennt die FPÖ den Zusammenschluss der wirtschaftlich starken Länder zu einer Hartwährungsunion.
Richtungsweisend
In den kommenden zehn Tagen jedenfalls stehen Entscheidungen an, die die EU grundlegend verändern könnten. Beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag erörtern die Staats- und Regierungschefs die Lage der kränkelnden Mitgliedsstaaten wie Griechenland und Spanien und die Euro-Krise. Dabei sollen trotz massiver Kritik aus verschiedenen Richtungen die Weichen gestellt werden für eine EU, die in Richtung Bundesstaat der Nationalstaaten geht. Grundlegende Änderungen in den EU-Verträgen wären dafür notwendig. Um es den Staatsschefs ein wenig schmackhafter zu machen, steht als erster Punkt beim Gipfel in Brüssel das EU-Wachstumspaket an. Frankreichs Staatspräsident Francois Holland hat darauf gepocht und seine Zustimmung für den Fiskalpakt davon abhängig gemacht. Jetzt sollen erst einmal 130 Milliarden für Konjunkturmaßnahmen zur Bekämpfung der Krise bereitgestellt werden, das meiste Geld dafür kommt allerdings aus bereits bestehenden Fördertöpfen.