Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Ophelia in Amerika "

Martina Bauer

Geschriebenes und zu Beschreibendes. Literatur und andere Formate.

2. 8. 2013 - 16:00

Ophelia in Amerika

Das Motiv der Ophelia umspült Emma Forrests "Deine Stimme in meinem Kopf". Diese Ophelia wird am Ende aber nicht sterben, sondern gestärkt aus dem Wasser klettern.

In einen YouTube-Interview meint Emma Forrest, eigentlich verpacke ihr Buch vier Love-Stories in einer Geschichte. Da wäre zum Beispiel die Liebe zu ihrem "Gypsy Husband", jene zu ihren Eltern sowie die Zuneigung (und Dankbarkeit) zu ihren Psychiater - ein viertens zählt sie nicht mehr auf. Wahrscheinlich ist es die Liebe zum Leben.

Die Autorin Emma Forrest im Profil.

Seamus McGarvey

Emma Forrest

"Deine Stimme in meine Kopf" ist ein sogenannter autobiografischer Roman. Der englische Begriff Memoir fühlt sich aber für das, was - und auch wie - Emma Forrest erzählt, irgendwie besser an.

1977 geboren, ist sie schon ab dem zarten Alter von 15 zuerst als Journalistin (sie zieht mit bekannten MusikerInnen um die Häuser, hat eine eigene Kolumne), später als Autorin (Romandebüt 1998) erfolgreich. Und Forrest ist auch noch sehr jung, als zum ersten Mal der Gedanke an Suizid in der Luft schwebt.

An die Oberfläche

Sie ist damals 13 und hangelt nach Tabletten im elterlichen Bad. Mit 16 kommt die erste Liebe und mit ihr das Ritzen. Die Bulimie wird schließlich vorstellig, als Forrest mit Anfang 20 allein nach New York zieht. The city did bring everything to surface, sagt sie einmal. Wenig später wird Forrest - gerade noch rechtzeitig - im Krankenhaus landen. Die Diagnose: manisch-depressive Erkrankung mit raschen Stimmungsumschwüngen.

Von all dem erzählt Emma Forrest, unverblümt, manchmal gepaart mit dem ihr eigenen Humor. Das Herzstück von "Deine Stimme in meinem Kopf" bildet aber die Liebe zu ihrem damals vermeintlichen Seelenverwandten, dem „Gypsy Husband“, sowie vor allem die wunderbare Beziehung zu ihrem Psychiater Dr. R.

Emma Forrests "Deine Stimme in meinem Kopf" ist, in der Übersetzung von Anne Braun, bei Deuticke erschienen. Das Cover der deutschen Ausgabe zeigt übrigens die Autorin selbst.

Letzterer ist der Mann, der Emma Forrest aus ihrem alten in ein neues Leben geführt hat. Einer, der für sie endlich Familie war. Und einer, der ihren Witz teilte. Nachlesbar in den Beschreibung der gemeinsamen Sitzungen - voller West Side Story Zitate, lakonischer Bemerkungen, Serien-Verweise.

Dr. R hat es tatsächlich gegeben. Als er, für Emma völlig überraschend stirbt, wird sie durch ein Online-Kondolenzbuch erfahren, für wie viele andere er ebenfalls Rettungs-Anker war.

Diese Bekundungen werden im Buch immer wieder eingestreut.

Cover von "Deine Stimme in meinem Kopf". 
Roman. Deuticke. Das Cover zeigt die Autorin Emma Forrest

Deuticke Verlag

GH

Was Emma von Dr. R jedenfalls bleibt, ist die "Stimme in ihrem Kopf", die auch posthum hilft und wirkt. Sie wird sie brauchen.
Denn ziemlich zeitgleich mit Dr. R wird sie auch den „Gypsy Husband“, seines Zeichens übrigens Schauspieler, verlieren. Gerade noch wollte er ein Kind, dann Abstand.

Wer Gazettchen mag, weiß: Emma Forrest war mal mit Colin Farrell liiert. Auch der Klappentext nennt ihn als Real-Life-Pendant. In einem älteren Interview hat sich Forrest diesbezüglich aber eher bedeckt gehalten.

„Deine Stimme in meinem Kopf“ lebt von und spekuliert auch etwas mit seinem popkulturellen Hintergrund. Da werden Interviewpartner wie Brad Pitt eingestreut, Heath Ledgers getroffen, Konnexes zu Asia Argento oder den Breeders gedroppt. Nick Hornby und Florence Welch sind mit Kommentaren am Buch-Umschlag verewigt. Manchmal ein bisschen viel des (nur) Namen-Fallen-Lassens.

Fein ist, dass Emma Forrest einen Hang zu Listen und anderen Skurrilitäten (quasi ein Familienerbe) hat und diese auf witzige Weise einzustreuen vermag - selbst an Stellen, wo das Lachen leicht stecken bleiben könnte.

Auch wenn ich manchmal nicht ganz in die Story hineinfand, was ich an diesem Memoir liebe, ist sein Ende. Das waren seit langem die besten und wunderbarsten letzten Kapitel, die ich gelesen habe.

Nachtrag
2014 soll "Deine Stimme in meinem Kopf" mit Emily Blunt in der Hauptrolle verfilmt werden. Forrest selbst hat angeblich das Drehbuch verfasst.