Erstellt am: 26. 6. 2012 - 18:03 Uhr
Peršmanhof
Kärnten im Zweiten Weltkrieg. Die Kärntner Slowenen sind für die Nazis ein großes Feindbild. Systematisch siedelt man sie aus. Die Partisanen wehren sich, organisieren sich, bewaffnen sich. Ein wichtiger Stützpunkt für sie ist der sogenannte Peršmanhof in Eisenkappel, einer der größten Bauernhöfe in dieser Gegend an der Grenze zu Slowenien (damals Jugoslawien).
Lisa Rettl
Am 25. April 1945 stürmt ein Kommando des SS- und Polizeiregiment 13 den Peršmanhof. Die Partisanen haben sich längst in die Wälder zurückgezogen. Elf Zivilisten werden ermordet – sieben Kinder und vier Erwachsene. Drei Kinder überleben schwer verletzt. Der Peršmanhof wird niedergebrannt.
Es gilt als das letzte Verbrechen an Zivilbevölkerung während des Zweiten Weltkriegs. Nach dem Krieg wurde der Hof wieder aufgebaut. Mit der Aufarbeitung der Geschichte der Kärntner PartisanInnen wurde in Österreich hingegen erst sehr spät begonnen.
Lisa Rettl
1947 wurde ein Denkmal gegen nazistische und deutschnationale Gewalt am Friedhof von St. Ruprecht errichtet, das 1953 von nie ausgeforschten Tätern gesprengt wurde. Die Ermittler vermerkten, dass der Großteil der Bevölkerung die Sprengung als Genugtuung empfinde und ihre Mithilfe verweigere. An einer Restaurierung des Denkmals war niemand interessiert. Durch einen glücklichen Zufall fand ein ehemaliger Partisane die Denkmalreste in einer Lagerhalle. Es wurde restauriert und 1982 aufgestellt - vor dem Peršmanhof. Gleichzeitig wurde ein Raum im Hof als Gedenkraum eingerichtet. Zwanzig Jahre später ist das Museum vergrößert und umgebaut worden - vergangenen Sonntag war die Neueröffnung.
Lisa Rettl ist Historikerin mit Schwerpunkt Zeitgeschichte, Partisanenwiderstand, Erinnerungskultur und Denkmäler, sowie Autorin mehrerer Bücher. 2010 kam ihr Dokumentarfilm "Wilde Minze" in die Kinos.
"Während in Kärnten der Partisanenwiderstand immer noch mit Assoziationen wie 'Heimatverrat', 'Banditen', 'Deutschenmördern', verbunden ist, ist man auf Bundesebene schon zu der Einsicht gekommen, dass der Widerstand der Kärntner Partisanen und Partisaninnen, übrigens der einzige bewaffnete und militärische Widerstand auf dem Gebiet der ehemaligen 'Ostmark', sehr wohl ein sehr, sehr bedeutender Beitrag im Widerstand war und auch zur Befreiung Österreichs beigetragen hat", erklärt die Historikerin Lisa Rettl. Sie hat die neue Ausstellung im Peršmanhof kuratiert.
Nachdem sie und ihr Team dafür neue Gerichtsakten auswerten konnten, können sie mit einem der härtesten Vorurteile aufräumen: "In Kärnten gab es ja immer den Diskurs, dass die Partisanen und Partisaninnen die Familienmitglieder der Sadovniks und Kogojs (Anm.: die BewohnerInnen im Peršmanhof) selbst umgebracht hätten. Das ist mit der neuen Ausstellung auf jeden Fall entkräftet."
Mit dem neuen Museum sieht Lisa Rettl den Beginn einer neuen Ära in der Geschichte der Kärntner Slowenen. Das Museum muss nicht mehr um die Anerkennung des Partisanenwiderstands ringen, den gibt es – zumindest auf Bundesebene vom Nationalfond oder dem Zukunftsfonds.
Lisa Rettl
Von der Kärntner Bevölkerung wünscht sich Lisa Rettl eine andere Beurteilung des Partisanenkampfes. "Also 70 Jahre Verdummung durch deutschnationale Propaganda, dass die Partisanen Banditen seien, hat natürlich ihr Werk getan. Wir hätten gerne, dass auch die Menschen, die sich früher nicht zum Peršmanhof getraut haben, rauf kommen. Dass sie sich mit dieser Geschichte auseinandersetzen und vielleicht auch zu einer anderen Beurteilung ihrer bisherigen Geschichtsbilder kommen."
Für die Kärntner Slowenen ist das Museum ein Ort, an dem sie ihre eigene Geschichte widergespiegelt sehen, gab es doch in fast allen Familien Verhaftungen, Deportationen und Morde. Für die deutschsprachige Bevölkerung kann es ein wichtiger Ort der Reflexion sein, in dem man die eigene Geschichte reflektiert, "die man hier nicht als Opfer, sondern möglicherweise als Täter, als Mittäter oder als Zuschauer erlebt hat."
Geöffnet hat das Peršmanmuseum
von Mai bis Oktober
von Freitag bis Sonntag
von 10 bis 18 Uhr.
So finden die Besucher eine moderne, zeitgeschichtliche Ausstellung, mit Film- und Hörstationen. Gezeigt werden die Geschichte von 1900-1938 und die Deportationen, der Partisanenwiderstand und der Peršmanhof als Ort des Massakers.
Es sei gerade gegenwärtig wichtiger denn je, sich mit Widerstand zu beschäftigen, erklärt Lisa Rettl: "Also vielleicht sogar noch viel, viel wichtiger als einfach nur Daten und Fakten über den Nationalsozialismus allgemein zu lernen. Denn die Beschäftigung mit Widerstand und mit Widerstand aus der Zeit im Nationalsozialismus, hat auch die Bedeutung, dass man Handlungsspielräume aufzeigt. Das man aufzeigt, dass sogar in so totalitären Regimen wie jenem des Nationalsozialismus, Widerstand und widerständiges Handeln möglich ist. Und insofern ist die Beschäftigung mit Widerstand auch etwas, was Mut macht."
Literaturtipps:
wallstein verlag
In unmittelbarer Nachbarschaft zum Peršmanhof ist die Autorin Maja Haderlap aufgewachsen. In ihrem autobiographischen Roman "Engel des Vergessens" erzählt sie die Geschichte ihrer Kindheit auf dem Bergbauernhof. Sie erzählt aber auch die Geschichte ihrer Familie und eigentlich die eines ganzen Volkes – der Kärntner SlowenInnen.
Sie schildert das teilweise eigenwillige und eigenbrödlerische Leben der Bergbauern, allen voran das ihrer starken Großmutter, einer streng gläubigen Frau, die wegen ihrer slowenischen Herkunft im KZ Ravensbrück war.
Die zweite Hauptfigur ist ihr Vater – er wurde als Kind von den Nazis gefoltert und ist seither traumatisiert. Mit einem Textauszug hat sie den Bachmannpreis 2011 gewonnen. Eine dringende Leseempfehlung.
ernst logar
"Das Ende der Erinnerung - Kärntner PartisanInnen. Konec spomina - koroki partizani in partizanke. The End of Remembering - Carinthian Partisans." Deutsch, Slowenisch, Englisch. Mit DVD, Drava Verlag.
Ein aufwendig gestalteter Ausstellungskatalog zur Videoinstallation des Kärntner Künstlers Ernst Logar "Das Ende der Erinnerung" mit Beiträgen u.a. von Aleida Assmann sowie der Biografien der zwölf Zeitzeuginnen und Zeitzeugen der Videoinstallation, deren Interviews auf der beigelegten Video-DVD dokumentiert sind.
Mehr zur auf partisan.co.at - Kunst im sozial- und gesellschaftspolitischen Kontext.