Erstellt am: 26. 6. 2012 - 21:00 Uhr
Ich liebe dich, Mann!
„Der neue Mann“: Alle paar Jahre widmen sich einschlägige Lifestyle-Gazetten diesem Schreckensthema. Ein Begriff, der dabei inmitten sämtlicher dutzendfach wiedergekäuten Klischees verlässlich auftaucht: Überforderung.
Die aktuellen jungen Männer, so heißt es dann, resignieren oftmals unter all dem Druck des postfeministischen Zeitalters. Hart und zart, kraftvoll und sensibel, zupackend und verständnisvoll zugleich sollen sie nämlich sein. Wilde Kerle und verantwortungsvolle Vätertypen in Personalunion, die sexuelle Attraktivität ebenso verstrahlen wie therapeutische Fähigkeiten.
Weil das alles zusammen natürlich extrem anstrengend ist, folgern die scharfsinnigen Boulevard-Analysen, ziehen sich viele lieber einfach zurück, in sich selbst, in eskapistische Scheinwelten, in die ewige Kindheit.
Warner Bros
Brothers in Arms
Egal wie sehr man solche Generalisierungen zurecht belächelt: Tatsächlich ziehen es immer mehr Kindmänner der Gegenwart vor, mit ihren Kumpels auf den Spielplätzen der Unterhaltungsindustrie abzuhängen statt bei und mit einer Freundin.
Apatow Productions
Eine Tatsache, die auch einige der besten Komödien der letzten Jahre treffsicher beobachten. Famose Filme wie "I Love You, Man" ("Trauzeuge gesucht"), „Role Models“ ("Vorbilder?!") oder „Due Date“ ("Stichtag"), allesamt aus der Comedyfabrik des hier dauergelobten Judd Apatow, sind bevölkert von pubertierenden Thirtysomethings mit Vollbärten und Dauerrausch, die sich gegenseitig durch ihre windschiefen Existenzen manövrieren. In „50/50“ droppt ein krebskranker Jungjournalist lieber die verunsicherte Freundin als den besten Buddy, der ihn schließlich zur Operation begleitet. Und in der megaerfolgreichen „The Hangover“ Reihe übersteht das Prinzip der treuen Männerfreundschaft brutale Blackout-Situationen, Zerstörungsorgien und Autokarambolagen.
Weil Kindmänner auch als Zielgruppe zentral geworden sind, ist das Bromance-Genre, mit seiner platonischen Liebe zwischen Buddys und Brothers, längst zur ernsthaften Konkurrenz für den pinkfarbenen Bussi-Bussi-Kitsch des RomCom-Universums geworden. Egal wie zynisch, lustig oder aufdeckend manche Filme punkto Männerbündlerei sein mögen, letztlich wird ja doch der maskuline Zusammenhalt in geschlechterverwirrten Zeiten beschworen.
Warner Bros
Kuscheln für die Kunst
Mit Riesenverspätung zeigt das Wiener Stadtkino nun den Film „Humpday“, gedreht 2009 und beim einschlägigen Sundance-Festival als Indieperle abgefeiert. Die Regisseurin Lynn Shelton macht darin etwas Überfälliges: Sie treibt die latente Homosexualität, die sich hinter dem Bierdunst und der Testosteron-Überdosis vieler Bromance-Comedys versteckt, auf die Spitze. Zwei Hetero-Kumpel (Mark Duplass, Joshua Leonard) beschließen im Suff für einen Kunstporno-Event miteinander unter die Bettdecke zu steigen. Eine Idee, die der Ehefrau des gesettelten der beiden Kerle so gar nicht gefällt.
„Humpday“ hat in der Theorie das Potential zu einer wirklich anarchischen Komödie. Leider erweist sich der Low-Budget-Streifen als besonders fatales Paradebeispiel für die Mumblecore-Bewegung. Das sind Filme, in denen die komplett fehlenden Schauwerte und Produktionsmittel durch Marathon-Dialoge wettgemacht werden, die improvisiert aus dem „echten Leben“ gegriffen sind.
Auch in „Humpday“ wird gequatscht ohne Ende, Sätze fallen, die einen auch in der Realität nerven würden, die wackelige Handkamera bewegt sich dabei durch fadgasige Bobo-Milieus. Die wahre Herausforderung ist hier also nicht der tabulose Sex zwischen zwei eingefleischten Buddys, sondern das dröge pseudoalternative Umfeld. Die ultimative Bromance-Parodie lässt also noch auf sich warten.
Stadtkino Wien