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Robert Zikmund

Wirtschaft und Politik

25. 6. 2012 - 17:05

Economy Death Match: Finanztransaktionssteuer

Prominenter Zankapfel im ökonomischen Glaubenskrieg.

Oh, du seliges Österreich. Während andere noch streiten, ob so eine Steuer Sinn macht oder nicht, sind unsere politischen Eliten - und zwar in Regierung wie Opposition - so überzeugt davon, dass wir sie gleich im Budget verbucht haben.

Heute, 9.10. 2012 in Connected: Economy Death Match mit Robert Zikmund und Paul Pant

Freilich war zu diesem Zeitpunkt bereits klar, dass eine 8-Millionen-Republik so eine per se internationale Angelegenheit nicht im Alleingang beschließen kann und dazu zumindest die europäischen Partner braucht.
Denn eine nationale Finanztransaktionssteuer macht ähnlich viel Sinn wie eine nationale Fußball-Europameisterschaft - da Deutschland als wichtigster Partner aber auch für die Steuer ist, waren SPÖ und ÖVP schon mal so frei, die geschätzten Erträge zu verbuchen.

Leider zeigt sich aktuell beim Treffen der EU-Finanzminister, dass die Zustimmung doch nicht so unisono sein dürfte, wie optimistisch veranschlagt - neben den bekannten Gegnern wie Großbritannien oder Schweden hat man etwa auch in der Tschechischen Republik Bedenken. Von außereuropäischen Playern wie den USA oder China gar nicht zu reden.

Nun gibt es den Plan, dass eine Vorhut an Eurostaaten (also unter der Führung von Deutschland und Frankreich, mit Österreich) die Steuer einführt.
Dies ruft allerdings auch Skeptiker auf den Plan, die befürchten, dass die betroffenen Börsenplätze Schaden nehmen könnten, sollte die Steuer nicht flächendeckend kommen.

Bald 15 Jahre nachdem sich ATTAC eben zur Förderung der Finanztransaktionssteuer, oder damals auch Tobin-Tax genannt, gegründet hat, scheint ihre Umsetzung also noch in den Sternen zu stehen.

Wir fragen uns an dieser Stelle: Was sind die stereotypen Argumente von Befürwortern und Gegnern und wie sehr spiegelt sich der theologische Charakter wirtschaftspolitischer Debatten auch bei dieser Frage?

Gemeinsam mit Paul Pant lassen wir sowohl ATTAC als auch Milton Friedman in unsere Hirne fahren, und klettern so bewaffnet in den argumentativen Boxring!

PRO

Also nur um die Debatte mal in die richtige Optik zur rücken, um klar zu stellen, warum es diese Diskussion überhaupt gibt: Wäre es nicht so traurig, könnte man den neoliberalen (oder Eliten-kapitalistischen, je nachdem) Apologeten und neoklassischen Gläubigen ja einiges an Verve und strategischem Geschick nachsagen. Ahnung von Marketing und Lobbying auch. Denn wie sie es schafften, fünf Jahre nach Ausbruch der größten Finanz- und Wirtschaftskrise den Sündenbock von den aberwitzigen Spielen der Finanzcasino-Akteure und Banken auf den guten, alten Sozialstaat zu schieben, ist schon eine Art Treppenwitz.

Betrachtet man die Entwicklung der Neuverschuldung in den Eurostaaten, sieht man, dass Bankenrettungen und generell Schulden, die im Zuge der Krise gemacht wurden, den Löwenanteil dessen ausmachen, was von ebenjenen Farbverdrehern jetzt als „über unsere Verhältnisse gelebt“ verlogen wird.

Nur ganz am Rande: Gerade ein starker Sozialstaat wirkte in diesen Jahren stabilisierend, Staaten mit hoher Wohlfahrtsagenda, wie in Skandinavien, sind vergleichsweise besser gefahren - dennoch bleibt dieses Erfolgsmodell den wiederholten Angriffen dieser Eliten ausgesetzt, nicht umsonst bezeichnete EZB-Chef Draghi zuletzt diesen Sozialstaat als „Nicht mehr zeitgemäß“.

Da darf es einen auch nicht wundern, wenn dieselben dreisten Lügner nun auch diesen zarten Versuch der Politik, auch die Verursacher ein wenig zur Kasse zu bitten mit ebenso fadenscheinigen Märchen verhindern wollen. Also eben ganz konkret die Finanztransaktionssteuer.

Und um einen häufigen Vorwurf zu entkräften: Nein, es geht nicht um einen anonymen Sündenbock namens "die bösen Spekulanten" - es geht um ganz Konkretes.
Stephan Schulmeister vom WIFO hat das im letzten Club 2 ganz gut erklärt: Es geht darum, die eingesetzten Mittel wieder vom sinnfreien Herumschieben des Finanzkapitalismus in eine Produktivität schaffende Realwirtschaft zu steuern.

Denn diese Krise ist auch eine Folge des Irrglaubens, man könnte sein "Geld arbeiten lassen". Welchen allgemeinen Nutzen haben etwa Wetten auf die Bonitätsverschlechterung eines Staates wie Spanien?(sogenannte CDS) Dieses Casino gehört zuerst beschnitten und dann geschlossen. Und bis es soweit ist muss man lenkend eingreifen und die real existierenden "Spekulanten" eben beteiligen.

Täglich wird eine Summe Kapital über den Globus bewegt die in keiner Relation zu den real vorhandenen Werten auf diesem Planeten steht, es geht ausschließlich um Derivate und Wetten. Unterstützt von Computer-Algorithmen wird der Globus nach noch so mikroskopischen Preisunterschieden abgegrast, bei Millionen Transaktionen summieren sich auch diese Kleinst-Erträge.

Und genau da greift die FTS: Auch wenn nur 0,01% Steuer pro Transaktion fällig werden summiert sich der Ertrag und macht dieses Gezocke damit unprofitabler.

Oder um abschließend ein bisschen polemisch zu werden:
Wenn die griechischen Rentner auf über ein Drittel ihres Einkommens verzichten müssen, wird ein CDS-Trader in der Londoner City sicher auch auf ein Hundertstel Prozent Ertrag pro sinnfreier Kapitalschieberei verzichten können.
Ohne dass deswegen der Kommunismus ausbricht.

CONTRA

Im Prinzip hat es Angela Merkel ja wenigstens in dieser Frage recht bequem: Natürlich weiß sie, dass solange die europäischen Partner nicht restlos von der FTS überzeugt sind, auch die Gefahr einer tatsächlichen Einführung gering ist. Da kann man halt leicht fordern und sie in Grundsatzpapiere schreiben - allen Beteiligten, bis auf den einen oder anderen Sozialisten, ist klar, dass solange auch nur ein Handelsplatz nicht mit macht, diese Steuer zum Scheintod verurteilt ist.

Es hört sich halt immer sehr elegant an, von Gerechtigkeit zu faseln, wenn dies allerdings von Politikern und Regierungen kommt, dürfte man schon ein bisschen weiterdenken.

Es kann ja sein, dass der Bankensektor eine Teilschuld an der Krise hat, man sollte allerdings auch nie vergessen, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Und da landen wir wieder bei jenen, die in ihrer unendlichen Allmachtsfantasie meinen, per Intervention etwas Besseres, als das natürliche Gleichgewicht zu kreieren.
Wobei, für Einzelne mag es schon besser sein, das ist ja das Problem an diesen Eingriffen.

Politische Parteien und Regierungen brauchen Geld, um an der Macht zu bleiben, ob es sich dabei um Kriege oder Geschenke für die eigene Klientel handelt. (Schönes aktuelles Beispiel: Das Kinderbetreuungsgeld in Deutschland der CSU. Da wird nicht versucht, einen Kompromiss aus Betreuungsgeld und Kitas zu finden, da muss sich eine Seite durchsetzen, das Geld kommt wie immer von der Allgemeinheit.)

Apfel

http://www.flickr.com/photos/justusbluemer/

CC by 2.0 Der Zankapfel.

Dieses Geld kommt eben von Zentralbanken die per Knopfdruck Billionen erschaffen können, einzig durch das Vertrauen auf Rückzahlung durch Steuern gedeckt, und wird im privaten Bankensektor weiter aus Luft vermehrt (bis zum Faktor 50 multipliziert).
Und das ist der Kern des Problems: Die überschüssige Liquidität fließt in falsche Allokationen, etwa in einen überbordenden Finanzmarkt, dies ist die tatsächliche Ursache all der Krisen und Blasen die etwa Hayek schon vor Jahrzehnten als "Bubble & Bust Economies" bezeichnete.

Der Versuch der Politik dieses Versagen irgendwelchen "Spekulanten", dem "bösen Casino-Kapitalismus" oder gar dem "Marktversagen" in die Schuhe zu schieben, ist nicht nur lachhaft sondern sogar bösartig.

Und damit ganz konkret zur Finanztransaktionssteuer:
Da gibt´s ja gleich mehrere Probleme. Erstens: Wie will man verhindern, dass der Handel mit Wertpapieren und Derivaten nicht einfach ausweicht? Sollten tatsächlich einige Staaten wie Deutschland und Frankreich voran gehen, wird viel vom Geschäft nach London oder sonst wohin wandern, das schädigt natürlich den heimischen Markt.

Nun heißt es, dass nicht der Handelsplatz die Steuerpflicht bestimmt, sondern der Sitz der beteiligten Händler, sprich, wenn ein österreichischer Trader in London Verkaufserlöse erzielt muss er dennoch in Wien 0,1 bis 0,01 % FTS bezahlen.
Vergessen hat man dabei leider auf den Umstand, dass die meisten Player natürlich auch über Töchter und Niederlassungen an Handelsplätzen wie London verfügen, wo sie dann eben KEINE Steuer bezahlen müssen.

Dazu kommt der Umstand, dass etwa Banken die etwaigen entstandenen Kosten sicher auf ihre Kunden umwälzen werden, am Ende also wieder "der kleine Mann" die Steuer bezahlen muss.

Und schlussendlich noch das größte Problem: Was wird denn an Börsen gehandelt?

Vorwiegend Aktien, der Löwenanteil an Termingeschäften und Derivaten findet nämlich außerbörslich statt, sprich, ohne Zugriff der Steuerbehörde.
Das würde bedeuten, dass die wichtigen und sinnvollen Kapitalbewegungen (und damit das lebenswichtige Kapital für die Unternehmen) bestraft werden, während die tatsächliche Millisekunden-High-Frequency-Derivat-Spekulation global ausweichen kann und keinen Cent bezahlt. Damit würde es für die Börse-notierten Unternehmen schwieriger ihr so wichtiges Eigenkapital aufzubringen, während das marodierende Finanzkapital begünstigt wird.

Und wie bei der ähnlich verklärten Vermögenssteuer hätten wir folgenden Effekt: Zahlen tun die ortsgebundenen "Kleinen", die eben nicht weg können, während sich die tatsächlichen "Spekulanten" wieder mal ins Fäustchen lachen.

So etwas kommt eben dabei raus, wenn Politiker von "Gerechtigkeit auf Märkten" sprechen und das Populismus-anfällige Wahlvolk reflexartig applaudiert.