Erstellt am: 24. 6. 2012 - 13:54 Uhr
Song zum Sonntag: Breakbot - "1 Out Of 2"
Das französische Label Ed Banger ist nicht unbedingt dafür berühmt, die subtilste Musik aller Zeiten in die Welt zu schicken. Gemeinhin wird mit der schicken Posse um Busy P, Justice, SebastiAn oder Mr. Oizo der Sound von - der Label-Name spricht hier deutlich zu uns - krawalliger Rotz-Elektronik assoziiert, die mit bis zum Anschlag hochgeschraubtem Verzerrer und Feier-Potenzial den Rock und den Dreck in der Dance-Musik wieder hör- und vor allen Dingen spürbar gemacht hat. Mit der Pinzette wird anderswo gebastelt.
- Der Song zum Sonntag auf FM4
- Über Breakbot macht sich auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar in der Presse am Sonntag seine Gedanken.
Man kann diese geile Hau-Drauf-Attidüde von Ed Banger sicherlich auch als eine Art Vorbereitung auf den aktuellen Siegeszug von Brostep und, sigh, EDM in US-Amerikanischen Großdraum-Discotheken und Football-Stadien lesen - wobei die Franzosen hier ihre auf Radau gebürstete Partymucke immer überdeutlich cartoonhaft und mit Augenzwinkern zelebrieren und genau zu wissen scheinen, was sie da tun, und den Macho zuhause lassen. Daran, dass mittlerweile so gut wie jede Musik mit so irgendwie Beat und Elektronik, "Electro" genannt wird, ist auch Ed Banger schuld.
Breakbot
Auch wenn die zwei feschen Lederboys von Justice auf ihrem letzten Album den gefühligen Prog-Rock aus ihrer Musik hervorgekitzelt haben, stellt Breakbot nach wie vor eine kleine Ausnahme im Label-Roster von Ed Banger dar. Mit den Stücken "Baby I'm Yours" und "Fantasy" sind dem Produzenten und Multiinstrumentalisten schon zwei sensible Mini-Hits geglückt, sein Song "1 Out Of 2" ist jetzt ein Lied für fast die Ewigkeit - oder immerhin einen über die Maßen unvernünftig verliebten Sommer. Genauso wie die Musik der wichtigen französischen Musiker der letzten fünfzehn Jahre - Daft Punk, Phoenix, Air oder eben die Ed-Banger-Gang - ist auch die Musik von Breakbot eine französische: Ein einziger Zitat-Fleischwolf, der die Zeichen der Musikgeschichte nicht in ironischer Geste neu anordnet, sondern sich vielmehr für alle Menschen sichtbar in höchster Wertschätzung und mit großem Herz vor den Vorbildern und Heldinnen verbeugt. Aus überdeutlichem Referenz-Wahnsinn entstehen eigene magische Kräfte.
In "1 Out Of 2" - es geht klarerweise schlicht und naiv um die Liebe - erweckt ein munteres Klavier den herrlichen Pomp von Supertramp und den Disco-Schmelz der Bee Gees, möglicherweise kann man sich gar den frühen Elton John dazu vorstellen, wie er in einem pfirsichfarbenen Blouson, eine Rose im Mund, an einem unbedingt gläsernen Flügel sitzt und dieses schöne Lied ersinnt. Außerdem gibt es ein wüst überzuckertes Gitarren-Solo zu erleben, und Streicher, die so zauberhaft singen, als hätte man sie geradewegs von einer "Best of Philly Soul"-Compilation gezogen. Man muss gar nicht allzu wild daherfantasieren, um sich auszumalen, dass so ein Lied normalerweise den Eurovision Song Contest gewinnt. Nicht in einer anderen, besseren Welt, sondern in genau einer wie dieser schlechten, dummen, wunderbaren, verwirrenden Welt wie der hier, in der wir leben.