Erstellt am: 23. 6. 2012 - 14:18 Uhr
Gegen einsam
Zwei verschrobene Einzelgänger versuchen der Einsamkeit in Wien durch skurrile Sammelleidenschaften zu entgehen: Gegen einsam von Daniela Meisel ist im Picus Verlag erschienen.
Manuel Schmidt ist Durchschnitt. Das hat sich schon bei seiner Geburt manifestiert, meint er. Seine Mutter lag 13 Stunden in den Wehen - der mittlere Zeitwert für Erstgebärende - er wog 3.450g und war 51cm lang. Auch absoluter Durchschnitt. Jetzt ist er 178,5 cm groß - österreichischer Durchschnitt bei den Männern.
Ich bin der Mittelwert eines Menschen. Mein Lieblingsbuch ist "Der Herr der Ringe", mein Lieblingsfilm "Der Pate" von Francis Ford Coppola und mein Lieblingslied "Imagine" von John Lennon. Die Titel führen die Listen der meistgelesenen Bücher, der meistgesehenen Filme, der meistgehörten Songs der Welt an.
Picus Verlag
Manuel Schmidt ist Postbeamter, liebt Toast Hawaii, fährt einen VW Golf und hat erst mit zwei Frauen geschlafen, die beide nicht länger als drei Monate seine Freundin bleiben wollten. Auch die Katze, die er aus dem Tierheim holt, sucht sich bald ein neues Zuhause. Mit seinen sozialen Kompetenzen steht es nicht zum Besten. Manuel wartet auf das Außergewöhnliche.
In einer Ausstellung erfährt er, dass der durchschnittliche Mitteleuropäer 17.000 Gegenstände besitzt und sieht darin seine Chance anders zu sein. Er beginnt zu sammeln - sein Ziel sind 34.000 Gegenstände. Schon bald braucht er eine neue Wohnung und steigert bei ebay und anderen Portalen bei zig Gegenständen gleichzeitig mit und verschleudert sein ganzes Geld. Der Wahn nach Besitz kontrolliert ihn völlig. Er will, dass etwas passiert. Und er beginnt seine Wohnung in ein Museum zu verwandeln.
Manuels Gegenpart in dem Buch ist Maja Kramer, eine Steuerberaterin mit Sturkopf.
Ich lache nicht gerne. Ich habe mich dabei im Spiegel betrachtet. Meine Mundwinkel schieben sich nach außen und oben, drücken meine Wangen hoch, lassen sie geschwollen aussehen, als hätte ich Mumps. Mein Mund wird breit. "Maja, meine Breitmaulfröschin", hat mein erster Freund einmal zu mir gesagt. Ich habe ihn nie wieder geküsst.
Maja hat ihren Sturkopf noch nicht abgelegt. Sie hat Probleme mit Autoritäten, verabscheut Konsum und Kontrolle und hat nicht viele Freunde. In ihrer Freizeit macht Maja Jagd auf Wohnungsanzeigen. Sie versucht mit den unterschiedlichsten Lebensgeschichten möglichst viele Zusagen zu bekommen. Von 157 Zimmern hätte sie bisher 109 bekommen. Natürlich sagt sie gleich wieder ab, denn sie hat ja eine Bleibe. Sie wohnt wie Manuel alleine. Die Wohnungssuche ist ihre Art Geschichten von Menschen zu sammeln, sich aber nicht binden zu müssen und mit der Einsamkeit umzugehen. Es dauert nicht lange und die Wege der beiden charmanten Eigenbrötler kreuzen sich und eine ganz und gar nicht gewöhnliche Liebesgeschichte nimmt ihren Lauf.
In jeweils abwechselnden Kapiteln, sprachlich nicht wirklich eindeutig unterscheidbar zeichnet die niederösterreichische Autorin Daniela Meisel die Vereinsamung zweier Menschen nach, die nach etwas Besonderem, nach Außergewöhnlichem streben. Es menschelt - nicht ohne Ironie.
Daniela Meisel, 35, lebt mit Mann und zwei Kindern in Pfaffstätten bei Baden in Niederösterreich. Seit der Kindheit erfindet sich Geschichten, die sie früher ihren Cousinen und Cousins mit Playmobilfiguren erzählt hat. Die Meeresbiologie ist ihre zweite Leidenschaft. Die promovierte Biologin war in Kalifornien und Südafrika für Studienzwecke. Heute unterrichtet sie Biologie, sofern es das Zeitmanagement zulässt, und schreibt an einem neuen Buch. "Gegen einsam" ist ihr zweiter Roman und von der Schriftstellerei leben zu können ihr Traum.