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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

21. 6. 2012 - 16:36

EM-Journal '12-55.

Die Preview zur K.O.-Phase. Oder: warum heute abend schon das beste Viertelfinale zu sehen sein wird.

Das EM-Journal 2012 begleitet täglich die Euro in Polen und der Ukraine, ähnlich wie schon das WM-Journal '10 beim letzten Großereignis.

Die Überisicht zu allen Spielen und Journalen.

Die Profile der sechzehn teilnehmenden Teams:
Gruppe A
Polen / Griechenland
Russland / Tschechien
Gruppe B
Niederlande / Dänemark
Deutschland / Portugal
Gruppe C
Spanien / Italien
Kroatien / Irland
Gruppe D
England / Frankreich
Schweden / Ukraine

Das alles im Rahmen des heurigen Fußball-Journals '12, welches sich - wie schon 2011 - mit den aktuellen Unwägbarkeiten dieses besten aller nicht lebenserhaltenden Systeme beschäftigt.

FM4 hat auch diesmal wieder ein EM-Quartier im Wiener WUK, mit Public Viewing, Moderation und netten Gästen. Für Regenwetter gibt es Indoors-Screens.

Im Viertelfinale stehen sechs der sieben üblichen Verdächtigen. Mehr ging sich, dank der Auslosung (vor allem der für die Gruppe B) gar nicht aus. Zwei der anstehenden Spiele werden also Duelle dieser Nationen-Klassiker sehen, ein Spiel wird von der aktuellen Euro-Lage zur Polit-Revanche hochgepitcht, und ein Spiel geht dabei irgendwie unter. Das heutige, das von Tschechien gegen Portugal.
Dabei wird es das beste sein.

Das sagt mir nicht die Statistik, das sagen mir nicht die Quoten, das sagen die Formkurven. Und die lügen nicht, zumindest nach drei Spielen innerhalb von wenigen Tagen.

Diese Kurven zeigen, dass die Top-Favoriten (mitsamt dem Geheim-Favoriten) da Arm in Arm vorwärtsstolpern, durch ein für sie teilweise noch rätselhaftes Turnier. Sie zeigen die Orientierungslosigkeit einiger Mannschaften, aber vor allem streichen sie die Teams heraus, die sich kontinuierlich nach vorne entwickeln.

Spanien und Deutschland etwa weisen, ebenso wie Frankreich, eine regelrechte Zacke auf. Beide wurden im 1. Match mit einem taktisch hundsgemeinem Gegner konfrontiert, den sie kaum zu packen verstanden; beide zeigten im zweiten Spiel ihre unglaubliche Klasse, und beide hosenschisserten in der dritten Begegnung dann am Rande zum Rausschlittern herum. Schulnotenmäßig ergibt das ein 3-1-3, denn natürlich hat bei diesen Teams auch das Herumeiern noch eine gewisse Klasse. Frankreich weist das exakt selbe Muster und die exakt selbe Zacke auf, nur einen Stock tiefer, mit einem 4-2-4.

Ähnlich, nur nicht so ausgeprägt, ergeht es aktuell Team England: Zwischen einer wirklich üblen und einer sehr mäßigen Leistung fand sich zentral ein lauer Lichtblick: 5-3-4.
Griechenland laviert auch im unteren Bereich daher, legte es aber anders an: einem vergleichsweise brauchbaren Beginn folgten ein Absacker und ein Aufraffer, die sich aber niveautechnisch kaum unterschieden: 3-4-4.

Formkurven und andere Spielereien

Das bislang stabilste Team heißt Italien: ein strategischer Geniestreich gegen Spanien, ein tolles Match gegen Kroatien und ein ordentlich gearbeiteter Pflichtsieg gegen Irland: 2-2-2.

Die heutigen Viertelfinal-Gegner jedoch sind die einzigen, bei denen die Formkurve stabil nach oben zeigt.
Tschechien begann mit einem Verheber, kam dann in die Gänge und riss im letzten Match alles herum: 4-3-2.
Portugal fing unglücklich aber stark an, steigerte sich und finalisierte auf Top-Niveau: 3-2-1.

Deshalb ist ihr Aufeinandertreffen ein ganz logischer Kulminationspunkt von zwei aufstrebenen Formkurven. Deswegen wird das erste Viertelfinal-Spiel auch gleich das Beste werden.

Aus den tschechisch-portugiesischen Konfrontationen bei großen Turnieren sticht die der EM 96 heraus: Portugals goldene Generation (Luis Figo, Rui Costa, Paulo Sousa, Vitor Baia, Joao Pinto, Fernando Couto...) wurde von späteren Finalisten Tschechien (mit Miro Kadlec, dem Vater von Micha, Smicer, Nemec, Latal, Bejbl und vor allem Poborsky) im Viertelfinale(!) rausgekegelt. Die Revanche in der Gruppenphase '08 hatte dann nicht diese historische Bedeutung.

PS: Das Gute an all diesen Previews, Vorahnungen, historischen Bezügen, Statistiken, Kurvenlogiken und all dem anderen Vorgeplänkel ist, dass es im Moment des Anpfiffs keinen Wert mehr hat. Da zählt dann das Hier und Jetzt, die Qualität der Vorbereitung auf den jeweiligen Gegner, das Zutrauen in die eigene Leistungsfähigkeit oder die Wahl des richtigen Matchplans.
Bei all diesen Kriterien bedienen sich Weltklasse-Profis (auf dem Platz und auf der Bank) selbstverständlich auch in den Erfahrungen der Vergangenheit; und natürlich spielt auch der Aufbau, die durch Kontinuität gestreichelte Psyche eine Rolle - sie sind aber nur Hilfsmittel, die erst dann schlagend werden, wenn sie am Tag, in der Stunde, der Minute des Spiels zielgerichtet integriert sind.

Deswegen können dem heutigen besten Viertelfinale auch noch drei andere folgen.