Erstellt am: 19. 6. 2012 - 15:11 Uhr
Bring The Noise 2012
Dass es auf der Welt, und so natürlich auch in den U.S.A., in den letzten Jahren für viele Menschen finanziell enger geworden ist und manche überhaupt ihre Lebensstandards drastisch downsizen mussten, hat sich in der Rap-Musik bislang eher in noch mehr Hedonismus widergespiegelt – siehe zum Beispiel die Luxusrap-Exzesse von Kanye West & Jay-Z. Unlängst erschienen innerhalb einer Woche zwei zwingende Gegenentwürfe dazu, beide produziert von El-P, der einst Teil der Gruppe Company Flow war und später das Label Definitive Jux betrieb: Zum einen ist das R.A.P. Music vom engen Outkast-Freund Killer Mike und zum anderen Cancer For Cure, das Soloalbum von El-P selbst.

El-P
Eigentlich war er ja nie weg, dieser El-P, kurz für El-Producto – trotzdem wirkt Cancer For Cure wie eine Comebackplatte. Tatsächlich war er nach dem Ende der Band Company Flow als Chef von Def Jux Records eher so etwas wie ein playing captain, der zwar schon auch selbst Musik veröffentlichte, aber seine Aufmerksamkeit mit der Zeit immer mehr aufs Geschäftliche legen musste. Cancer For Cure ist seine erste Platte nach dem Ende des Labels, und man merkt dass sich da schon ein bisschen etwas aufgestaut hatte.
Die Welt von El-P und seinen diversen Bands und Projekten war immer schon eine dystopische und paranoide und die Wut auf das System und seine negativen Auswüchse eines der Hauptthemen. Auf Cancer For Cure ist das nicht anders, nur kommen die Raps mit etwas mehr Leidenschaft als zuletzt, und die Beats sind noch elektronischer und langsamer geworden. Unter Einsatz von Synthesizern, Drumloops und viel Verzerrer schafft El-P das passend bedrohliche Gewand für seine Raps über ein Großstadtleben, in dem Paranoia und Wut schon zum Normalzustand geworden sind. Vielschichtig werden aber auch Filmzitate und Referenzen auf den Oldschool-HipHop eingeflochten und gemeinsam mit der vom Südstaaten-Rap kommenden Ästhetik der tiefergelegten 808er Bassdrum entsteht ein brachialer, neuer HipHop-Sound.
Nach Süden, genauer nach Atlanta/Georgia hat es der born & raised Brooklynite El-P auf seiner aktuellen Mission, die Denk-Barrieren innerhalb der HipHop-Welt zu zerschmettern, dann tatsächlich geschafft. Und zwar an die Seite von Killer Mike, einem langjährigen Freund und Kollaborateur von Outkast. Das resultierende Album heißt R.A.P. Music kurz für Rebellious African People Music, und macht von der ersten Sekunde an keine Gefangenen (im lose an Drive angelehnten Video erst ab Minute 1:15 zu hören).
Nicht nur wegen der Synthesizer, die direkt von Public Enemy Number One stammen könnten, weckt der Opener Big Beast wie auch der Rest von R.A.P. Music Erinnerungen an die großen Public Enemy. Auch hier ist ein wütender Rapper am Werk, der aber – sicher auch von der Wortgewalt des Public Enemy Rappers Chuck D beeinflusst – politische Aussagen ohne Schnörksel oder Metapher macht. Am allerexplizitesten in einem Song namens Reagan.
Dieses Stück Rapmusik markiert den bisherigen Höhepunkt der Entwicklung von Killer Mike hin zu einem politischen Sprachrohr seiner Generation. In den frühen 2000ern gab sich der Rapper aus Atlanta mitunter auch mit klischeehaften Rap-Themen wie Sex, Autos und Parties zufrieden, irgendwann im Laufe der acht Jahre von George W Bushs Präsidentschaft fiel ihm dann wohl auf, dass Rap-Musik in ihrer rein hedonistischen Ausformung ja letztlich Teil desselben unterdrückerischen Medienspieles ist wie auch der tendenziöse konservative Nachrichtensender Fox News.

Killer Mike
Dank El-Ps hyperaktiver Produktionsweise entwickelt R.A.P. Music wie auch Cancer For Cure einen musikalischen Sog, der hier durch den ultra-charismatischen Killer Mike noch mitreißender wirkt. Auf jeden Fall hat El-P mit diesen zwei Platten einen Sound gefunden, der sich zum Beispiel auch auf einem neuen Public Enemy Album richtig gut machen würde. Und R.A.P. Musik ist jetzt schon ein heißer Anwärter auf die HipHop-Bestenlisten dieses Jahrgangs.